Es bricht aus BLUT AUS NORD heraus, eine gewaltige Explosion nach einem sanften Antäuschen von Harmonien. „Shadows Breathe First“ startet mit subtil dissonanten Tremologitarren und hämmernden Blast Beats, und doch ist da sofort eine Eleganz und Erhabenheit zu spüren, die von großer Verbundenheit mit dem großen Ganzen zeugt. Das Alleinsein, das uns All-eins sein lässt, statt an einer Vereinsamung zu leiden. BLUT AUS NORD schöpfen aus dem Vollen, aus dem Kosmos, aus dem Sichtbaren, dem Fühlbaren und dem, was das Gegenteil davon ist. „Ethereal Horizons“, das sechzehnte Album der französischen Black Metal-Band, speist sich aus vielem, das die Band bisher auszeichnete, und zeigt Vindsval so berührbar wie selten zuvor.
„Ethereal Horizons“ ist eine Abkehr von der Dissonanz der Lovecraft-Phase: BLUT AUS NORD zeigen sich wieder voll und ganz kosmisch.
BLUT AUS NORD halten es naturgemäß spannend, selten klangen zwei aufeinanderfolgende Alben der Band gleich, selbst die einzelnen Teile „777“-Trilogie flossen vom dissonanten Black Metal hin in Richtung Ambient Industrial. Dass mit „Disharmonium – Undreamable Abysses“, „Disharmonium – Nahab“ und den „Lovecraftian Echoes“ eine so lange Spanne der Hingabe an Dissonanz den Bandsound dominierte, sorgt vielleicht dafür, dass sich BLUT AUS NORD nun so vehement wieder freischwimmen. Der erste Eindruck täuscht dabei: Sie sortieren sich weder in „Memoria Vetusta II: Dialogue With The Stars“ noch „Hallucinogen“ ein, sondern stehen mit beiden Beinen ebenso fest auf dem Boden, während sie sich mit den Armen dem Nachthimmel entgegenstrecken. Der Sound ist knarziger und roher, wie bei „Memoria Vetusta III: Saturnian Poetry“, in den Details liegen dabei viele ätherisch-atmosphärische Momente.
„Ethereal Horizons“ passt exzellent zur magischen Zeit des Winterhimmels. Wenn die Gestirne so zahlreich am extragroßen Himmel stehen und man das Gefühl hat, von der kalten Schönheit eingesaugt zu werden. „The Fall Opens The Sky“ ist mit seiner Leidenschaft und seiner Energie das große Highlight in dieser knappen Stunde Musik. Ein gewaltiges, intensives Epos von strahlender Schönheit durch Chöre, unfassbar schöne Riffs und einen rasanten Furor, der dem Stück Ganzheitlichkeit verleiht. „The Fall Opens The Sky“ raubt den Atem, mit seinen Spannungsaufbauten, mit seinem Fluss und seinem großen Finale. In dieselbe emotionale Kerbe schlägt das abschließende „The End Becomes Grace“, das nochmal alles auffährt, was „Ethereal Horizons“ auszeichnet: Euphorie, Innehalten, Eruption und Harmonie.
Das Grundgerüst mag zugänglich sein, doch BLUT AUS NORD verstecken in „Ethereal Horizons“ zahllose Facetten und Details.
Es darf bei all den großen bombastischen Highlights nicht übersehen werden, dass „Ethereal Horizons“ auch eine sehr sanfte Seite hat: Diese zeigt sich sogleich zu Beginn beim Intro von „Shadows Breathe First“, sowie im zweiminütigen Synth-Stück „Twin Suns Reverie“. Und auch zwischendurch holen BLUT AUS NORD immer wieder Luft für den nächsten Ausbruch in diesen wunderbar harmonisch-kosmischen Momenten. Auch die metallische Seite von „Ethereal Horizons“ erzielt gerade in den getragenen Momenten hypnotische Qualitäten, sei es in dem krautigen Brainmelt-Mittelteil von „Seclusion“, im repetitiven „The Ordeal“ oder in „Whats Burns Now Listens“, das sich mit einem coolen Black ‘n‘ Roll-Finale ins Gehirn schraubt.
BLUT AUS NORD wagen parallel von Anfang an aus der Abstraktion heraus: Vindsvals Vocals sind direkter als in den letzten Jahren und nicht so stark unter die Instrumente gemischt. Die Black Metal-Vocals waren zuletzt auf „Memoria Vetusta III: Saturnian Poetry“ derart aggressiv, der Cleangesang noch nie so zugänglich und erzeugte schon gar nicht solch große Harmonien. Dass die Stücke an sich recht klar strukturiert sind und vor allem durch die zahlreichen Details an Komplexität gewinnen, zeigt, dass Vindsval genau weiß, was er tut. Er komponiert seine Songs so, dass sofort eine Verbundenheit entsteht, aber mit jedem Hören mehr und mehr Schichten freigelegt werden.
„Ethereal Horizons“ beinhaltet alles, was man von einem BLUT AUS NORD-Album erhoffen darf, ist Entdeckungsreise und Meditation zugleich.
Ein Novum ist außerdem die narrative Struktur, die BLUT AUS NORD in dieser Form höchstens auf „Memoria Vetusta II: Dialogue With The Stars“ boten. „Ethereal Horizons“ nimmt die Rezipienten buchstäblich mit auf eine Reise durch die nächtlichen Gestirne. Das Album ist Entdeckungsreise und Meditation zugleich, es liefert ekstatische Momente ebenso wie Gelegenheiten, innezuhalten und erzählt dabei Geschichten abseits überambitionierter Konzepte. BLUT AUS NORD schaffen das Kunststück, mit diesen sieben Stücken einen Raum zu kreieren, in dem sich die Hörenden fallen lassen und herausziehen können, was sie gerade benötigen, jeweils mit der Gewissheit, dass wir in der einschüchternd großen, unendlichen Weite da draußen kleiner als Sandkörner sind – jedoch mit der Fähigkeit zu transzendieren.
Wertung: 10 von 10 Supernovae
VÖ: 28. November 2025
Spielzeit: 51:46
Line-Up:
BLUT AUS NORD
Label: Debemur Morti Productions
BLUT AUS NORD „Ethereal Horizons“ Tracklist
1. Shadows Breathe First (Official Video bei Youtube)
2. Seclusion
3. The Ordeal (Official Video bei Youtube)
4. The Fall Opens The Sky
5. What Burns Now Listens
6. Twin Suns Reverie
7. The End Becomes Grace
BLUT AUS NORD „Ethereal Horizons“ Full Album Stream bei Youtube
Mehr im Netz:
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