Das Line-Up von SLIME hat sich inzwischen stabilisiert. Auf ihrem nunmehr 10. Studioalbum prügelt sich die Hamburger Punk-Institution quicklebendig durch 14 Songs. Stand beim Vorgänger „Zwei“ noch die Frage im Raum, ob Tex Brasket als neuer Sänger überhaupt zur Band passt, kann „3!+7¹“ sich ungestört entfalten. Mit traumwandlerischer Sicherheit wandelt das Quintett nun zwischen Aggression und Melodie, zwischen Nostalgie und Zukunftsblick. Von Altersmilde keine Spur.
SLIME waren schon immer eine Band mit Haltung. Entsprechend ist auch 2025 die Wut gegen soziale Ungerechtigkeit eine wichtige Zutat im Songwriting. Der Opener „Armes Deutschland“ kann zwar nicht mit den übergroßen Klassikern „Deutschland“ und „Schweineherbst“ mithalten. Doch gleich im Anschluss nimmt das Album an Fahrt auf. Das flotte „Euch will ich sehen“ klingt ungleich direkter. Die schnoddrige Stimme von Tex Brasket passt perfekt zu den ungeschminkten Texten. Die Produktion ist druckvoll, beim Schlagzeug vielleicht etwas zu „gut“. Dafür klingen die Gitarren klasse, mal differenziert, mal wie eine mächtige Wand. Der Sound passt jedenfalls bestens zu den Songs.
SLIME haben auch 2025 noch Relevanz mit ihrer druckvoll vertonten Sozialkritik.
Selbstbewusster denn je schrecken SLIME anno 2025 auch nicht vor positiven Songs zurück. „Bock auf Leben“ versprüht eine positive Stimmung, die freilich auf allerlei harter Lebenserfahrung fußt. Bei „Irgendwas mit Saufen“ flirtet die Band mit Ironie, bekommt aber nach jedem Refrain wieder die Kurve, bleibt sich treu und erfindet sich zugleich neu.
„3!+7¹“ ist homogener und kompakter als sein Vorgänger. Autobiografische Elemente in den Texten wurden subtiler eingeflochten. „Monster“ und „Evolution“ sind typische SLIME-Hits – textlich nicht ganz so plakativ wie in den Anfangstagen, aber wütend, direkt, authentisch. Wo zuletzt „Sein wie die“ der heimliche Höhepunkt war, entpuppt sich nun „Schatten“ als heimlicher Höhepunkt auf der B-Seite. Eine Zeile wie „Jeder Mensch braucht ’ne Geschichte, die es wert ist zu erzählen“ löst bei mir Gänsehaut aus.
Das neue Album ist homogen und kompakt mit zahlreichen Höhepunkten.
Bei „Wem gehört die Angst“ schien sich Routine einzuschleichen, schien das stabile Line-Up der Kreativität nur bedingt zu helfen. Bei „3!+7¹“ hingegen schaffen SLIME es, selbstbewusst zu reifen und Bewährtes mit Frischem zu verbinden. Damit sind freilich keine Experimente gemeinte. Die Band spielt weiter Punk-Rock im 4/4-Takt überwiegend im flotten Midtempo-Bereich, alle Lieder sind kürzer als 4 Minuten. Teilweise wird das Tempo variiert, um die Musik interessant zu halten. Die Texte schwanken zwischen Emotionen, Geschichten, Sozialkritik und der bereits erwähnten Standhaftigkeit. Keine Frage, wir haben es hier mit einem sehr guten Album zu tun, das sich unverbraucht und kreativ im üblichen Stil-Korsett bewegt.
Klar, ein Album wie „Schweinherbst“ klingt noch roher und turbulenter. Seither sind allerdings über 30 Jahre ins Land gezogen. Mir ist es wesentlich lieber, wenn SLIME ihren Unmut (und ihren Mut) eher im mittleren Tempo ausleben. Denn herausgekommen ist ein musikalisch ziemlich zeitloses Album, dessen Energie mitreißt und durch die vielfältigen Texte und den kraftvollen Gesang eine Eindringlichkeit entwickeln, der man sich nur schwer entziehen kann.
Veröffentlichungsdatum: 15.08.2025
Spielzeit: 42:42
Line-Up:
Tex Brasket: Gesang
Michael „Elf“ Mayer: Gitarre
Christian Mevs: Gitarre
Nici: Bass
Alex Schwers: Schlagzeug
Label: Hulk Räckorz & Slime Tonträger
Homepage: https://www.slime.de
SLIME „3!+7¹“ Tracklist:
- Armes Deutschland (2:48) (Video bei YouTube)
- Euch will ich sehen (3:15)
- Evolution (3:26) (Analog-Video bei YouTube) (KI-Video bei YouTube)
- Wer du bist (3:59)
- Rotterdamn (3:50)
- Monster (3:46) (Video bei YouTube)
- Irgendwas mit Saufen (3:07)
- Generalstreik (2:14)
- Self Delete (2:53)
- Bock auf Leben (3:08)
- Schatten (3:45)
- Fuckt mich ab (3:04)
- Zeit zu gehen (3:21)