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:NODFYR:: Eigenheid

NODFYR: wollen Volksmusik machen und dabei eher introspektiv ihrem Erbe nachspüren als es aggressiv nach außen zu tragen, und das hört man: sympathischer “Heathen Metal” aus Gelderland, mit Ohrwurmqualitäten!

Schon merkwürdig, dieses Gelderland: Seit einiger Zeit tauchen immer mehr hervorragende Bands aus dieser Gegend auf. Sicher, es ist sehr schön dort (ich empfehle besonders einen Besuch in der Veluwe), aber was genau ist es, das diesen Landstrich so fruchtbar macht für guten Metal? Wir könnten :NODFYR: fragen, die mit „Eigenheid“ ein Konzeptalbum über Identität vorlegen und dabei auch ihre lokale Identität alles andere als aussparen. Nun ist Identität oft eine eher unangenehme Angelegenheit. Mir fällt z.B: sofort die sog. Identitäre Aktion ein, ein Zusammenschluss adretter, mehr oder weniger junger Neonazis, für die er als Kampfbegriff für so ungemütliche Sachen wie Rassismus, Antisemitismus und Homophobie herhalten muss. Außerdem denke ich an den schönen Zweizeiler von Wiglaf Droste:

“Identität, Identität –
Wem nichts mehr steht, steht Identität”,

mit dem der Dichter darauf hinweisen möchte, dass so etwas wie eine (nationale) Identität nur derjenige Mensch braucht, der es sonst zu nichts im Leben gebracht hat (und keinen mehr hoch kriegt, ja, das auch). Dort, wo diese Hornochsen mit ihrer sog. Identität hausieren gehen, haben von Leben erfüllte Menschen nämlich in der Regel so schöne Dinge wie Freundschaft, Familie, Liebe, Kunst und Kultur und vielleicht sogar einen Beruf vorzuweisen!

:NODFYR: regen zum Nachdenken über “Eigenheid” an

Haben sie aber nicht dann zwangsläufig eine Identität? Ja, ist es nicht sogar so, dass es genau diese Dinge sind, die den Identitäts-Verfechter*innen von links wie rechts als Essenz dieses Konzepts erscheinen? Im linken Kultur- und Universitätsbetrieb übrigens beinahe mit größerer Leidenschaft: Es gibt Gesprächsrunden, in denen die Menschen zunächst ihre Lebensgeschichte darlegen müssen, um dann anhand dieser eine Identität zu konstruieren, die ihnen eine entsprechende Position im jeweiligen Diskurs zuweist. Wer „Identität“ als Konstrukt für sich ablehnt, bekommt da zurückgemeldet, dass das gar nicht ginge, da wir alle irgendwie „gelesen“ werden und uns dazu positionieren müssen.

Das ist einleuchtend, bedingt aber nicht die Affirmation des Konstrukts: Ich kann auf einer politischen Metaebene Kritik daran üben, ganz unabhängig davon, wie ich gelesen werde – die Fähigkeit zur Abstraktion ist etwas genuin menschliches. Niemand ist gefangen darin, wie er gelesen wird, und niemand ist gezwungen, daraus eine Identität und aus dieser wiederum eine Politik zu machen, die häufig lediglich einen unglaublich banalen Inhalt hat: ICH bin ICH – und verlange gefälligst Respekt dafür!

Introspektiv dem eigenen Erbe nachspüren – das ist “Eigenheid”

Wenn ich mir die „Eigenheid“ :NODFYR:s so anhöre, höre ich kaum Elemente einer solchen Aggressivität. Sicher, es sind harte Gitarren, kräftiges Schlagwerk zu vernehmen, es gibt sogar Blast-Beats – aber über allem schwebt die elegante, sonore Stimme von Sänger Joris (ebenso wie Drummer Nico übrigens auch Teil von BEZWERING). Er trägt die Lieder, ganz dem folkloristischen Anspruch der Band verbunden, und ist dementsprechend auch ordentlich in den Vordergrund gemischt. Das geht jedoch kaum zu Lasten der Gitarren, die in der etwas rumpeligen Produktion zwar angemessen Druck erzeugen, aber nie wirklich aggressiv brettern; :NODFYR: wollen Volksmusik machen und dabei eher introspektiv ihrem Erbe nachspüren als es aggressiv nach außen zu tragen, und das hört man.

Dazu haben sie sich im Übrigen auch eine echte Folklore-Kapelle eingeladen, die seit 1973 aktiven FOLKCORN. Die sind in all dem hymnischen, getragenen Heavy Metal eine willkommene Abwechslung und sorgen für genau die Auflockerung, die es braucht, um das Album begeistert durchhören zu können. Sogar einen richtigen Hit hat „Eigenheid“ zu bieten: „Gelre, Gelre“ ist schon vor einigen Monaten erschienen und irgendwie zu mir durchgedrungen, und es ist zwar ein penetranter Ohrwurm, aber auch eine unglaublich motivierende Hymne, die Fans von beispielsweise FALKENBACH eine große Freude machen dürfte. Gleichzeitig wirkt sie urig genug, um nicht mit nationalistischen Kampfgesängen verwechselt zu werden. Cool!

Der Rest des Materials changiert zwischen epischem und doomigem Material und fällt in Sachen Hitqualität demgegenüber etwas ab, bietet aber genug erhabene Schönheit und verschrobene Eigenheit, um als sympathisches, originelles Hörfutter durchzugehen. Wer’s trotzdem nicht glaubt, dass :NODFYR: Gutes im Sinn haben, möge sich auf Facebook die Interviewreihe mit ihnen und den auf der Platte vertretenen Gastmusikerinnen und Gastmusikern durchlesen, denn auch dort geht es angenehm unverkrampft um die Frage, was Identität für die jeweiligen Personen ausmacht.

Spielzeit: 40:57 Min.

Veröffentlichung am 5.3.2021 auf Van Records

:NODFYR: “Eigenheid” Tracklist

1. Mijn oude volk (Audio bei YouTube)
2. Gelre, Gelre (Audio bei Bandcamp)
3. Wording
4. Driekusman
5. Bloedlijn
6. Zelf
7. Nagedachtenis

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