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GRIDLINK: Coronet Juniper

Eine Wohltat: GRIDLINKs erstes Album seit fast zehn Jahren fetzt, als wäre die Band niemals weg gewesen – „Coronet Juniper“ ist ein emotionsgeladenes und bittersüßes Grindcore-Juwel.

„‘Longhena’ is for anyone sick with melancholy, and those who wish to obliterate the world with music.“, hieß es 2014, als sich GRIDLINK mit ihrem dritten Album verabschiedeten. Und wie perfekt passte diese Beschreibung! In die Ruhmeshalle des modernen Grind gehören diese 21 Minuten unbedingt, gleich hinter der Blaupause „The Inalienable Dreamless“ von DISCORDANCE AXIS. Jon Chang wurde so gleich zweifach zur Grindcore-Legende, und jedes Mal war es der Schwanengesang. Wenn schon abtreten, dann in Perfektion, richtig? Doch „Longhena“ ist nicht „The Final Unit / The End Game“ – wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht? Dass GRIDLINK nun wieder etwas fürs Geschichtsbuch abliefern, hätte man sich nicht in den feuchtesten Träumen ausgemalt. „Coronet Juniper“ kennt keine Limits. Also: Anschnallen!

„Coronet Juniper“ vereint großes Songwriting mit großen Emotionen: In GRIDLINKs Variante des Grindcore finden diese Elemente ganz natürlich ihren Platz.

Dass „Coronet Juniper“ das Lebensgefühl des Verfassers trifft, kam unverhofft. Durch das Leben navigierend wie der Roboter auf dem Cover, mitten im Ionensturm, der verzweifelte Versuch das Leben zu leben. Immer einen Tag nach dem anderen auf Sicht fahrend zu meistern. Das ist sicherlich ein Grund, warum GRIDLINK so gut tun. Ein weiterer Grund: Hier werden wirkliche Songs geschrieben. „Coronet Juniper“ ist weit mehr als Lärm, aber das war nach „Longhena“ auch nicht anders zu erwarten. Dass die Stücke aber wirklich so kompakt und auf den Punkt komponiert sind, dass sie gleichermaßen komplex und zugänglich sind, voller überirdischer Wut und dennoch im Gehör bleiben, überrascht dann doch. „Longhena“ war sensationell, „Coronet Juniper“ ist besser.

Emotionalität der Musik und der Performance der Musiker sind es, die „Coronet Juniper“ auf die nächste Stufe heben. Takafumi Matsubaras Riffs verströmen eine Leidenschaft, die es in dem Genre ansonsten nicht gibt. Auch das Drumming klingt emotional, die Snareschläge (und derer gibt es viele), die Blast Beats, die groovige Art zu spielen sind passioniert, nicht steril herunter geholzt. Auch Jon Chang klingt, als würde er mit jedem seiner Atemzüge die Anspannung, die Wut, den Schmerz heraus schreien. In Sachen emotionaler Darbietung sind GRIDLINK näher am Screamo als an Grindcore, technisch und instrumental heben sie aber das Genre auf die nächste Stufe.

Emotionsgeladen und spielerisch auf höchstem Niveau: Auf „Coronet Juniper“ vereinen GRIDLINK das, was nur die ganz Großen können.

Das wird an den einzelnen Songs deutlich. Es gibt klassische Stücke wie den Titelsong, „Anhalter Bahnhof“, „Nickel Grass Mosaic“, „Octave Serpent“ und „Zygomatic“, bei denen in etwas mehr als einer Minute alles gesagt, die mit cleveren, vertrackten Riffs und aberwitzigen Tempowechseln alles an Wut und Kraft herausblasen, was möglich ist. Daneben stehen mit „Silk Ash Cascade“, „Pitch Black Resolve“, „Nickel Grass Mosaic“ und dem abschließenden, recht komplexen „Revenant Orchard“ diese großen Kompositionen mit ihrer unwahrscheinlich melodiösen Gitarrenarbeit, die ein ums andere Mal einen Schauer über den Rücken jagen. Dass mit „Ocean Vertigo“ ein Song auf dem Album zu finden ist, der nicht nur den Atem raubt, sondern dessen Melancholie im besten Fall Tränen in die Augen treiben kann, auch nach dem zehnten Hören.

Nach Takafumi Matsubaras Lähmung der linken Hand, seiner langsamen Genesung und dem intensiven Soloalbum „Strange, Beautiful And Fast“ ist er als Gitarrist und Songwriter absolut kompromisslos. All die Gefühle der letzten zehn Jahren fließen hier über die Musik heraus. Es ist somit nur logisch, dass die Songs einzeln nur teilweise funktionieren. So richtig macht „Coronet Juniper“ nur als Ganzes Sinn. GRIDLINK denken groß, indem sie das Gesamtwerk wichtig erachten und über die einzelnen Songs stellen. Auch in dieser Hinsicht sind die 19 Minuten sehr komprimiert. Und doch bewahrt sich die Formation ihren Humor: Wie üblich hat die digitale Version des Albums Karaoke-Versionen dabei. Viel Spaß beim Mitsingen. Dass der scharfe, wuchtige Sound von Kevin Antreassian auch sehr verdichtet und sauber ist, funktioniert nur deshalb, weil es so gut zum künstlerischen Gesamtbild passt. Ein rohes, verwaschenes Klangbild passt nicht zu dieser Musik.

GRIDLINK meistern die Königsdisziplin: „Coronet Juniper“ toppt den legendären Vorgänger „Longhena“ und hebt das Niveau im Tech-Grind-Genre.

Dass sich Jon Chang trotz NO ONE KNOWS WHAT THE DEAD THINK und Takafumi Matsubara trotz seines Soloprojekts und dem starken „Strange, Beautiful And Fast“ wieder mit Drummer Brian Farjado und dem neuen Bassisten Mauro Cordoba zusammengefunden haben, ist eine glückliche Fügung. Nach „Longhena“ hätten sie es einfach sein lassen können und niemand wäre ihnen böse gewesen. Es ist die Königsdisziplin, wenn sich eine Band, die sich mit einem nahezu perfekten Album verabschiedet, mit einem Paukenschlag wieder zusammenfindet – das ist in den meistens Fällen zum Scheitern verurteilt. Und GRIDLINK? Die setzen dort an, wo sie aufgehört haben und heben ihr bisheriges Schaffen auf eine neue Stufe. Mit dem bittersüßen „Coronet Juniper“ zeigen GRINDLINK, dass sie das Genre meistern und weiterhin erneuern. Hier treffen exzellente Instrumentalarbeit und punktgenaues Songwriting auf ein kluges Konzept. Epik ist in weniger als 20 Minuten definitiv möglich – Erlösung auch.

Wertung: 10 von 11 Ionenstürme

Spielzeit: 19:23

Line-Up:
Jon Chang – Vocals
Takafumi Matsubara – Guitars
Bryan Fajardo – Drums
Mauro Cordoba – Bass

Label: Willowtip Records

GRIDLINK „Coronet Juniper“ Tracklist:

1. Silk Ash Cascade (Official Audio bei Youtube)
2. Anhalter Bahnhof
3. Pitch Black Resolver
4. Nickel Gras Mosaic
5. Ocean Vertigo
6. Octave Serpent
7. Coronet Juniper (Official Audio bei Youtube)
8. Zygomatic
9. Refrain
10. The Forger’s Secade
11. Revenant Orchard

Mehr im Netz:

https://gridlink.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/GridLink512

 

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