„Fuck you, cancer!“ Die Botschaft während des Grußworts der Veranstalter ist unmissverständlich. Doch wird heute Abend nicht nur mit erhobenem Mittelfinger und markigen Worten gegen den Krebs gekämpft: Mit einer Tombola sowie einer Typisierungsaktion der DKMS lässt man im Freisinger Lindenkeller parallel Taten folgen. Eine starke Aktion, für die Mitorganisator Hartl vom „Rock It!“-Magazin nicht ganz zu Unrecht den Geist der vielzitierten „Metal Family“ beschwört.
Angereist ist selbige derweil auch für den eigentlichen Anlass des Abends: Im Vorfeld mehrfach verschoben, haben es MYSTIC PROPHECY endlich in den Freisinger Lindenkeller geschafft – eine wundervolle kleine Location am Rande der Innenstadt, welche genau die eben dargelegte Empfindung unterstreicht: Hier fühlen wir uns umgehend wie zu Hause und das nicht nur, weil wir in der charmanten Halle mit ihren markanten roten Säulen quasi aufgewachsen sind.
MAD MAX
Statt lokaler Helden bringen heute allerdings gestandene Veteranen Leben auf die Bühne. Im 41. Bandjahr angekommen gibt es wohl kaum eine Situation, die zumindest MAD MAX-Gitarrist und einziges verbleibendes Gründungsmitglied Jürgen Breforth noch nicht erlebt hat. Die Routine ist dem Musiker folglich schon beim Opener „Burning The Stage“ anzusehen, ohne dabei allerdings die Freude zu kurz kommen zu lassen: Hinter Baseball-Cap und Sonnenbrille stiehlt sich doch immer wieder ein kleines Lächeln auf die Lippen Breforths, selbst wenn das Freisinger Publikum die Gelenke in den Auftaktminuten erst noch ölen muss.
Hilfe bekommt es dabei direkt von den Brettern, wo Sänger Julian Rolinger nicht nur mit Eifer die Zuschauerschaft mitzunehmen sucht, sondern zwischen den Stücken stets ein paar anerkennende Worte findet. Das weiß man im Lindenkeller durchaus zu schätzen, weshalb zur aktuellen Single “Days of Passion” alsbald nicht nur Rolingers blonde Haarpracht, sondern auch die ersten Fäuste durch die Luft wirbeln. Die dezente Zurückhaltung in einigen Ecken der Halle ist derweil nicht mit fehlender Begeisterung zu verwechseln, wie der lautstarke Beifall im Anschluss belegt.
Bei MAD MAX stimmt heute Abend das Gesamtpaket
Tatsächlich holen MAD MAX die Anwesenden durch ihre saubere und durchaus aufgeweckte Darbietung mit jeder Minute ein Stück mehr auf ihre Seite. Während Lead-Gitarrist Dethy Borchardt zwischen den Soli auch mal hinter der rotfarbenen Säule mit dem Publikum Verstecken spielt, sorgt Kollege Rolinger für die nötige Dosis Theatralik: Mit weit aufgeknöpftem Hemd wird schon mal der Mikroständer für die passende Pose um 180 Grad gedreht.
Dank eingängigen Materials à la „Ladies And Gentlemen“ oder „Heroes Die Lonely“ mit seinen MAIDEN-Anleihen passt also heute Abend das Gesamtpaket, an dessen Ende mit der Zugabe „Night of Passion“ vom gleichnamigen 1987er Album ein echter Kultklassiker steht. Die ideale Gelegenheit also, um nochmal ein Ausrufezeichen zu setzen: Obwohl Julian Rolinger letztlich kaum eine Hand in den vorderen Reihen ungeschüttelt lässt, sind es doch die letzten Töne, die ins Mark treffen: Mit glasklarem Falsett bringt der Sänger die Show nach Hause und lässt uns verblüfft zurück. Davon hätten wir tatsächlich gerne mehr gehört, müssen aber auch vor dieser Entscheidung den Hut ziehen: MAD MAX wissen offenbar, wie man am Ende des Tages in Erinnerung bleibt.
MAD MAX Setlist – ca. 50 Min.
1. Burning The Stage
2. Starcrossed Lovers
3. Rolling Thunder
4. Days Of Passion
5. Heroes Die Lonely
6. Ladies And Gentlemen
7. Fly, Fly Away
8. Fallen From Grace
9. Too Hot To Handle
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10. Night Of Passion
Fotogalerie: MAD MAX
MYSTIC PROPHECY
Mit derlei Fragen müssen sich MYSTIC PROPHECY nur 15 Minuten später als Headliner freilich nicht herumschlagen. Als zum stampfenden „Metal Division“ die ersten Fäuste nach oben schießen und Gitarrist Markus Pohl (WARKINGS) passend dazu die Mähne kreisen lässt, besteht kein Zweifel mehr, weshalb man sich hier im Herzen Bayerns versammelt hat. Tatsächlich wirkt die Bühne des Lindenkellers so manches Mal zu klein für die unbändige Energie, welche das Quintett von der ersten Sekunde an befeuert. Dass Bassistin Joey in „Burning Out“ sogar fast mit ihrem Kollegen am Sechssaiter zusammenstößt, nimmt man dort bereitwillig als Berufsrisiko hin.
