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KATAKLYSM, SOILWORK, WILDERUN: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 04.03.2023

Zum Finale des ersten Tour-Abschnitts laden KATAKLYSM und SOILWORK ins Münchner Backstage. Zwei erfahrene Live-Mächte und mit WILDERUN eine aufstrebende Prog-Metal-Band im Vorprogramm? Da können auch wir nicht widerstehen.

Durchforstet man dieser Tage die Sozialen Medien nach persönlichen Konzerterfahrungen, stößt man nicht selten auf solche, die nach wie vor mit dem derzeit beliebten Co-Headliner-Prinzip hadern. Die Vorteile für die Künstler:innen bzw. Veranstalter:innen liegen ja auf der Hand: Gemeinsam bündelt man eben gleich zwei Fanlager und minimiert so das Risiko, vor leeren Rängen zu spielen. Die Anhänger:innen jedoch scheinen über die kürzeren Spielzeiten ihrer Lieblingsacts nicht immer glücklich, insbesondere wenn die musikalische Schnittmenge der beiden Hauptattraktionen vergleichsweise gering ausfällt.

Vielleicht auch deshalb versuchen sich KATAKLYSM und SOILWORK für ihre gemeinsame Tour an einem Kompromiss: Zwar sind beide Bands dieser Tage tendenziell auf unterschiedlichen Baustellen unterwegs und haben mit WILDERUN darüber hinaus einen stilistisch anders gelagerten Support im Gepäck. Dafür aber verzichtete man schon im Vorfeld auf den ursprünglich geplanten Anheizer, um allen drei Bands der Tour längere Sets zu ermöglichen.

Ein Konzept, das uns schon auf dem Papier überzeugt, weshalb wir nicht lange überlegen müssen, bevor wir uns an einem überraschend kühlen Samstagabend ins Münchner Backstage wagen. Das dortige Werk ist zwar nicht ausverkauft, doch rund 1000 Besucher:innen haben sich dennoch angekündigt, um den Abschluss dieses ersten Tourabschnitts gemeinsam zu feiern.


WILDERUN

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Ein solches „Mid-Season-Finale“ braucht natürlich Spektakel und einen sich immer weiter zuspitzenden dramaturgischen Bogen. Daher sind wir zunächst sehr gespannt, wie der Auftakt mit WILDERUN um Punkt sieben denn vonstattengehen möge. Denn der teils folkig angehauchte Progressive Metal der US-Amerikaner verspricht bereits früh am Abend gehobene Kost.

Wir spitzen also gleich in zweifacher Hinsicht die Ohren, schließlich verlangen die überlangen Kompositionen genauso unsere Aufmerksamkeit wie der im Mix etwas leise geratene Gesang Evan Anderson Berrys. Das ist insofern schade, da der Gitarrist abseits der sporadischen Growls, die im Opener „The Tyranny Of Imagination“ noch am präsentesten scheinen, mit einer durchaus warmen und charismatischen Singstimme zu betören weiß.

WILDERUN liefern eine saubere Performance, finden aber nicht den Draht zum Publikum

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Dass uns das Material WILDERUNs hier und da an OPETH denken lässt, meinen wir durchaus als Kompliment, obgleich das die Rolle des Anheizers für die vier Musiker nicht unbedingt leichter macht. Denn für geradliniges, aufrüttelndes Songwriting sind die Schweden Prog-Meister nicht unbedingt bekannt. Und das merken wir leider auch im Backstage, wo das aufmerksam zuhörende Publikum zwar höflich Beifall spendet und in „Passenger“ gar mal vorsichtig mitklatscht, sich ansonsten jedoch kaum aus der Reserve locken lässt.

Mitunter mag das an der arg dunklen Lichtshow liegen, die den leichtfüßigen Arrangements visuell mehr entgegensteht als sie zu untermauern. Gleichzeitig aber scheint auch der musikalische Graben zwischen Band und Zuschauerschaft schlicht zu groß, um ihn in dieser Dreiviertelstunde zu überbrücken. Bedauerlich ist das nicht zuletzt, weil WILDERUN spieltechnisch eine absolut saubere Performance abliefern, die in einem kleineren Club und vor eigenem Publikum sicherlich eine emotionalere Reaktion hervorgerufen hätte.

