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NAPALM DEATH, SUCKING LEECH und FAREWELL TO ARMS am 29. März 2012 im Bogaloo, Pfarrkirchen

Die wichtigste Grindcore-Band der Welt ist nach wie vor unermüdlich auf ihrer Mission unterwegs. Wir waren im tiefen Niederbayern vor Ort.

Mein letzter Besuch in Pfarrkirchen fand vor nicht ganz acht Jahren statt, als dort VOMITORY mit GOREROTTED auf der bäuerlich dekorierten Bühne eines Laientheaters vor einer Horde Lederkutten tragender Heavy Metal-Fans alles gaben. Dass ich den heutigen Abend als schrullig erwarte, liegt wohl an dieser wunderbaren Erinnerung. Kein Zweifel, hier geht es sympathischer zu als in der Großstadt. Und tatsächlich, als ich keine zehn Meter vor dem netten Club Bogaloo an der Ampel stehe, fährt in Schrittgeschwindigkeit ein Polizeiauto mit Blaulicht vorbei, dahinter der Volksfesttrachtenumzug. Keine zehn Meter weiter in dem alten Gebäude, das einst als (Porno-?)Kino diente, entspannen sich NAPALM DEATH vor ihrem Auftritt.

 FAREWELL
Bemüht, spielerisch ordentlich, aber leider nur durchschnittlich: FAREWELL TO ARMS

Sie haben noch etwas Zeit, ihre alten Knochen zu entspannen, denn an diesem Abend agieren zwei Vorbands im Bogaloo. Zunächst sind die Landsberger FAREWELL TO ARMS an der Reihe und wirken dabei äußerst deplatziert. Dabei sind die ersten Riffs der Metalcore-Band gar nicht mal übel, flott und AT THE GATES-nacheifernd geben FAREWELL TO ARMS alles und lassen sich nicht davon beeindrucken, dass die fünf Meter vor der Bühne leergefegt sind und sich nur ganz langsam das Publikum nähert. Beim ersten Breakdown, der nebenbei bemerkt in diesem Soundbrei seine Wirkung verliert, finden sich die vier Musiker schließlich im Genredurchschnitt wieder, auch trotz ihrer überraschenden instrumentalen Qualitäten. Was bleibt, ist eine bemühte Performance, ein Publikum, das nicht auf die Band eingeht und ein Captain Chaos, der nach draußen flüchtet, auf der Suche nach seinem Gehörschutz. Danach passiert auch nichts Erwähnenswertes mehr. Schade.

 

 SUCKING
Heimspiel und CD-Release Partin einem: SUCKING LEECH haben gute Laune.

Die Zurückhaltung des Publikums ist im Anschluss wie weggeblasen. SUCKING LEECH haben als lokale Helden nicht nur ihre Fanbasis im Bogaloo versammelt, nebenbei veröffentlichen sie in diesem Rahmen ihr neues Album, das Erste seit 2002. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen, im Pit bewegt sich Einiges, die ganz große Action bleibt jedoch noch aus, da Kräfte für den Headliner gespart werden. Der Sound bessert sich, die groovige, manchmal auch recht schnelle Mischung aus Grindcore und Rock and Roll macht Spaß, ist ein wenig roh und stumpf, aber auf unverkrampfte Art und Weise eigenständig. Dabei wird nicht gerumpelt, sondern anständig die Instrumente bedient. Es geht in die Schlacht mit dem Material von Life Sucks Like A Leech, ich bekomme allerdings wegen dem Interview mit Barney allerdings nur den Anfang und das Ende des gut vierzigminütigen Sets mit. Immerhin, Sänger Steff mit seiner brutalen Stimme und Gitarrist Hanson, der nebenbei auch für ein paar heisere Schreie sorgt, haben ihr Publikum logischerweise auch ohne mich gut im Griff, sie dominieren mit guter Laune und Schmäh das Set, während sich der Rest von SUCKING LEECH leider etwas zu sehr in Zurückhaltung übt. Hier kann man noch was machen, technisch und songschreiberisch ist das, was ich mitbekomme voll und ganz in Ordnung.

 

 NAPALM
Etwas verlebt aussehend, aber gnadenlos grindend: NAPALM DEATH-Gitarrist Mitch Harris.

