blank

GOJIRA, ALIEN WEAPONRY, EMPLOYED TO SERVE: Konzertbericht – Zenith, München – 2.3.2023

Nach mehreren Verschiebungen und Hochverlegungen stellen GOJIRA endlich ihr aktuelles Album “Fortitude” auch in München vor und beweisen, warum sie außerhalb Deutschlands schon längst die Billings großer Festivals anführen.

Es sei ein großartiges Gefühl, nach so vielen Jahren auch hierzulande in Hallen wie dem Zenith spielen zu können, lässt uns GOJIRA-Frontmann Joe Duplantier gegen Ende eines schweißtreibenden Konzertabends wissen. Lange habe man ausgerechnet in Deutschland noch auf kleinen Bühnen gestanden, während die Fans im restlichen Europa bereits in Scharen zu den Shows der Franzosen pilgerten. Tatsächlich haben wir die vier Musiker bereits vor rund anderthalb Dekaden in Münchens zweitgrößter Konzert-Location erlebt: 2008 spielte man noch im Vorprogramm der schwedischen Modern / Melodic Death Metal-Urgesteine IN FLAMES.

Dass GOJIRA heute Abend erstmalig selbst die Hauptattraktion in der alten Werkshalle sind, ist dabei sowohl das Resultat harter Arbeit als auch der pandemiebedingten organisatorischen Herausforderungen: Ganze zweimal wurde der Termin infolgedessen verlegt, ganze zweimal aufgrund hoher Nachfrage in eine größere Lokalität. Zwar ist das Zenith an diesem Donnerstagabend im letzten Drittel abgehängt – ein schwarzer Vorhang trennt den Zuschauerbereich von Merch-Areal und Garderobe -, vor der Bühne wird es um kurz vor halb acht dennoch schnell kuschelig: Das Vorprogramm aus EMPLOYED TO SERVE und ALIEN WEAPONRY will man in der bayerischen Landeshauptstadt nach der langen Wartezeit augenscheinlich nicht verpassen.


EMPLOYED TO SERVE

blank

Dabei dauert es anfangs noch ein wenig, bis die Münchner:innen aufwachen. Dass EMPLOYED TO SERVE mit „Universal Chokehold“ zunächst noch gegen ein zögerliches Publikum anspielen müssen, liegt indes fast in der Natur der Sache, fällt das Metalcore-Fundament der Briten doch ein wenig aus dem heutigen Rahmen. War die Show vor gut drei Jahren mit BURY TOMORROW also noch ein Selbstläufer, muss die Band nun mehr für ihre Anerkennung arbeiten. Glücklicherweise aber ist die Menge vor der Bühne aufgeschlossen genug, um den fünf Musiker:innen eine faire Chance zu geben.

Und das schon bald ohne die anfänglichen Berührungsängste, wie wir an den zur Decke ragenden Fäusten in „Owed Zero“ ablesen können, bevor hier und da sogar im Takt gesprungen wird. Besonders die groovenden Rhythmen kommen gut an, wie der kleine Pit zu „Force Fed“ oder die Kombination aus Wall of Death und Circle Pit im live überraschend mächtigen „Sun Up To Sun Down“ belegen. Dass auf den Brettern selbst zwar fleißig mit der Gitarre posiert wird, ansonsten allerdings überraschend wenig Bewegung herrscht, scheint die Zuschauerschaft keineswegs zu stören.

Auch wenn sie sich auf der großen Bühne nicht immer pudewohl fühlen, ziehen EMPLOYED TO SERVE das Publikum auf ihre Seite

blank

EMPLOYED TO SERVE punkten stattdessen auf andere Weise: Shouterin Justine Jones – heute zwischen leger und chic im schwarzen Kleid – holt sich für die titelgebenden Zeilen in „We Don’t Need You“ das Publikum an Bord, ohne derweil selbst Stimmgewalt vermissen zu lassen. Unterstützung bekommt die Frontfrau außerdem von Gitarrist Sammy Urwin, der zwischendurch immer wieder etwas trockenen Klargesang beisteuert und im abschließenden „Mark Of The Grave“ mit seinem Southern-Einschlag Marke ALL HAIL THE YETI gar die Führung übernimmt. Vielleicht – so unser Eindruck nach dieser halben Stunde – mögen die großen Bühnen nicht das bevorzugte Zuhause EMPLOYED TO SERVEs sein. Dass die Formation nach dem unterkühlten Auftakt letztlich dennoch unter lautstarkem Beifall verabschiedet wird, spricht hingegen eine deutliche Sprache.

EMPLOYED TO SERVE Setlist – ca. 30 Minuten

1. Universal Chokehold
2. Owed Zero
3. Force Fed
4. Sun Up To Sun Down
5. We Don’t Need You
6. Mark Of The Grave

Fotogalerie: EMPLOYED TO SERVE


ALIEN WEAPONRY

blank

Die mit Abstand weiteste Anreise für diese Tour hatten ALIEN WEAPONRY, die den weiten Weg aus Neuseeland auf sich nahmen und nun während der letzten Tage die Rückkehr in die Heimat wohl kaum erwarten können. Anders können wir uns die rekordverdächtige Umbauzeit von gerade einmal sieben Minuten jedenfalls nicht erklären. Immerhin wirkt sich der bevorstehende Tournee-Abschluss in der Zwischenzeit keineswegs auf die Motivation des Trios aus, welches mit dem thrashigen „Raupatu“ direkt in die Vollen geht.