WILDERUN Setlist – ca. 45 Minuten

1. The Tyranny Of Imagination
2. Identifier
3. Passenger
4. Far From Where Dreams Unfurl

Fotogalerie: WILDERUN


SOILWORK

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Mit solchen Problemchen müssen sich SOILWORK als erster der beiden Headliner natürlich nicht herumplagen. Quasi mit dem Intro des Titeltracks der aktuellen Platte „Övergivenheten“ (2022) geht ein Aufschrei durch den Saal, der allein von der Spielfreude der Saitenfraktion schnell in den Schatten gestellt wird. Insbesondere die beiden Gitarristen Sylvain Coudret und Tour-Verstärkung Simon Johansson posieren Fratzen schneidend, was das Zeug hält. So übertrieben die zur Schau gestellte Rockstar-Attitüde sein mag, so sympathisch wirkt sie im Fall der Schweden. Insbesondere, da Drummer Bastian Thusgaard hinter seinem Kit als Kontrast einfach nur ehrliche Spielfreude ausstrahlt.

Daher ist es fast ein wenig schade, dass im Backstage um zehn nach acht die Betriebstemperatur noch nicht ganz erreicht scheint. Obwohl die ersten Stücke und vor allem das wunderbare „This Momentary Bliss“ mit ohrenbetäubendem Applaus quittiert werden, ist ausgerechnet die stimmliche Unterstützung beim Evergreen „Stabbing The Drama“ noch ausbaufähig. Dafür wird schon früh munter mitgeklatscht oder auch mal leidenschaftlich die Faust erhoben – bis die Münchner:innen aufgetaut sind, dauert es aber ein paar Momente.

SOILWORK-Sänger Björn Strid tauscht das Krankenbett gegen die Bühne

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Das Eis bricht schließlich überraschenderweise mit brandaktuellem Material: „Is It In You Darkness“ sowie „Electric Again“ funktionieren live absolut hervorragend, was sich heute Abend anhand der Circlepits bestens belegen lässt. Die anfangs noch etwas leise abgemischte Rhythmusgitarre kommt mittlerweile auch besser durch, weshalb das einzige wirklich alte Stück „Bastard Chain“ umso bereitwilliger mit offenen Armen empfangen wird.

Allein Frontmann Björn Strid, der auf dieser Tour auf eine federbewehrte Weste schwört, wirkt beizeiten etwas reserviert und vorwiegend auf seine gesangliche Performance fixiert. Verdenken können wir es ihm allerdings nicht, lag der Sänger doch wenige Tage zuvor noch erkrankt im Bett. Daher müssen wir eigentlich sogar den Hut ziehen, denn Strid erlaubt sich stimmlich keinerlei Blöße und verzichtet anders als 2019 auf unterstützende Backing-Tracks, deren Rolle nun Bassist Rasmus Ehrnborn übernimmt.

Das Ende kommt leider etwas früh: SOILWORK hören tatsächlich auf, wenn es am schönsten ist

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Während sich also die Stimmung von Song zu Song weiter hochschraubt – Björn Strid findet bei „Harvest Spine“ sogar die Zeit einen ganz jungen Nachwuchsfan im Fotograben abzuklatschen -, steigen auch die gefühlten Temperaturen im Werk, wo der Pit bei „The Ride Majestic“ trotzdem nochmals alles gibt. Dass sich SOILWORK allerdings kurz darauf mit „Stålfågel“ bereits verabschieden, ist so verständlich wie bitter. Denn auch wenn wir die drei gestrichenen Songs der Tour-Setlist gerne gehört hätten, geht die eigene Gesundheit selbstverständlich vor. Nichtsdestotrotz: Angesichts der gerade am Siedepunkt angelangten Meute in der Arena kommt das Ende schlicht eine Viertelstunde zu früh.

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SOILWORK Setlist – ca. 60 Minuten

1. Övergivenheten
2. This Momentary Bliss
3. Stabbing The Drama
4. The Living Infinite I
5. Is It In Your Darkness
6. Electric Again
7. Bastard Chain
8. Valleys Of Gloam
9. The Nurturing Glance
10. Harvest Spine
11. The Ride Majestic
12. Nerve
13. Stålfågel

Fotogalerie: SOILWORK


KATAKLYSM

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Nicht einmal der 40-minütige Changeover kann nun die Feierlaune im Werk trüben, wo KATAKLYSM ganz offenbar sehnsüchtig erwartet werden. Dank gutem Sound und einer ungemein spielfreudig aufgelegten Band dauert es somit keine zwei Minuten, bis während des Openers „Push The Venom“ im Pit die Hölle losbricht. Und das ist keinesfalls übertrieben, denn ihrem Ruf als absolute Live-Macht werden die Kanadier schon während des ersten Drittels ihres rund 75-minütigen Sets gerecht.

