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VEMOD: The Deepening

Ende gut, alles gut: Über elf Jahre nach ihrem Debütalbum „Venter På Stormene“ laden VEMOD zum eintauchen in „The Deepening“ ein. Ein magisches, urnordisches Black Metal-Album fernab von Klischees.

Oh, wie kann ich VEMODs Euphorie spüren. Als jemand, der mit Endlosprojekten gut vertraut ist, als jemand der weiß, wie viel dieses kreative Stop and Go, diese damit einhergehende toxische Mischung aus Prokrastination und Selbstzweifeln einerseits und übersprudelnden Ideen und Aktionismus andererseits, den Schaffenden abverlangt. Als würde man einen Rucksack voller Pflastersteine ablegen. Beim Öffnen des Rucksacks finden sich dann finden sich darin doch einige Goldbarren dazwischen den Steinen. OK, im Falle von VEMOD sind es nicht nur einzelne Goldbarren. „The Deepening“, das nun mehr als 11 Jahre nach „Venter På Stormene“ erscheint, ist nämlich eine musikalische Schatzkiste.

Bereits mit ihrem Debütalbum legten VEMOD die Messlatte hoch an. Die Mischung aus schroff und kalt einerseits, aus kitschfrei sehnsüchtig-melodiös und ätherisch andererseits geht auch heute noch unter die Haut – „Venter På Stormene“ ist ein gut gealtertes Album. Das Trio aus dem höchsten Norden – Namsos liegt drei Autostunden nördlich von Trondheim – klingt dabei wunderbar nordisch, ohne auf Stereotypen herumzureiten. Nun nutzt die Band mit „The Deepening“ ihr großes Potenzial und baut auf selbigem auf, sodass eine ganz neue Welt entsteht. Die Magie von VEMODs zweitem Album liegt bereits im Titel, „The Deepening“ ist ein Werk, das immer tiefer gräbt, je länger es läuft.

Ein nordisches Kleinod: Mit „The Deepening“ lassen VEMOD die Weite und Einsamkeit aufs schönste spürbar werden

Somit verwundert es nicht, dass gerade die langen Stücke ihre Wirkung am besten entfalten können. Bereits „Der guder dør“ ist wie eine kleine Reise. Das initiale Riff bleibt im Ohr, wird mit melancholischen Leadgitarren erweitert und bildet die Basis für die kommenden Parts, in deren Richtung sich das dreizehnminütige Stück entfaltet. Trotz aller Grimmigkeit in der ersten Hälfte ist „Der guder dør“ kein brutales Stück, es dominiert die Melancholie und unter dem hypnotischen Drumming und den rasenden Gitarren ist da eine tiefe Ruhe, das von dem epischen Finale mit seinem Chorgesang aufgegriffen wird. Auch der sechzehnminütige Titeltrack entpuppt sich als repetitiver, beinahe meditativer Song, der mal schroff und mal zugänglich ist und sich tief ins Herz gräbt, ohne auch nur eine Sekunde zu lang zu wirken.

Nicht ganz so atemberaubend, aber immer noch stark ist „True North Beckons“, das sich erdig im Midtempo wie ein Gebirge aufbaut und schließlich hypnotisch, zwischen Melancholie und Kraft pendelt. Wie in Wellen schwingt das Stück in Richtung tiefer Ruhe und bäumt sich wieder auf – schade nur, dass die ganz großen, epischen Momente hier fehlen. „Inn i lysande natt“ liebäugelt mit Blackgaze einerseits durch die Leadgitarre und die bluesige Basslinie, mit SOLSTAFIR-artigem Rock and Roll andererseits. Diese spannende Mischung fügt sich in den Rest des Albums stilistisch dennoch gut ein und zeigt VEMODs vielleicht originellste, wenn auch nicht beste Facette.

Gerade VEMODS lange Kompositionen begeistern: „The Deepening“ lädt dazu ein, immer tiefer in der Musik zu versinken

Mit dem berüchtigten Nidrosian Black Metal haben VEMOD nichts zu tun, auch wenn die Musiker in einigen dieser Bands aktiv sind. Misanthropischer Hass und bitterer Nihilismus hätten nicht zu „The Deepening“ gepasst, und doch ist das Album weit davon entfernt, ein braves, zahnloses Werk zu sein. Überhaupt schaffen wenige andere Künstler den Spannungsbogen zwischen kratziger Black Metal-Ästhetik und vollmundiger Melancholie so wie VEMOD. Man denke an die verwunschene Welt von ULVERs „Bergtatt“, an die Introversion von WOLVES IN THE THRONE ROOMs „Two Hunters“ und die poetische Kraft von AGALLOCHs „Ashes Against The Grain“ als grobe stilistische Eckpunkte. Das Erstaunliche dabei: „The Deepening“ hat das Potenzial, in fünf oder zehn Jahren ähnliches Referenzwerk für atmosphärischen Black Metal zu werden.

Dabei sind VEMOD als Performer am ehesten solide bis unauffällig. Es ist viel mehr, was sie aus ihren Ideen rausholen, wie sie als Band funktionieren und wie sie daraus ein so stilistisch heterogenes Werk schaffen, ohne den Gesamteindruck zu verlieren. Es passt einfach alles wunderbar zusammen, die verwaschene Produktion, die Atmosphäre, das Timing, die Vocals zwischen traditionell grimmig und erhaben, die sich in den Dienst des Gesamten stellenden Instrumente. VEMOD geben ein Best Practice-Beispiel für all jene ab, die auch mit ihren Endlosprojekten hadern. Dass manchmal doch am Ende alles gut wird, beweist „The Deepening“ voll und ganz. VEMODs Variante des melancholischen Black Metals mit seinen vielen Facetten und dieser urnordischen Atmosphäre trägt seinen Namen ganz zurecht. Selten ist es besser möglich, 50 Minuten lang in Musik zu versinken, immer tiefer und tiefer.

Wertung: 5 von 6 Gletscherseen

VÖ: 19. Januar 2024

Spielzeit: 48:26

Line-Up:
Jan Even Åsli – Lead & rhythm guitars, clean vocals, synths, all composition & lyrics
Eskil Blix – Drums, harsh vocals
Espen Kalstad – Bass

Label: Prophecy Productions

VEMOD „The Deepening“ Tracklist

1. Mot oss, en ild
2. Der guder dør (Official Visualizer bei Youtube)
3. True North Beckons
4. Fra drømmenes bok I
5. Inn i lysande natt (Official Lyric Video bei Youtube)
6. The Deepening

Mehr im Netz:

https://vemod.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/vemodmusic/
https://www.instagram.com/vemodmusic/

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