Metaller im Urlaub

Urlaubszeit = Reisezeit… auch für Metaller?! Ein Gast-Artikel von Till Burgwächter (Juhr Gait Tu Hewi Mettäl).


Ein Gast-Artikel von Till Burgwächter, dem Autor des Buches Juhr Gait Tu Hewi Mettäl, der Metal Satire in Buchform.

Okay, gehen wir die Sache zur Abwechslung mal logisch an. Welchen Grund kann es dafür geben, dass Menschen in schöner Regelmäßigkeit in den Urlaub fahren? Stress im Alltag, respektive Job, Stress mit den Nachbarn oder die pure Neugierde auf eine neue Kultur, sind die Argumente, die sich bei mir spontan aus dem Nebel schälen. Wunderbar, ein Rätsel gelöst. Doch kommen wir zu der eigentlich Fragegestellung, die sich in der Überschrift schon andeutet. Warum fährt ein Metal-Fan in den Urlaub? Stress im Job kommt nicht in Frage, es sei denn, die Schlange vor dem Arbeits- oder Sozialamt ist jede Woche so lang, dass die Batterien des Diskman schon auf halber Strecke versagen. Stress im Alltag ist auch eher unwahrscheinlich, schließlich verwandelt der zeitig zu sich genommene, schaumig-sämige Gerstensaft auch den streng dreinblickenden Gerichtsvollzieher vor der eigenen Haustür in eine lustige Clownsfigur, der man kichernd an der Nase herumdrückt, bevor man dann den Rottweiler loslässt. Bleiben also die beiden letztgenannten Punkte übrig. Interesse an einer neuen Kultur. Hmm, na ja. Es mag einen kleinen Prozentsatz von MOSHusochsen und -kälbern geben, der das so sieht. Diese Damen und Herren zieht es wahrscheinlich vornehmlich nach Eng- Schott- oder Irland, wo sie zwischen alten Ruinen herumkraxeln, immer in der Hoffnung, Chris Boltendahl oder Luca Turilli bei einem Fotoshooting zu erwischen. Vielleicht kreuzt der Schwertfischfetischist hier und da auch den legendären Whiskey-Trail, schließlich ist „historische Pferdeschuppen gucken“ auf die Dauer ermüdend.

Wer nicht auf Epic Bombast dafür aber auf anderen Metal steht, verreist wohl nur, wenn die Nachbarn aufgrund der permanenten Lärmbelästigung mal wieder mit Erstürmung der Bangerbude drohen. Doch wohin, Metallus Neckermannus? Nichts leichter als das, schließlich handelt es sich bei Metallern um urkonservative Menschen, bei denen man schon an der bevorzugten Stilrichtung erkennen kann, wo die Reise hingeht. Plüschrocker zieht es ins Eurodisneyland (lecker schmecker Zuckerwatte), Schwarzwurzelschäler reisen nach Norwegen (natürlich alleine), Todesbleitouristen juckeln nach Schweden, Sleazer suchen in LA nach was zum Spritzen und Thrashfreaks zieht es in die Bay Area. Vielleicht latscht einem ja doch der Hammet Kirk über den Weg, den man fotografieren und/oder auslachen kann. Es gibt unbestätigte Augenzeugenberichte, die uns weiß machen wollen, dass es auch am Ballermann den einen oder anderen Zottelträger gibt. Dank Onkel Tom nicht mehr völlig unmöglich. Lesson not well learned, meine Damen und Herren. Manowar-Shirt, Schwimmflügel, knallrote Hackfresse inklusive zu spät eingeschmiertem Riechkolben und Badelatschen sind weder true noch evil. Vielmehr wirkt diese Zusammenstellung so, als würde die Zwei-Zentner-Bäckersfrau von schräg gegenüber im Bikini einen Wagen beim Karneval in Rio entern. Die Nacht der schlackernden Euter. Na super.

Auch machen sich Killernieten auf der Badehose denkbar schlecht, zumal sie das unter vielen Mühen erworbene Seepferdchenzeichen überdecken, auf das der Träger doch mit Recht so stolz ist. Ob Norwegen oder Costa del Sol, das Gepäck, beziehungsweise dessen Umfang, ist wieder bei allen gleich. Für einen zweiwöchigen Trip besteht es aus einem riesigen Koffer und einer Plastiktüte In der Tüte sind die Zahnbürste, zwei Unterhosen, ein sabberlätzchengroßes Handtuch und ein Paar Ersatzsocken verstaut. Bei den vampiresken Ladys findet sich hier zudem noch ein Kajalstift, der schöne schwarze Ränder macht. Damit will die Metallerin klarstellen, dass sie sich deutlich von den in Schlagweite bratenden Friseusen unterscheidet. Auf der anderen Seite hat aber gerade diese unter Garantie noch ein kleines Handbuch dabei, das mit einem Titel wie „Die schönsten Boutiquen Portugals“ oder „Shoppen im Westjordanland“ deutlich macht, was Männer schon immer ahnten: Frau bleibt Frau.

Zurück zum Gepäck. Der schon erwähnte Koffer enthält natürlich die auseinandergebaute Stereoanlage samt High-End-Killer-Membrane und eine Auswahl an überlebenswichtigen CD´s. Die Selektion dieser wirklich unverzichtbaren Alben kann mitunter Tage dauern. Das ist so, als würde man einem Porschebesitzer sagen: „Schraub mal die zehn wichtigsten Teile von deinem Schwanzersatz ab, der Rest bleibt hier.“ Kein schöner, aber doch ein notwendiger Akt, will man für seine CD-Sammlung nicht ein eigenes Zimmer mieten. Die Sicherstellung der musikalischen Grundversorgung ist oberster Metallerpflicht, denn wer hofft, dass marokkanische Radiosender vielleicht doch mal was von Maiden spielen, kann unter Umständen böse enttäuscht werden. Und auch ein romantischer Sonnenuntergang in der Bretagne ist nur halb so schön, wenn im Hintergrund nicht ‚Hell Awaits’ aus der Brüllbox brezelt. Und so erwirbt sich der Revoluzzer auf Urlaub binnen weniger Tage den angemessenen Ruf im Hotel, in der Pension, auf dem Campingplatz oder im nord-norwegischen Wald, während sich die Vollzeitnachbarn zu Hause hektisch den Sekundenkleber aus den Gehörgängen pulen. Zwei Wochen können nämlich verdammt kurz sein.

Till Burgwächter im Netz: www.adam-und-till.de.

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