US CHRISTMAS: Run Thick In The Night

Wer sich im frühen Psychedelic-Rock, dem Space-Rock, aber auch im Drone wohlfühlt und in diesem Sound gern versinkt, der bekommt von US CHRISTMAS einen herrlich intensiven Trip verpasst.

Zählt man die selbstvertriebenen CDRs mit, dann liefern US CHRISTMAS bereits ihr fünftes Album ab. Dass die Band aus dem westlichen North Carolina so ziemlich jeden Bikerschuppen, jede geeignete Hütte, aber auch Kunstgalerien mit ihrem Sound bedient habt, das spricht mal nicht für Radiotaugliche Klänge. Dann noch ein Blick auf das Label, Neurot mit NEUROSIS und dem entsprechenden Solostoff von STEVE VON TILL bzw. HARVESTMAN und  SCOTT KELLY, da weiß man dann doch grob, wo der Weihnachtsmann den Hasen jagt. Und trotzdem fahren die Amis aus den Blue Ridge Mountains eine recht eigene Linie, die einen nicht sofort packt, sich dann aber gewaltig auftürmt wie die mächtigen bewaldeten Berge in der Heimat der Band.

Bereits als Opener gibt es ein 13-Minuten-Monster, recht ruhig und psychedelisch wird man auf einen Trip durch die Nacht geschickt, dem man sich nicht mehr entziehen kann, wenn man sich bereits mit dem Album vertraut gemacht hat. Großes Vorbild sind ohne Zweifel die frühen PINK FLOYD, Melodien, Gitarrenarbeit, Atmosphäre, spaciges Gewabber, alles erinnert an deren erste Alben wie Ummagumma oder Relics. Hier und da türmt sich der Song gewaltig auf wie ein bedrohliches Drone-Ungetüm, dann werden auch die Vocals wütender und fordernder, um letztendlich mit allmächtigen Melodien doch wieder für Glückseligkeit zu sorgen. Wenn der Song in zartem Akustikspiel zusammenfällt und als Schlusspart sich dieses Ungetüm noch mal mit aller Macht aufrichtet, das hat schon etwas Erhabenes. Aber nicht nur die Könige des Psychedelic-Rock haben bei USX, wie sie auch genannt werden, deutliche Spuren hinterlassen. Mit Wolf Of Anareta zeigen sie abermals ihre Vorliebe für die Spacecakes von HAWKWIND, wie ja schon unter anderem auf der Tribute-Split mit HARVESTMAN und MINSK. Ein grober, rumpliger, aggressiver Song, der sofort an die besten Zeiten der Großmeister des Space-Rock erinnert. Statt freakiger Weltraumromantik rollt hier allerdings ein zerstörerischer Planet auf einen zu, Händchenhalten unter funkelndem Sternenhimmel überlassen die Amis anderen. Dabei brauchen die Amis hier gar nicht in weiteste Galaxien reisen, mich erinnert Wolf In Anareta immer wieder an eine spacige, rüpelige Version von JOE WALSHs Rocky Mountain Way.
Das ist allerdings auch der lauteste Song auf Run Thick In The Night, ansonsten sind zwar reichlich spacig flimmernde und wabbernde Klangwelten vertreten, die aber doch trotz spacigen Lyrics eher psychedelisch anmuten und einem LSD-Rausch gleichen. Dass so ein Trip nicht gesund sein kann, das wird einem schnell klar. Die Songs sind herrlich gespielt, alles fließt ineinander, auseinander und findet wieder zusammen, auch über den Umweg manch arg schräger Töne. Das ganze Album, abgesehen vom rüden Space-Rocker, scheint zum Ziel zu haben, Band und Zuhörer gemeinsam in einen tiefen Sog zu ziehen, was unabwendbar auch gelingt, vor allem eben instrumental. Der Gesang ist hingegen keine leichte Kost. Nate Hall singt wunderbar 70ies-mäßig, aber meistens arg neben der Spur, ein Bigfoot mit Zahnschmerzen kommt einem hin und wieder in den Sinn. Das ist sehr fordernd, um es mal blumig auszudrücken. Hört man sich das Album bewusst an, dann geht das so mal gar nicht. Gerade wenn es zarte Klänge, wieder mit starken PINK FLOYD-Anleihen gibt, zerstören die Vocals schnell jedes Aufkommen von Sentimentalität. Theoretisch zumindest, denn übersieht man diese Kleinigkeit und lässt sich in die Songs fallen, dann wirken die Vocals ganz plötzlich wie ein unverzichtbarer Teil des Ganzen, die Disharmonien erzählen im sonst so schönen und stimmigen Klangbild eine ganz eigene Geschichte. Dann wirkt ein ergreifender Akustiksong wie Ephraim In The Stars mit dem schrägen Gesang und der glockenhellen, ebenfalls etwas danebenliegenden Stimme vom Violinistin Meghan tatsächlich wie ein harmonisches Ganzes, das eben nur so klingen darf. Bei klarem Kopf hingegen gleicht der Song eher einem Zahnarztbesuch.

Aber für klar denkende Leute machen US CHRISTMAS ihre Songs nicht, die haben es eh nicht verdient, sich in psychedelische Orgien wie Suzerian oder das etwas orientalisch anmutende Deep Green fallen zu lassen. Ok, zum Ende des Albums hin schafft einen der Gesang dann doch, aber bis dahin erlebt man einen intensiven musikalischen Abflug in nicht immer wunderschöne, aber dennoch oder gerade deshalb erlebenswerte Welten fernab vom lieb- und leblosen Massensound. Wer sich im frühen Psychedelic-Rock, dem Space-Rock, aber auch im Drone wohlfühlt und in diesem Sound gern versinkt, der bekommt von US CHRISTMAS einen herrlich intensiven Trip verpasst.

Veröffentlichungstermin: 01.10.2010

Spielzeit: 76:43 Min.

Line-Up:
Nate Hall – Words, Vocals, Slide-, E- und Akustik Guitar
Matt Johnson – Guitar, Synthesizer
Meghan Mulheam – Violine, Voice
Josh Holt – Bass, Drones, Synthesizer
BJ Graves – Drums, Percussion
Justin Whitlow – Drums, Feedback
Chris Thomas – Guitar, Bass

Gäste:
Sanford Parker – Tamburin
Tony Wyioming – Handtrommeln
Travis Kammeyer – Hammond Orgel, Drone Sounds

Label: Neurot Recordings

MySpace-Seite: http://www.myspace.com/uschristmas

Tracklist:
1. In The Night
2. Wolf On Anareta
3. Fire Is Sleeping
4. Fonta Flora
5. Ephraim In The Stars
6. The Leonids
7. Suzerain
8. Maran
9. The Quena
10. Deep Green
11. Devil´s Flower In Mother Winter
12. Mirror Glass
13. The Moon In Flesh And Bone

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