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EXCRUCIATION: (P)ain

Die Schweizer haben absolut geliefert. „(P)ain“ ist ein tolles Album und eine klare Empfehlung für jeden, der mit Doom und trauriger Musik generell etwas anfangen kann

Es gibt sie ja, diese Bands, die es einfach nicht lassen können, die seit Jahrzehnten im Underground aktiv sind, Konzerte veranstalten oder kleine Labels betreiben, konsequent ihre Musik erschaffen, unermüdlich Alben veröffentlichen und damit die eigentliche „Szene“ am Leben erhalten, mehr als jedes große Festival, mehr als jeder Bericht über Metal bei Arte und natürlich mehr als jeder, der „früher auch mal Metal gehört hat“, das je verstehen wird. 

Diese Bands schaffen nie den ganz großen Sprung, sind in ihrem Umfeld zwar Instanzen, graue Eminenzen, oftmals zu Unrecht belächelt, oft aber auch einfach als selbstverständlich hingenommen. Dabei ist nichts selbstverständlich. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass in einer Band zu spielen, Gigs auf Underground-Level zu organisieren, durch die Gegend zu fahren und zu spielen, und alles, was damit zusammenhängt, mit fortgeschrittenem Alter ganz andere Herausforderungen an den Musiker stellt, als mit Mitte 20.

Und deswegen kann man diesen Bands gar nicht genug danken, dass sie die Fackel immer noch kraftvoll in die Höhe recken, dass sie immer noch relevant bleiben, dass sie, oft auch selbstgewählt, im Underground verbleiben, ohne den Erfolgsdruck, Geld verdienen zu müssen, aber um ihre Musik als Kunst zu freier und kreativer Entfaltung zu bringen und damit auch den Weg für die ebnen, die dann „erfolgreich“ in Ihnen vorbeiziehen und aus dem Underground herauswachsen. Und überhaupt, was ist eigentlich Erfolg? Mehr Platten verkaufen und dafür auf Wacken zwischen unsäglichen Tralala-Bands und schlechter Comedy das „echter Metal“-Feigenblatt geben? Dann doch lieber Stockbetten im lokalen AZ, Rückenschmerzen und dafür echte kreative Musik und Selbstbestimmung.

Und eine solche Band sind eben auch EXCRUCIATION aus Zürich. Und das seit mittlerweile 40 Jahren, wenn auch mit Unterbrechungen. Aber bevor es jetzt hier zu pathetisch und nostalgisch wird, lieber zur Musik, denn die beweist, dass es hier nicht um eine irgendwie nostalgische Geschichte geht. Denn wir haben hier ihr fünftes Full-Length Album, dass alles bestätigtet, was oben gesagt wurde.

Doom Metal im Spannungsfeld zwischen MY DYING BRIDE und CANDLEMASS

Alle 9 neuen Songs bieten wunderbaren, melancholischen Doom, im Spannungsfeld zwischen MY DYING BRIDE wie in „While the Mourners are Passing by“ und CANDLEMASS  wie in „Victima Dei“, mit dem richtigen Gespür für das Genre, aber ohne ins bloße Reproduzieren von Standards abzugleiten, was in der relativ beschränkten musikalischen Formen-Sprache des Doom-Metal schon eine Kunst für sich ist. Dazu kommen Einflüsse aus Gothic oder gar Post-Rock, am eindeutigsten umgesetzt im Song „Riding the Night“ mit zu Beginn fast THE CURE-artigen, cleanen Gitarren, die sich dann zu einer wunderbar getragenen Melodie steigern, um dann ins Nichts zu verschwinden.

Es zieht sich eine tiefe Traurigkeit durch das ganze Album wie ein, in diesem Fall tiefschwarzer Faden, durch die Texte, durch die Musik, bis hin zum dunklen, wie immer bei den Schweizern, gelungenen Artwork, mit seinem verschwommenen Blick auf eine offenbar trauernde Gestalt, die durch einen Schleier von Tränen aber mehr als Emotion, denn als Umriss wahrgenommen werden kann. 

EXCRUCIATION liefern auf „(P)ain“ die perfekten Doom Metal Songs

Man merkt natürlich die jahrelange Erfahrung der Musiker nicht nur in der absolut professionellen Performance an den Instrumenten, sondern auch in der Souveränität, mit der das goldene Handwerk des Songwritings hier nahezu zur Perfektion gebracht wird. Keine Note zu wenig, keine überflüssige Wiederholung, im Doom ja oft an der Tagesordnung, und kein Riff zuviel. Alles ist genau wie es sein muss, um die Atmosphäre zu entfalten, die die Kulisse für Eugenios deklamierendem Gesang voller Traurigkeit bildet und die Essenz dieser Band ausmacht. 

EXCRUCIATION liefern ein starkes, kraftvolles Album, voller dunkler Emotionen, voller Authentizität und Kreativität, mit einer eigenen Stimme in einem eng gesteckten Genre und mit viel Herzblut und Hingabe.

Dazu kommt, dass der Sound, den die Band zusammen mit Mario Dahmen vom Liquid Aether Studio produziert hat, die perfekte Klangästhetik für die Musik liefert, vor allem der fantastische Gitarren-Sound mit genau der richtigen Schärfe, mit viel Druck und Tiefe, aber trotzdem auch mit einer erstaunlichen Transparenz, ohne die Wärme zu verlieren, die Doom eben immer auch braucht. 

Fazit: Die Schweizer haben absolut geliefert, eine tolles Album und eine klare Empfehlung für jeden, der mit Doom und trauriger Musik generell etwas anfangen kann.

(Auf der Süd-Amerika Edition gibt es übrigens noch eine Cover-Version von „In every Dream Home A Heartache“ von ROXY MUSIC, die ich wirklich gerne gehört hätte.)

Release Date: 20.09.2024

Label: Auric Records

EXCRUCIATION Line-Up:
Eugenio Meccariello – Vocals
Marcel Bosshart – Guitars
D.D. Lowinger – Bass
Andy Renggli – Drums

Tracklist:

  1. God
  2. While the Mourners are passing by
  3. Bleeding
  4. Victima Dei
  5. The Sun has lost its Light
  6. Riding the Night
  7. In Silence
  8. Darker
  9. Pleasuredome for the Wicked

EXCRUCIATION “God” (Video bei YouTube)

EXCRUCIATION “While The Mourners Are Passing By” (Video bei YouTube)

Album bei Bandcamp