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INSOMNIUM, IN MOURNING, KVAEN: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 06.12.2023

In die tiefen Wälder Finnlands zwischen Schnee uns Eis entführen uns INSOMNIUM auf ihrem aktuellen Album “Anno 1696” (2023). Zumindest thematisch passt der Wintereinbruch im Süden Deutschlands somit perfekt zur Ankunft der Melodeath-Helden, die neben einer Handvoll Hits mit KVAEN sowie IN MOURNING auch ein starkes Vorprogramm im Schlepptau haben.

„And winter winds, they howl”, knurrt Bassist Niilo Sevänen im Titeltrack des aktuellen Studioalbums „Anno 1696“ (2023), als könne er die Zukunft vorhersagen. Denn noch immer zeigt sich die bayerische Landeshauptstadt vom gnadenlosen Kälteeinbruch gebeutelt, als INSOMNIUM an diesem Dezemberabend ins Münchner Backstage laden, um dort für wenigstens ein paar Stunden Zuflucht vor dem ungemütlichen Schneechaos zu gewähren.

Immerhin haben die S-Bahnen ihren Betrieb mittlerweile wieder aufgenommen, so dass auch die zeitige Anreise aus dem Umland kein allzu großes Hindernis werden soll. Ein Umstand, für den wir durchaus dankbar sind, immerhin haben die finnischen Melodeath-Könige mit KVAEN und IN MOURNING zwei passende und vor allen Dingen hochwertige Gäste geladen. Dass es werktags trotzdem erst um 20 Uhr losgehen soll, nehmen wir daher nur leicht zähneknirschend in Kauf: Anderweitig Abstriche machen wollen wir ob des Line-ups ja ohnehin nicht.


KVAEN

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Weshalb zeigen uns KVAEN um Punkt acht, als eine getragene Akustikgitarre das bereits gut gefüllte Backstage Werk aufhorchen lässt. Es ist ein wenig wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm, mit welcher die Schweden die Vorfreude schüren. Jedwedes Grinsen wischt uns die Band allerdings kurz darauf ziemlich gnadenlos aus dem Gesicht: Das rohe „Sulphur Fire“ steckt gemeinsam mit dem nachfolgenden „The Great Below“ den groben Rahmen für die kommenden 35 Minuten ab, wo es zwischen melodischem Black Metal auch die eine oder andere Thrash-Spitze um die Ohren gibt.

Wobei sich KVAEN innerhalb dieser Breitengrade alles andere als eindimensional zeigen: So drosselt das packende „In Silence“ zwischendurch das Tempo, um mit einem wunderbaren Solo das stampfende Grundgerüst auszuschmücken. Das gelingt aufgrund des wirklich sauber gemischten Klangs im Werk auch ganz hervorragend, wodurch das anfangs noch zurückhaltende Publikum mit jeder Minute mehr im Kosmos der Skandinavier anzukommen scheint.

KVAEN sorgen zum Ende ihrer Show für einen kleinen Circle Pit

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Dass Mastermind Jacob Björnfot trotz Kapuze und Corpsepaint auf bescheidene und sympathische Art mit den Münchner:innen kommuniziert, trägt selbstverständlich ebenfalls dazu bei, dass man in der Arena bald schon im Takt die Fäuste reckt. Angetrieben von Drummer Fredrik Andersson (ex-AMON AMARTH) freuen sich KVAEN daher im abschließenden „Revenge By Fire“ sogar über einen kleinen, aber nichtsdestotrotz engagierten Circle Pit.

KVAEN Setlist – ca. 35 Min.

1. Sulphur Fire
2. The Great Below
3. In Silence
4. Damnations Jaw
5. The Funeral Pyre
6. Revenge By Fire

Fotogalerie: KVAEN


IN MOURNING

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Um die eigenen Energiereserven muss sich im Anschluss ohnehin niemand sorgen machen, denn mit IN MOURNING schaltet das Backstage erstmal einen Gang zurück. Der progressive Melodic Death Metal profitiert abermals vom transparenten Mix, so dass die oft mächtigen, manchmal aber fast schon fragilen Arrangements trotz dreier Gitarristen stets nachvollziehbar bleiben. Mit sporadischem Klargesang durchbricht die Band im eröffnenden „Thornwalker“ derweil die wenigen schnellen Parts, wo AHAB-Drummer Cornelius Althammer sogar ein paar Blastbeats aus dem Handgelenk schütteln darf.

