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KHÔRADA: Salt

“Salt” ist kein Werk für zwischendurch, es will laut gehört werden, es will mitgelesen und -gelebt werden, es will was in dir bewegen. “Salt” ist ein Werk für Menschen voller Wut und Weltschmerz.

Es dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben, dass die Herren von AGALLOCH ohne ihren Sänger (der ja PILLORIAN gegründet hat) unter dem Namen KHÔRADA weitermachen – nicht zuletzt aufgrund künstlerischer Differenzen. Die hört man auf “Salt”, dem mit großer Spannung erwarteten Debüt der Band, überdeutlich: Die Produktion ist trocken, wuchtig, staubig, so gar nicht Metal, eher Sludge. Und mit was für einem Sänger sie sich da zusammen getan haben! Aaron John Gregory (ex-GIANT-SQUID) klagt, schreit, weint sich aus dem Geröll, das die Band ihm auftürmt, sein Leid von der Seele und wird dabei erfreulich politisch: um Wasser als Besitz etwa geht es – und damit um den Kern des Kapitalismus schlechthin, dem Recht auf Privateigentum (an Produktionsmitteln, Nahrung, Wasser, einfach an allem), jene vom Staat mit Gewalt durchgesetzte Garantie aufs Geschäft, die dann, verbunden mit den Freiheits- und Gleichheitsrechten, wie von “unsichtbarer Hand” dazu führt, dass die einen aus freien Stücken unter Brücken und in schimmeligen Wohnklos hausen und die anderen in Villen – während alle gemeinsam langsam an Plastik und anderem Umweltschmutz krepieren, die einen früher, die andern später. “Cruelty of competition – the catastrophe of capitalism”.

KHORADAs “Salt” erinnert an alte Prophecy-Helden

Die Katastrophe Kapitalismus wird erst im letzten Lied, der nahezu perfekten Prog-Rock-Ballade “Ossify”, explizit genannt (und mit einem großartigen Kniff deutlich gemacht: Was werden die, die nach uns kommen, bloß denken, wenn sie die Überreste unserer Welt sehen? Wie enttäuscht werden sie sein – so banal kaputt gegangen, erstickt an Plastik sind diese Menschen!?), aber musikalisch wird das Unbehagen von Anfang an konsequent verfolgt, verdichtet, eingehämmert. KHÔRADA erinnern dabei sicherlich an alle möglichen Größen finsterer Rockmusik, mir als altem Prophecy-Jünger kamen aber zuerst die alten Helden aus Norwegen in den Sinn, die Post-Metal machten, bevor es Post-Metal gab: IN THE WOODS… und – viel mehr noch – DRAWN, die vor 19 Jahren mit “A New World?” m.E. einen absoluten Meilenstein veröffentlicht haben, der viel zu unbekannt ist (und aktuell sogar nicht einmal mehr auf der Homepage von Prophecy selber zu finden ist). An diesen Geniestreich kommen KHÔRADA nun nicht heran, aber die verzweifelt-verschrobene Art zu singen, die Wechselwirkung zwischen Aggression und Traum, die apokalyptische Atmosphäre gespenkelt mir Hoffnungsschimmern, sogar die Instrumentierung (ja, auch hier findet sich eine Trompete!), das alles erinnert doch sehr an dieses Album – und ist wirklich großartig.

Mal ehrlich – leicht ist es nicht

Man muss in der richtigen Stimmung sein für “Salt” – dies ist kein Werk für zwischendurch, es will laut gehört werden, es will mitgelesen und -gelebt werden, es will was in dir bewegen. Dies ist ein Werk für Menschen voller Wut und Weltschmerz, die sich ergötzen wollen an hervorragendem technischen und kompositorischen Können, an verspielten Details (die wunderbaren Gitarren allein!), und die offen sind für Ungewöhnliches. Die Songs sind dabei nicht direkt zu entschlüsseln und zu genießen – einige haben durchaus ihre Längen, weil sie einfach sehr voll gepackt sind und die Hörerin/den Hörer mehr plattwalzen als alles andere. Aber wie schon von AGALLOCH bekannt, wird ein Wunsch nach mehr erzeugt, man möchte trotz der Fülle nochmal das Martyrium durchackern, denn da war doch irgendwo diese eine Stelle, wo…? Genau. Und außerdem – wer sechs Stücke voller Leid und Schmerz und bassig-wummernd-variablem Schlagzeug durchlitten hat, der wird am Ende mit einem Lied belohnt, das den Begriff “Katharsis” wirklich mal mit Leben füllt. “Ossify” – was für eine den Himmel öffnende Hymne! Und wie bitter nötig sie war, denn, mal ehrlich, leicht ist es nicht, in dieser Welt zu leben. Auch das ein Grund, froh darüber zu sein, dass altgediente Musiker es nicht zuletzt durch die Musik so lange in ihr aushalten – und sich dann auch noch so erfrischen neu erfinden können. Danke dafür!

Spielzeit: 55 Min.
Veröffentlicht am 20.07.2018 auf Prophecy Productions
Das Album bei bandcamp

Tracklist:
1. Edeste
2. Seasons Of Salt
3. Water Rights
4. Glacial Gold
5. Augustus
6. Wave State
7. Ossify

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