Immerhin haben MYSTIC PROPHECY eine Mission, welche allein schon dank des schmissigen wie kraftvollen Sets eigentlich gar nicht scheitern kann: Den Freisingern Feuer unterm Hintern zu machen gelingt im Folgenden fast schon zu gut, wie kurz darauf Frontmann R.D. Liapakis zu entnehmen ist: Dass der Sänger seinerseits gehörig ins Schwitzen kommt, schiebt er mit schelmischem Grinsen kurzerhand auf seine „Wechseljahre“, bevor die Band im Doppel „Killhammer“ und „War Panzer“ erstmals die lautstarke Schützenhilfe des Publikums einfordert.
MYSTIC PROPHECY zücken zwischendurch auch mal eine Cover-Version
So ganz schlecht scheint sich die gut gelaunte Meute dabei nicht angestellt zu haben, immerhin legt Liapakis im Anschluss sogar die charakteristische Pilotenbrille ab, um der Fanschar ungefiltert in die Augen blicken zu können. Zugegeben, der Schritt mag genauso gut den eher mauen Lichtverhältnissen während der ersten Dreiviertelstunde geschuldet sein – den Glanz bringt bis dahin nämlich vorwiegend Leadgitarrist Evan K mit, welcher im Titeltrack des aktuellen Albums „Hellriot“ (2023) für markante Spitzen sorgt und in „Hail To The King“ auch mal einen Gruß in Richtung IRON MAIDEN absetzt.
Nicht das einzige Mal im Übrigen, denn als R.D. Liapakis vorsichtig anfragt, ob man denn im Lindenkeller auch für einen Cover-Song zu haben sei, stimmt man im Hintergrund verschmitzt den Evergreen „Run To The Hills“ an. Ganz so offensichtlich möchten es MYSTIC PROPHECY allerdings nicht halten, weshalb man sich letzten Endes doch für Mike Oldfields „Shadow On The Wall“ entscheidet. Auch das kommt erwartungsgemäß gut an, zumal der sympathische, wenngleich etwas redselige Frontmann auch hier souverän den Ton angibt.
Am Ende schenken MYSTIC PROPHECY dem Lindenkeller sogar eine ungeplante Zugabe
Da sehen wir gerne über die teils etwas eigentümlichen Ansagen und Dad-Jokes hinweg, die uns im Verlaufe der anderthalb Stunden so manches Mal am Kopf kratzen lassen. Gut aufgenommen werden die Späße dennoch, obwohl manchmal selbst die Freisinger den Faden zu verlieren scheinen: Der Aufruf, zum stimmigen Abschluss „Ravenlord“ die Handylichter zu zücken, geht im Gespräch offenbar etwas unter und findet nur zögerlich Anklang. Vermutlich ist vielerorts aber einfach nur der Akku mittlerweile leergefilmt, denn die Zugaben „Metal Attack“ und „Metal Brigade“ feiert die Menge im Anschluss wieder mit so viel Begeisterung und Stimmgewalt, dass es doch noch einmal ungeplanten Nachschlag gibt.
Als Betthupferl servieren MYSTIC PROPHECY mit dem BLACK SABBATH-Klassiker „Paranoid“ eigentlich nur einen Cover-Song, der aber genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen scheint: Plötzlich formiert sich in den vorderen Reihen doch noch ein kleiner Moshpit, während Gitarrist Markus Pohl für das Finale ein letztes Mal hoch hinauswill und dafür die nahegelegene Lautsprecherbox erklimmt.
Die “Metal Family” ist zumindest am heutigen Abend kein Mythos
Den nachfolgenden und selbstredend hochverdienten Jubel holt sich die Band wohlwissend mit breitem Grinsen ab. Es mag aufgrund der Verschiebungen im Vorfeld etwas länger gedauert haben als geplant, die von „Rock It!“-Redakteur Hartl beschworene Metal Family im Freisinger Lindenkeller zu vereinen. Unter der engagierten Führung MYSTIC PROPHECYs und dank des spendablen Publikums gelingt am Ende jedoch auch diese Mission: Die Tombola zu Gunsten der DKMS sei ein voller Erfolg gewesen, heißt es im Nachgang und krönt damit auch das geheime Motto dieses kurzweiligen Konzertabends: „Fuck cancer but hail metal!“
MYSTIC PROPHECY Setlist – ca. 90 Min.
1. Metal Division
2. Burning Out
3. Hellriot
4. Killhammer
5. War Panzer
6. Unholy Hell
7. Hail To The King
8. We Kill! You Die!
9. Dracula
10. Demons Of The Night
11. Shadow On The Wall (MIKE OLDFIELD-Cover)
12. Here Comes The Winter
13. Eye To Eye
14. Ravenlord
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15. Metal Attack
16. Metal Brigade
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17. Paranoid (BLACK SABBATH-Cover)
Fotogalerie: MYSTIC PROPHECY
Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)