Dass sich Tobias Netzell und Björn Pettersson darüber hinaus die Rolle am Mikrofon teilen, sorgt für zusätzliche Klangfarben im ohnehin schon vorwärtsgewandten Bandsound: Den klassichen Growls des Erstgenannten setzt Pettersson in „The Broke Orbit“ sein markiges, dezent gepresstes Organ entgegen, was uns punktuell an frühe THE OCEAN denken lässt. Die Zuschauerschaft wiederum scheint diesem Kontrast glücklicherweise aufgeschlossen zu sein: Zwar genießt man in München den Auftritt IN MOURNINGs überwiegend entrückt schwelgend, erwidert die überlangen Songs dafür in den Pausen mit umso überschwänglicherem Beifall.

Am Ende werden IN MOURNING gefeiert wie ein Headliner

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Alles andere wäre der Band gegenüber aber auch nicht fair, schafft sie es doch, dem Konzertabend mit dem abschließenden Monstrum „Colossus“ ein paar unvergessliche Augenblicke zu spendieren. Die Art und Weise, wie die Band das ausladende Finale zelebriert, geht letztlich nicht nur uns durch Mark und Bein. Doch Gänsehaut hin oder her, wer mit einer solchen Selbstverständlichkeit den kompletten Gig an sich reißt, hat es auch verdient, im Nachhinein wie ein Headliner verabschiedet zu werden.

IN MOURNING Setlist – ca. 45 Min.

1. Thornwalker
2. The Broken Orbit
3. The Smoke
4. Sovereign
5. Colossus

Fotogalerie: IN MOURNING


INSOMNIUM

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Derweil steht dieser natürlich noch aus; eine Tatsache, die im Backstage offenbar bis ins letzte Eck jede Person mitbekommen soll. Mittels eines vorgeschalteten Intros, das fast acht Minuten lang auf orchestrale Weise die bevorstehende Ankunft der Band schmackhaft machen soll, tragen INSOMNIUM direkt zum Auftakt ordentlich dick auf. Aber das sind wir von den Finnen mittlerweile gewohnt, die natürlich auch im folgenden Opener „1696“ den Rockstar-Charme nicht ganz ablegen können. Vor allem Markus Vanhala und Tour-Kollege Nick Cordle posieren von den ersten Tönen an für so ziemlich jede einzelne Linse in der gut gefüllten Halle.

Mal gemeinsam, mal jeder für sich oder auch als Trio mit Bassist Niilo Sevänen werden im Sekundentakt Gitarrenhälse showwirksam nach vorne gereckt oder breitbeinig ein paar Soli aus dem Handgelenk geschüttelt. Dass im früh gezückten Eisbrecher „Ephemeral“ dadurch nicht jeder Ton der Leadgitarre perfekt sitzt, ist uns wie den frenetisch feiernden Fans im Zentrum indes herzlich egal, schließlich zeigen sich INSOMNIUM offensichtlich in bester Spiellaune.

INSOMNIUM-Bassist Niilo Sevänen hat sogar etwas Deutsch einstudiert

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Der etwas routiniert-unterkühlte Auftritt auf dem letztjährigen SUMMER BREEZE ist daher ähnlich schnell vergessen wie das übermotivierte Animationsprogramm vor vier Jahren an gleicher Stelle. Geklatscht, getanzt oder zum stampfenden „White Christ“ das Haupthaar geschüttelt wird natürlich auch ohne Sondereinladung, schließlich sind die unverkennbaren Melodien des Quartetts trotz ihres oft melancholischen Untertons auch live quasi unwiderstehlich.

