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MISþYRMING: Með hamri

Das Gesetz des Hammers: MISþYRMING regieren auf „Með hamri“ mit eiserner Härte. Das Ergebnis ist maximal intensiver Black Metal, ein manischer Adrenalinrausch.

Egal wie sehr man versucht, das Richtige zu tun, sich anständig zu verhalten, wie brav, anständig und angepasst man auch sei, es wohnt ein Teil in uns, der gerne brutal und barbarisch ist – der Mensch ist eben eine komplexe Persönlichkeit, die gern den Deckel drauf hält. Die nette Yogalehrerin von nebenan, die sich in der Pandemie als antisemitische Impfgegnerin präsentiert, der biedere Bankangestellte, der seine Familie misshandelt, und so weiter. Dann lieber bewusst das Tier heraus lassen, dem Schatten eine Gestalt geben und ihn loslassen auf die Welt. Mit einem Hammer. MISþYRMING machen vor, wie man die Moral hinter sich lassen kann und die Welt ohne Reue in Trümmer legt. Das bedrohliche Gebäude auf dem Cover spricht Bände: Hier wird unserer Zivilisation und Scheinmoral der Prozess gemacht.

Bis an die Zähne bewaffnet und voller Energie: Mit „Með hamri“ spucken MISþYRMING der Szene ins Gesicht.

„Með hamri“ fühlt sich befreiend an, weil es keinen Deut von der eigens gesteckten Prämisse zurückweicht. Dabei tritt das Album in große Fußspuren. „Algleymi“, das vor dreieinhalb Jahren veröffentlichte Zweitwerk MISþYRMINGs, ist mittlerweile ein moderner Klassiker und hat die Band zurecht an die Spitze des  zeitgenössischen Black Metal gehievt, nachdem das Debüt „Söngvar elds og óreiðu“ Island zu einem Big Player in der Black Metal-Szene machte. Es dürfte ein gewisser Druck auf Songschreiber und Frontmann D.G. gelegen haben. Dieser antwortet aber auf ganz schnörkellose Weise: Er spuckt der Szene voll Abscheu ins Gesicht.

Der charakteristische Sound, den MISþYRMING schon in frühem Stadium entwickelt haben, wird deutlich erweitert. Der Titelsong startet thrashig, chaotisch und pfeilschnell. Das irritiert für eine Minute, aber dann sind da diese unfassbar starken Riffs, diese Aggression, diese Wildheit, die Unzähmbarkeit, die schnell anstecken. Egal, dass das nicht der originellste Opener ist und FUNERAL MIST hier Pate standen – „Með hamri“ beginnt furios. MISþYRMING schreiben generell exzellente Riffs, die begeistern. Der Spagat zwischen Chaos und Eingängigkeit, der hier so mühelos klingt, ist eigentlich harte Arbeit. Die initialen Songideen potenzieren sich in ihrer Wucht und Heaviness und sorgen so dafür, dass sich die Songs immer weiter in den Wahnsinn schrauben – bis sie schier abreißen. Gleichzeitig beherrschen MISþYRMING gekonnt die nötigen Spannungsbögen, um zu verhindern, dass das Material abstumpft. Gerade das abschließende „Aftaka“ ist hier ein Musterbeispiel: Schweißtreibend und hochaggressiv einerseits, dann wieder durchzogen von großen Momenten und Gesten.

Klare Songstrukturen, Chaos, ein wenig Experimentierfreude: MISþYRMING erschaffen mit „Með hamri“ ein ganzheitliches, vielschichtiges Hörerlebnis.

