Grindcore als ein die Kulturen verbindendes Phänomen mag im ersten Moment seltsam wirken, aber die Offenheit und Toleranz in dieser Szene ist weithin bekannt, klammert man die misogyne Porngrind-Nische aus. An sich mag das Genre derzeit auserzählt wirken, nur wenige Alben mit Klassikerpotenzial wie „Coronet Juniper“ von GRIDLINK erschienen in den vergangenen Jahren. Aber hey, Jon Chang ist eben auch eine Ausnahmefigur. Dennoch: Wer tief gräbt, findet allerhand Obskures, aber nichts, was das Genre so richtig weiterbringt. CHEPANG könnten nun alles bieten, das im Grindcore so dringend gebraucht wird. Die aus Nepal stammenden und in New York residierende Formation sorgte mit dem 2023er Brainmelt „Swatta“ für offene Münder und/oder Kopfschmerzen. Ob das RELAPSE-Debüt „Jhyappa“ diesen Siegeszug fortsetzt?
Die Antwort ist klar: leider nein. CHEPANG treten bewusst auf die Bremse, um nicht noch unverdaulicher zu werden. Mehr noch – nachdem bereits „Chatta“ (2020) mit Industrial und Noise experimentierte und exzellente Remixes als Addendum bot, sich „Swatta“ gegen Ende mit NAKED CITY-Wahnsinn der Musik generell verweigerte, ist „Jhyappa“ ein Blick zurück in Richtung des Debüts „DADHELO – A Tale Of Wildfire“, beziehungsweise der ersten EP „Lathi Charge“. Sprich: die Riffs sind eher chunky statt dissonant, die Grooves heavy, die Blast Beats knackig. Neun Songs in 18 Minuten lässt auch formal eher an NAILS denken als an den fragmentierten Wahnsinn des letzten Albums. Das ist irgendwie schade, da CHEPANG auf diese Art viel von ihrem bizarren Charakter verlieren.
Mehr ESCUELA GRIND statt NAKED CITY: CHEPANG werfen auf „Jhyappa“ viel von ihrem sympathischen Wahnsinn über Bord.
Dass CHEPANG sich gerade bei einem Album wie „Jhyappa“, das konzeptionell auf dem Ritus der Selbstverbrennung basiert – in einem abstrakten Kontext, wohlgemerkt – eher klassischer Genrekost bedienen, statt musikalisch dies zu reflektieren, trägt den Beigeschmack einer verpassten Chance. CHEPANG stehen hier näher an zeitgenössischen Bands wie ESCUELA GRIND, was gerade diejenigen verprellen könnte, die an der Band in den vergangenen fünf Jahren ihre Freude hatten. Glücklicherweise hat sich ihr Songwriting in den letzten Jahren gefestigt, sodass die Stücke an sich durchaus knallen, selbst wenn das Besondere, das CHEPANG auszeichnete, kaum mehr zu vernehmen.
Bizarr ist immerhin der Aufbau von „Jhyappa“: Nach einem kurzen Intro mit nepalesischer Folklore starten CHEPANG mit dem Cover „Shakti“ von den nahezu in Vergessenheit geratenen Japanern FORCE – eine launige Grind-Crust-Nummer mit Dissonanzen und ohne Besonderheiten. „Gatichad“ mit seiner triolischen Heaviness funktioniert da viel besser und groovt beherzt, bevor klassischer Grind mit modernem Soundanstrich und stampfenden Outro. In der Folge wird es nur selten mitreißender: „Drivya Shakti“ könnte von PIG DESTROYER sein, das aufregendste an „Khel“ ist das Soundsample eines nepalesischen Comedians. Am besten funktioniert „Jhyappa“, wenn die Band messerscharf in Riffs in Rhythmen agiert – das ist immerhin in „Ek Hajar Jhut“ und „Spastata Ko Khoji Ma“ der Fall.
„Jhyappa“ zeigt im Grindcore-Brennglas, wie Integration mit dem Verlust von Kultur einhergeht: CHEPANG klingen nun fast typisch amerikanisch.
Dass die sympathischen CHEPANG mittlerweile wie eine recht unaufgeregte Grindcore-Band dieser Generation klingen lässt an die viel beschworene „gelungene Integration“ denken, die von rechtsgerichteten Politikern beschworen wird: CHEPANG fügen sich prima in das Genre ein, mit der Prämisse weniger von ihrer kulturellen Herkunft in die Musik fließen zu lassen. Konsequenterweise verlieren sie so ihre Besonderheit. Oder, konkreter: Statt Kulturen zu verbinden, wurde das Quintett größtenteils annektiert. Immerhin handwerklich passt hier alles, von der sauberen Performance und den abwechslungsreichen Vocals, hin zum typisch voluminösen Kevin Berstein-Sound, der „Jhyappa“ außerdem deutlich vom Dissonanzwerk „Swatta“ abhebt. Allein, das reicht nicht aus, um hier für Begeisterung zu sorgen. Schade, diese 17 Minuten fragmentierten Grindcore mit Hardcore-Einschlag sind deutlich zu wenig, gemessen an dem, das CHEPANG in ihrer jungen Karriere bereits erreicht hatten.
Wertung: 5 von 9 Selbstverbrennungen beim Tischfeuerwerk
VÖ: 23. Mai 2025
Spielzeit: 17:36
Line-Up:
Bhotey Gore – Vocals
Wreckless Life – Noise
Gobinda Senchury – Drums
Dipesh Hirachan – Bass
Kshitiz Moktan – Guitars
Label: Relapse Records
CHEPANG „Jhyappa“ Tracklist:
1. Parichaya 2.0
2. Shakti (Force) (Video bei YouTube)
3. Gatichad (Visualizer bei YouTube)
4. Ek Hajar Jhut
5. Khel
6. Drivya Shakti
7. Spastata ko khoji ma
8. Nirnaya (Video bei YouTube)
9. Bidhai (Outro)
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