Wenn es eine Band gibt, die es verdient, dass man auf sie aufblickt, auf ihre soziale und musikalische Leistung in den letzten dreißig (!) Jahren, dann ist es NAPALM DEATH. Zuletzt sah ich das gute Gewissen einer ganzen, weltweiten Szene, von dem man mit Fug und Recht behaupten kann, Legenden zu sein im Jahr 2003 live. Warum das so ist, weiß ich einfach nicht. Ständig in der Gegend, auf allen möglichen Festivals unterwegs und doch nie zusammen getroffen. Vielleicht habe ich mir auch immer gedacht: In fünf Jahren locker 15 Mal gesehen, nächstes Mal gehe ich bestimmt wieder hin. Immerhin, heute ist es so weit. Utilitarian ist auch ein Biest von einem Album, das es live nicht zu verpassen gilt. Und auch wenn Mitch Harris etwas verlebt aussieht, so wie Sean Penn in Cheyenne, nur ohne Schminke, in etwa, ist das Vertrauen da, dass gnadenlos in den Arsch getreten wird. Auch Shane Embury und Danny Herrera scheinen die Reisen der letzten Wochen etwas zugesetzt zu haben, der Sand ist jedoch bald aus den Augen gerieben und es wird Vollgas gegeben. Glücklicherweise ist Frontmann Barney agil und fit wie eh und je, springt auf der Bühne herum, als wäre er in den Zwanzigern und nicht schon in den Vierzigern. Garniert mit einer Prise britischem Humor und dem typischen sympathischen Auftreten, kann gar nichts mehr schief gehen. Denn auch wenn Teile der Band nicht gerade zur Bewegung neigen, spielerisch ist das alles optimal.

 

 NAPALM
Szene-Schwergewicht am Bass: Shane Embury

Die Setlist sorgt für gute fünfundsiebzig Minuten Kopfschmerzen. Der Großteil des Abends stammt von Utilitarian, mit Errors In The Signals und Everyday Pox geht es in die Vollen, danach folgt ein Abstecher zu Enemy Of The Music Business. Ab diesem Zeitpunkt wechseln sich neue Songs und Klassiker, die es teils nur selten zu hören gibt, ab. Next Of Kin To Chaos, Dementia Access, Unchallenged Hate und Breed To Breath stehen neben Evergreens wie Silence Is Deafening, When All Is Said And Done, Suffer The Children und Nazi Punks Fuck Off. Dazwischen geht es mit Quarantined, The Wolf I Feed und Analysis Paralysis immer wieder ins Heute. Dass nicht jedes Album von NAPALM DEATH beachtet werden kann, ist irgendwie klar, schade ist es dennoch, dass es von Order Of The Leech und Time Waits For No Slave nichts zu hören gibt.

Den Fans ist das freilich egal, der Mob tobt, auch wenn es nur ein relativ Moshpit ist, er ist umso gefärlicher und braucht viel Platz. Einige Stagediver landen äußerst unsanft, im Eifer des Gefechts hat sich so mancher bestimmt ein nettes, dunkel gefärbtes Andenken zugezogen. Als schließlich eine Klobürste (!) auf der Bühne landet, scheint es Barney ein wenig die Laune zu verderben, doch das gute Stück wird brav wieder auf die Toilette zurück getragen. Ekelhaft. Weiter geht es mit ein paar technischen Pannen bei Mitch und Shane, doch die Power bleibt erhalten, und bis zuletzt bei den ganzen alten Kamellen geben NAPALM DEATH bei ordentlichem Livesound Vollgas, auch dank der präzisen und energetischen Performance von Schlagzeuger Danny Herrera. Das tut unglaublich gut, das ist eine Energie, die immer noch da ist, immer noch spürbar ist und auch für die nächsten Tage bleiben wird. Erschöpft aber glücklich trete ich zusammen mit den gut zweihundertfünftzig anderen Gästen die Heimreise an. Und in diesen anderthalb Stunde schärfe ich mir den Vorsatz ein, NAPALM DEATH nie wieder so oft zu verpassen.

 NAPALM
 Ein Frontmann, der keine Müdigkeit kennt: Mark Barney Greenway.

Setlist NAPALM DEATH:
Circumspect
Errors In The Signals
Everyday Pox
Protection Racket
Silence Is Deafening
The Wolf I Feed
Can´t Play, Won´t Pay
Fatalist
Practice What You Preach
Quarantined
Next Of Kin To Chaos
Analysis Paralysis
Dead
Deceiver
Dementia Access
When All Is Said And Done
Unchallenged Hate
Nom De Guerre
Suffer The Children
Breed To Breathe
Nazi Punks Fuck Off
Scum
Human Garbage
You Suffer
Instinct Of Survival

Livebilder (c) Christoph Ziegltrum

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