ICED EARTH: Gettysburg 1863

Eine andere Art der Auseinandersetzung mit einer Band, der man sehr differenziert gegenüber stehen kann.

ICED EARTH haben sich in der nahen Vergangenheit nicht überall beliebt gemacht und abgesehen von diversen umstrittenen Aussagen eines Jon Schaffers, gingen auch musikalisch die Meinungen weit auseinander. Eines der zentralen Themen beim aktuellen Album: ist der 32-Minüter Gettysburg nun ein geniales Meisterwerk, das Metal-Geschichte geschrieben hat, oder einfach nur ein aufgepumpter Blender.

Ich persönlich habe bislang immer zur zweiten Fraktion gezählt und finde auch nach wie vor, dass der Song reichlich überbewertet wird. Umso gespannter war ich, ob diese DVD-Veröffentlichung neue Erkenntnisse bringt und tatsächlich ist mir das Stück inzwischen näher, als es davor der Fall war.

Gettysburg ist keine gewöhnliche DVD-Veröffentlichung und sollte auch nicht als solche gewertet werden. So steht in meinen Augen beim Titelstück auch weniger der visuelle Aspekt im Vordergrund, sondern mehr das musikalische Erlebnis im 5.1 Surround-Sound. Und den kann man hier gleich auf zwei Arten genießen – einmal in der ursprünglichen Album-, dann aber auch in der Orchester-Version. Wer sich die DVD rein allein aus diesem Grund zulegen möchte, der wird eventuell enttäuscht werden. Denn derart spektakulär ist weder das Surround-Erlebnis ausgefallen, noch die Orchester-Version des Songs. Ein wirklich neuartiges Hörerlebnis entsteht durch den 5.1-Mix nicht, die Surround-Effekte kommen hauptsächlich bei den hörspielartigen Geräuschkulissen zum Einsatz und da sind sie auch gut aufgehoben. Rein aus musikalischen Gesichtspunkten heraus werden keine großartigen Aha-Erlebnisse geschaffen. Ähnlich sieht es mit der Orchester-Version aus, bei der hauptsächlich die – der Name kündigt es schon an – Orchesterteile mehr in den Vordergrund gemischt sind. Eine nette Angelegenheit, aber nicht wirklich bedeutend.

Optisch ist das Stück mit einer Art Video-Collage unterlegt, bei der Landkartenausschnitte, Bilder der Protagonisten und verschiedene Spielfilmsequenzen ineinandergeblendet und mit einigen eher einfachen Computereffekten ausgestattet wurden. Sehr schön: die Möglichkeit, die Songtexte ein- bzw. auszublenden.

Wenngleich also alles nicht wirklich das große Ding geworden ist, hat diese Art der Umsetzung ihren Charme. Denn der ganz große Vorteil besteht darin, dass man sich dem Stück auf eine ganz neue Art und Weise nähern kann. Saß man bislang immer mit Kopfhörern und den Songbook in der Hand im Wohnzimmer, kann man das Ganze so – wenn die Surround-Anlage richtig aufgedreht ist – noch ein Stück intensiver hören und durch die optische Untermalung auch erleben. Besonders schön wird die Sache dann noch, wenn man den Beamer dazu anwirft, wodurch man sich so richtig in den Song versinken kann – man hat also im Grunde gar keine Chance mehr sich irgendwie ablenken zu lassen. Für mich eine feine Sache.

Damit sich der Kauf dieser DVD auch auszahlt, hat man zusätzlich auch noch ein bisschen Bonus-Material dazugepackt und hierbei gefällt mir vor allem die Idee, den geschichtlichen Hintergrund etwas näher zu beleuchten. Dass die Ausführung auch hier wieder nicht ganz das hält, was man sich vielleicht dabei versprochen hat, steht wieder auf einem anderen Blatt. So dürfen wir also Teil einer Führung über das Schlachtfeld werden, bei dem ein quirliger alter Mann, der ansonsten vermutlich Schulklassen begleitet, anschaulich über die Ereignisse von 1863 erzählt und bei dem ein Jon Schafffer eher verkrampft als Statist fungiert, der ab und an mahnend den Zeigefinger hebt und ein paar Worte wie denkt mal genau drüber nach brabbelt. Dennoch: kurzweilige Unterhaltung.

Von vielen werden die beiden Videoclips zu When the Eagle Cries und The Reckoning vermutlich am verzichtbarsten sein – auf jeden Fall war diese DVD aber eine gute Gelegenheit, den Fans die Tracks in DVD-Qualität mitzugeben.

Ja, und dann kommt das einstündige Interview mit Jon Schaffer – erneut etwas steif und gekünstelt, aber dennoch interessant. Mir persönlich zeigt gerade dieser Teil der DVD wieder einmal deutlich, welch gemischte Gefühle der Name ICED EARTH in mir inzwischen auslöst – und dabei handelt es sich hier um eine meiner ehemaligen Lieblingsbands. Auf der einen Seite imponiert mir Jons Geradlinigkeit und auch Ernsthaftigkeit und seine Ausstrahlung ist ungebrochen. Auf der anderen Seite stört mich aber wieder seine Starrhalsigkeit. So könnte man ihm bei vielen seiner Aussagen sicher Arroganz vorwerfen, doch ich denke das ist es nicht.

In meinen Augen hat sich Jon dennoch zu sehr auf seine Sicht der Welt versteift und scheint dadurch vollkommen unbeweglich in seiner Denkweise. Seine Sicht ist in meinen Augen dabei nicht schlecht – sie als falsch zu beurteilen steht mir eh nicht zu. Aber die Art und Weise wie er sie vertritt wirkt auf mich zu verbissen und das widerspricht für mich dem, was ICED EARTH früher mit ihrer Musik zum Ausdruck brachten.

Auch wenn Gettysburg 1863 in mir also keine Hochgefühle erzeugt, finde ich das Ganze doch irgendwie gelungen und vor allem interessant. Eine andere Art der Auseinandersetzung mit einer Band, der man sehr unterschiedlich gegenüber stehen kann.

Veröffentlichungstermin: 06.06.05

Line-Up:
Richard Christy – drums

Jon Schaffer – guitars

James MacDonough – bass

Tim Owens – vocals

Produziert von Mark Briody
Label: SPV

Hompage: http://www.icedearth.com

Tracklist:
DVD 1:

1. Gettysburg (1863)

2. Battlefield Tour of Gettysburg

3. Gettysburg Photo Gallery

4. Spirit of ´76 Interview

5. Gettysburg Teaser Trailer

DVD 2:

1. When the Eagle Cries

2. The Reckoning

3. An Interview with Jon Schaffer

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