„Með hamri“ braucht dabei keine zig verschiedenen Riffs und Ideen pro Song, viel mehr dürfen sich die Stücke dynamisch und natürlich aufbauen. Dabei hat jedes von ihnen seinen eigenen Charakter. Schon nach dem Titelsong wird es langsamer, aber nicht weniger treibend. Man könnte versucht sein, „Með harmi“ als Verneigung vor BATHORY oder PRIMORDIAL aufzufassen – MISþYRMING wie eine Armee über den Hörer und haben nebenbei ein Gespür für grandiose Leadgitarren. Auch „Engin vorkunn“ genügt ein Midtempo-Riff, das ins Schwarze trifft, um konsequent umzuhauen. Am schönsten verbinden MISþYRMING allerdings ihre verschiedenen Facetten auf „Engin miskunn“, das wie eine straighte Version neuerer DEATHSPELL OMEGA klingt und dies mit der Catchyness von MGLA verbindet. Dass dazwischen dröhnende Synthesizer wie die Trompeten alttestamentarischer Heerscharen die Musik unterstreichen und noch bedrohlicher werden lassen, sorgt dafür, dass diese Musik durch Mark und Bein geht.

Generell haben MISþYRMING auch Freude am kleinen Experiment. Synthesizer und Interludes erweitern die Songs, sorgen für Atmosphäre und dafür, dass die Musik nicht nur wie ein tollwütiges Tier die Hörer anspringt, sondern auch, dass ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Besonders wirkungsvoll: Der Chor am Ende von „Blóðhefnd“. Die Band selbst agiert tighter als noch auf „Algleymi“, vor allem der neue Drummer M.S. leistet ausgezeichnete Arbeit. Und mit D.G. ist eine charismatische, hochintensive Stimme in der Band. Daraus wird etwas Ganzheitliches: bei „Með hamri“ stimmen die Einzelteile und auch die Summe des Ganzen.

Musik für den Schatten: MISþYRMING zielen mit ihrem dritten Album „Með hamri“ auf die dunkle Seite der Seele ihrer Hörer.

Ein Teil des Menschen ist ein blutrünstiges Tier, das normalerweise weggesperrt ist. Das hat natürlich seine Vorteile, ansonsten gäbe es keine funktionierende Gesellschaft. Das ist ein weiterer Grund, warum „Með hamri“ so guttut: Hier trifft kalte Ratio auf leidenschaftliche Wut, auf Raserei, auf das Unangepasste und zielt genau auf die dunkle Seite der Seele der Hörer ab. MISþYRMING anno 2022 sind der Schatten, in dem eine Kraft wohnt, die kaum beherrschbar ist. Diese Kraft ist viel von dem, das eigentlich abzulehnen ist, aber doch da ist – ob man will oder nicht. „Með hamri“ ist somit viel mehr ein Annehmen von allem, was da ist – vor allem der dunklen Energie. Die Ironie hier ist, das MISþYRMING in letzter Konsequenz fast schon in Richtung Achtsamkeit vordringen, oder aber zumindest mehr Offenheit für alles zeigen, als diejenigen, die ihre Moral über alles stellen.

Neben der mitreißenden Musik, überraschen MISþYRMING also auch mit einer Metaebene, die das Zerstörerische und Ungezähmte im Black Metal in ein völlig anderes Licht rücken. Das gibt es in diesem Genre wirklich selten. „Með hamri“ geht somit absolut unter die Haut, ist äußerst kurzweilig, wuchtig und lebendig produziert, hat einen bemerkenswert aggressiven Gitarrensound und wird durch das furchteinflößende Artwork von Manuel Tinnemans abgerundet. MISþYRMING sind gefährlich und boshaft – genau deshalb wirkt „Með hamri“ so unglaublich gut und ist gleichzeitig so verführerisch und bleibt beim Publikum auch nach einem guten Dutzend Durchläufen haften. Ganz groß!

Wertung: 5,5 von 6 Exekutionen

VÖ: 16. Dezember 2022

Spielzeit: 43:34

Line-Up:
D.G. – Guitars, Vocals, Piano and Electronics
T.I. – Guitars, Backing Vocals
G.E. – Bass, Backing Vocals
M.S. – Drums

Label: Norma Evangelium Diaboli

MISTYHRMING „Med Hamri“ Tracklist:

1. Með hamri
2. Með harmi
3. Engin miskunn
4. Engin vorkunn
5. Blóðhefnd
6. Aftaka

Mehr im Netz:

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