Eine der stärksten Waffe des Horror-Genres ist das Überraschungsmoment. Ob Jumpscare oder eine plötzliche Wendung, die uns den Boden unter den Füßen wegzieht – guter Horror spielt mit unseren Erwartungen. Daher ist es schon erschreckend, wie geradlinig und vorhersehbar MISTER MISERY auf ihrem zweiten Album zu Werke gehen. Ist „A Brighter Side Of Death“ nur ein beliebiger B-Movie?
Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, auch wenn hinter dem Eigenlabel „Horror Metal“ im Prinzip recht unverblümter Modern Metal steckt, den die vier Schweden um ein paar atmosphärische Samples und Synthesizer angereichert haben. Das düstere lyrische Element tut überdies sein Bestes, richtige Gruselstimmung kommt dennoch kaum auf. Dafür ist „A Brigther Side Of Death“ zu eingängig, zu melodieverliebt.
Kontraste sind das Lebenselixier von „A Brighter Side Of Death“
Wenn der Gaul mit MISTER MISERY nicht gerade durchgeht – im pop-affinen „In Forever“ wird es schon sehr kitschig -, hat das Quartett allerdings ein gutes Gespür für catchy Metal-Hits. Der Opener „Ballad Of The Headless Horseman“ mutiert schnell zum hartnäckigen Ohrwurm, “Buried” verbindet einen sehnsüchtigen Refrain mit dramatischen Synth-Streichern und „Burn“ fletscht mit Groove und harten Nu-Metal-Riffs zwischendurch sogar die Zähne.
Das Horrothema halten ab und an soundtrackartige Fetzen aufrecht. Das von gespenstischen Chören begleitete Piano-Intro von „Mister Hyde“ passt zu dessen Theatralik, auch wenn MISTER MISERY anschließend wieder eine ihrer Zucker-Hooks aus dem Ärmel schütteln. Diese Kontraste sind das Lebenselixier von „A Brighter Side Of Death“. „Clown Prince Of Hell” etwa erinnert an eine härtere Version von LORDI, die in Ausbrüchen à la APRON immer wieder dem Wahnsinn anheimfällt. An anderer Stelle gibt es Melodeath-Riffing („We Don’t Belong“), Refrains im besten Metalcore-Stil („I’ll Never Be Yours“) und mit „Home“ sogar einen Moment der Reflektion, welcher in der ersten Hälfte – so kurios es klingen mag – die wenigen nachdenklichen Stücke der Pop-Punk-Veteranen BLINK-182 in Erinnerung ruft.
Um Klischees kommen MISTER MISERY kaum umhin
Abwechslung ist offenbar auch allgemein das Steckenpferd von MISTER MISERY. Daher schmerzt es umso mehr, dass die Platte aufnahmetechnisch zu sehr komprimiert ist und daher auf Dauer etwas ermüdend werden kann. Ein bis zwei Songs weniger oder etwas mehr Raum zum Atmen hätten wahrscheinlich Wunder gewirkt – wobei wir auch mit mehr Experimenten wie dem finalen Bonustrack zufrieden gewesen wären. Die Single „Ballad of the Headless Horseman“ macht auch in seiner melodramatischen orchestralen Fassung eine gute Figur, nicht zuletzt da Sänger Harley Vendetta sich hier stilistisch stark Ronnie Radke (FALLING IN REVERSE) orientiert und unter Beweis stellt, dass er mehr zu bieten hat als den knurrenden „angry uncle“-Gesang, der den Großteil des Albums dominiert.
Obwohl MISTER MISERY um Klischees und Stereotype kaum umhinkommen, ein B-Movie wie eingangs vermutet ist „A Brighter Side Of Death“ keineswegs. Im Filmjargon würden wir wohl von einem Genre-Flick sprechen, dem man durchaus einiges abgewinnen kann, so man sich auf die Gegebenheiten einstellt: Das Zweitwerk der Skandinavier ist ein Popcorn-Album mit dunklem Anstrich – ohne Schockmomente, aber mit adäquatem Unterhaltungsfaktor.
Veröffentlichungstermin: 23.4.2021
Spielzeit: 55:48
Line-Up
Harley Vendetta – Vocals, Gitarre
Alex Nine – Guitar
Eddie Crow – Bass
Rizzy – Drums
Label: Arising Empire
Homepage: https://mistermisery.com/
Facebook: https://www.facebook.com/mistermiseryband
MISTER MISERY “A Brighter Side Of Death” Tracklist
01. Ballad Of The Headless Horseman (Video bei YouTube)
02. Buried
03. Mister Hyde (Audio bei YouTube)
04. Burn
05. Devil In Me (Video bei YouTube)
06. I’ll Never Be Yours
07. Under The Moonlight
08. In Forever (We All Fall Down)
09. Clown Prince Of Hell
10. We Don’t Belong
11. Home
12. Through Hell
13. Ballad Of The Headless Horseman (Bonus Track – Orchestral Version)