Die Blasts in „Guillotine“ sitzen, bevor uns der bandtypische Groove in „Narcissist“ das erste Mal den Kopf abschraubt. Zwar hat das Quartett heute eine recht bunt gemischte Setlist im Gepäck, die mit „Underneath The Scars“ sowie „The Killshot“ auch zwei Tracks vom aktuellen Album „Unconquered“ (2020) berücksichtigt, in regelrechte Euphorie verfallen die Fans aber meist dann, wenn KATAKLYSM Klassiker wie „Where The Enemy Sleeps“ oder „In Shadows And Dust“ anstimmen.

KATAKLYSM holen für “As I Slither” das Publikum auf die Bühne

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Wobei es letztlich wahrscheinlich sogar egal wäre, welche Stücke die Mannen um Frontmann Maurizio Iacono heute zum Besten geben. Denn gefeiert wird im Arenabereich ohnehin ohne Rücksicht auf Verluste. Den Circlepit in „Outsider“ setzen die Fans in „Crippled & Broken“ bereitwillig fort, nachdem sie eben eine Wall of Death zwischengeschoben hatten, wohingegen der Strom an Crowdsurfern in „As I Slither“ gar nicht abreißen mag.

Aus gutem Grund, hat doch Shouter Iacono kurz zuvor die Münchner:innen zu sich auf die Bühne eingeladen: Es sei schließlich das Publikum aus der bayerischen Landeshauptstadt gewesen, welches den Song groß gemacht habe. Und so kommt es, dass dort oben plötzlich neben den vier Musikern rund acht bis neun weitere Metalheads Arm in Arm die Köpfe kreisen lassen. Es ist eine überraschende und zugleich ungemein sympathische Geste, welche Iacono mit der Ankündigung einer exklusiven Album-Release-Show krönt, nicht jedoch ohne zuvor der unermüdlich arbeitenden Security im Fotograben per Handschlag zu danken.

Noch bevor KATAKLYSM überhaupt am Ende angelangt sind, gibt es die ersten Zugabe-Rufe

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Die genauen Details stünden zwar noch aus, im August allerdings will man die Veröffentlichung der neuen Studioplatte mit zwei Konzerten feiern: neben Essen stehe auch München auf der Liste. So viel Fanservice und Publikumsnähe sorgt fraglos für Begeisterungsstürme, weshalb plötzlich erste Zugaberufe im Backstage zu vernehmen sind, obwohl KATAKLYSM mit ihrem Set noch gar nicht am Ende sind. Für das Finale haben sie sich mit „Blood In Heaven“ passenderweise ein wenig Epik aufgespart, dank der spätestens zu diesem Zeitpunkt klar sein dürfte, wer heute Abend als großer Sieger vom Platz schreitet.

Das soll die Leistung SOILWORKs unter den gegebenen Umständen keinesfalls schmälern, doch zumindest dem gesundheitsbedingt gekürzten Set Rechnung tragen. In Bezug auf das mancherorts gescholtene Co-Headliner-Prinzip zeigt uns das zwischenzeitliche Tour-Finale somit praktischerweise gleich beide Seiten der Medaille: Kann man einerseits auf den Partner zählen, sollte doch mal etwas Sand im Getriebe sein, so verblasst im Extremfall selbst eine gute Performance, wenn im Anschluss die Bude komplett dem Erdboden gleichgemacht wird. Für die Fans im Münchner Backstage endet der Abend jedenfalls schweißgebadet und mit einem Lächeln auf den Lippen – womöglich sogar, weil man gerade aller Umstände zum Trotz nicht nur einen, sondern gleich zwei erfahrene Haupt-Acts hintereinander erleben durfte.

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KATAKLYSM Setlist – ca. 75 Minuten

1. Push The Venom
2. Guillotine
3. Narcissist
4. Underneath The Scars
5. Where The Enemy Sleeps
6. Manipulator Of Souls
7. To Reign Again
8. The Killshot
9. Outsider
10. Crippled & Broken
11. At The Edge Of The World
12. As I Slither
13. In Shadows And Dust
14. The Black Sheep
15. Blood In Heaven

Fotogalerie: KATAKLYSM

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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