Wie sehr die Münchner:innen das Gastspiel INSOMNIUMs herbeigesehnt haben, zeigt ein kurzer Blick durch die Halle, wo anlässlich des finnischen Nationalfeiertags auch ein selbstgebasteltes Banner mit der Landesflagge nach oben gereckt wird. Ein Detail, das auch Niilo Sevänen nicht verborgen bleibt: „Perkele!“ zitiert der Sänger den darauf geschriebenen finnischen Ausruf, nachdem er zuvor schon mit einigen deutschen Sprachfetzen die Menge auf sympathische Weise für sich gewonnen hatte.

Zum Ende sorgen INSOMNIUM für Gänsehaut

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Dadurch navigieren INSOMNIUM auch durch die wenigen Längen in ihrem sonst abwechslungsreich zusammengestellten Set: So schön „Pale Morning Star“ sowie „And Bells They Toll“ sein mögen, bremsen beide Stücke im Verbund das Set doch etwas aus, zumal das dramatische „The Rapids“ vom aktuellen Werk „Anno 1696“ (2023) zur Halbzeit in München ebenfalls nicht so richtig zünden will. Da haben es die schnelleren, geradlinigen Stücke doch einfacher: Ungeachtet ihres Baujahrs sorgen sowohl Klassiker à la „Only One Who Waits“ oder „Mortal Share“ als auch frisches Material wie „Lillian“ für Trubel im Pit.

Dabei geht es auch heute mit Gefühl, wie wir zum Ende des regulären Sets erfahren: Über nahezu zehn Minuten entführt uns „Song Of The Dusk“ noch einmal in die tiefen Wälder der Kurzgeschichte „Anno 1696“, wo uns bedachte Arrangements und gefühlvoller Klargesang zum zweiten Mal an diesem Abend einen wohligen Schauer über den Rücken jagen. Selbstverständlich wäre das zu diesem Zeitpunkt ein stimmiger und durchaus passender Schlusspunkt, wäre da nicht noch dieses bohrende Gefühl, etwas vergessen zu haben.

Ihren größten Hit haben INSOMNIUM für die Zugabe aufgehoben

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Wovon wir sprechen, weiß zu diesem Zeitpunkt wohl eine jede Seele im Backstage Werk, weshalb das Raunen in der Halle mit dem kurz darauf angestimmten Vorboten „The Primeval Dark“ alles andere als überraschend kommt. Dass sich INSOMNIUM ihren größten Hit für die Zugaben-Portion aufgehoben haben, verstehen wir, sobald die ersten Takte von „While We Sleep“ die Lokalität erfüllen. Als hätte man nur auf diese tickende Zeitbombe gewartet, explodiert die Halle von einem auf den anderen Moment in vollkommener Ekstase, was selbst den vier Herren auf der Bühne ein leicht verdutztes Grinsen ins Gesicht zaubert.

Das finale „Weighed Down With Sorrow” wiederum sorgt für einen weichen Fall, um uns nach nicht ganz anderthalb Stunden wieder in die frostig-kalte Realität aus Wintereinbruch und überwältigendem Schneechaos zu entlassen. Mit auf den Weg geben uns INSOMNIUM immerhin eine ganze Reihe ihrer unverkennbaren Melodien, die auf dem Weg zur S-Bahn zumindest ein wenig Wärme fürs Gemüt versprechen. „And winter winds, they howl”, schießt uns plötzlich in den Kopf, als die eisige Kälte unsere Wangen streicht und wir am liebsten zustimmend nicken möchten. Du sagst es, Niilo, du sagst es.

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INSOMNIUM Setlist – ca. 90 Min.

1. 1696
2. Ephemeral
3. White Christ
4. Pale Morning Star
5. Only One Who Waits
6. Change of Heart
7. And Bells They Toll
8. Lillian
9. The Rapids
10. The Gale
11. Mortal Share
12. Song Of The Dusk
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13. The Primeval Dark
14. While We Sleep
15. Weighted Down With Sorrow

Fotogalerie: INSOMNIUM

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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