Die martialisch anmutende Mischung aus Groove Metal und Tribal-Elementen ist erwartungsgemäß im Live-Kontext um ein Vielfaches ansteckender als auf Platte, weshalb der Pit im nachgeschobenen „Holding My Breath“ schon bald auf Touren kommt. Tatsächlich sind die teils auf Englisch, teils auf Maori vorgetragenen Stücke nicht zuletzt aus dem Grund so packend, weil Gitarrist und Sänger Henry de Jong auf stimmgewältige Unterstützung zählen kann. Sowohl Bassist Tūranga Morgan-Edmonds, welcher mit großen Schritten über die Bühne stampft und mit seiner markanten Moko-Tätowierung die Maori-Kultur sogar im Gesicht trägt, als auch Drummer Lewis de Jong sorgen am Mikro für die nötige Portion Eindringlichkeit.

Die groovenden Riffs ALIEN WEAPONRYs gehen schnell durch Mark und Bein

blank

Logisch, dass wir uns dem nur schwer entziehen können. Die teils simplen, aber enorm groovenden Riffs gehen schnell durch Mark und Bein, während uns Gitarrist de Jong zwischendurch durch ein paar klar gesungene Zeilen wieder einfängt. Mit dieser Einschätzung stehen wir übrigens nicht alleine da, wie ein Blick in Richtung des ausgelassen feiernden Zentrums zeigt. Dort rotiert zu „Ru Ana Te Whenua“ der Circle Pit, bis sich die Münchner:innen für den abschließenden Hit „Kai Tangata“ gar zu einer stattlichen Wall of Death hinreißen lassen.

ALIEN WEAPONRY Setlist – ca. 37 Minuten

1. Raupatu
2. Holding My Breath
3. Tangaroa
4. Ahi Kā
5. Rū Ana Te Whenua
6. Kai Tangata

Fotogalerie: ALIEN WEAPONRY


GOJIRA

blank

Immerhin unter einem Gesichtspunkt hat die Verschiebung des Münchner Gastspiels ans Ende des zweiten Tourblocks einen positiven Nebeneffekt: Durch die Hochverlegung ins hiesige Zenith kommen wir nun in den Genuss der kompletten Show GOJIRAs. Nun gut, den Bombast der vorausgegangenen Heimatshows erwarten wir nicht, doch allein der nun hochgezogene Vorhang, auf dessen Front während des Changeovers allerlei Smybole projiziert werden, lässt die Vorfreude steigen.

Und Spannung schüren können GOJIRA, als um Punkt 21 Uhr ein dreiminütiger Countdown die Glyphen auf dem Leinen ersetzt. Dass dabei die letzten zehn Sekunden lautstark mitgezählt werden, versteht sich von selbst, bevor schließlich zu den ersten Klängen der Single „Born For One Thing“ das Tuch fällt und den Blick frei gibt auf ein gleichzeitig schlichtes wie eindrucksvolles Stage-Design.

Mit seiner ausdrucksstarken Gestikt wird GOJIRA-Drummer Mario Duplantier schnell zur Hauptattraktion

blank

Würden die Musiker um den charismatischen Frontmann Joe Duplantier nicht mit einer solchen Bestimmtheit über die Bretter schreiten, sie würden angesichts der stolzen LED-Tafel im Hintergrund schnell verloren gehen. Eingerahmt durch ganze drei Ebenen an Illuminationen füllen die stimmig abgestimmten Animationen die komplette Rückwand aus. Dabei sitzt der eigentliche Blickfang ein paar Meter davor: Auf seinem Drumriser hält Mario Duplantier mit akzentuierten Spiel nicht nur die perfekt getaktete Maschinerie zusammen, sondern ist dank ausdrucksstarker Mimik und expressiver Gestik natürlich eine Attraktion für sich.

Seiner Rolle ist sich der Schlagzeuger offenbar bewusst: Nicht nur ergreift er immer wieder die Gelegenheit, das Publikum eigenhändig zu Höchstleistungen zu animieren, auch geeignete Breaks wie in „Backbone“ nutzt Duplantier, um zahllose Sticks in hohem Bogen durch die Halle segeln zu lassen – nicht für wenige Anwesende ein begehrtes Souvenir, für das man ansonsten stolze 40€ am Merchandise-Stand berappen müsste. Die Zuschauer:innen hat der Drummer somit schnell auf seiner Seite und das nicht nur, weil er später während seines Solos der bayerischen Mundart humorvoll Respekt zollt: „Sau guad“ steht in großen Lettern auf dem weißen Schild, mit dem sich der Musiker für die ohrenbetäubende Unterstützung bedankt.

Das visuelle Spektakel lenkt nicht vom eigentlichen Kern einer GOJIRA-Show ab

blank

Auf selbige können selbstverständlich GOJIRA als Kollektiv ebenso zählen. Nicht nur bricht beim schon früh angestimmten Hit „Stranded“ spontaner Jubel aus, auch den Refrain singen die begeisterten Fans textsicher mit. Im Gegenzug verwöhnen die Franzosen das Zenith mit dem unverwüstlichen Klassiker „Flying Whales“, nach dessen atmosphärischem Intro die Wall of Death unter den weißen Schwaden der CO2-Kanonen kollidiert. Durch punktgenaues Zusammenspiel und akzentuiert eingesetzte Effekte gelingt es GOJIRA, ihren ohnehin schon massiven Sound noch mitreißender zu verpacken.

Dabei lenkt das Spektakel aber keineswegs vom eigentlichen Kern der Show ab: Gitarrist und Sänger Joe Duplantier mag sich nur selten direkt ans Publikum wenden, dann aber auf eine bescheidene und sympathische Art, mit welcher er unter anderem den Hintergrund jüngerer Kompositionen wie „Another World“ oder „The Chant“ darlegt. Die Bitte um stimmlichen Beistand für Letztgenanntes scheint für München infolgedessen Ehrensache zu sein, intonieren doch hunderte, wenn nicht tausende Fans den wortlosen Refrain von der ersten bis zur letzten Sekunde. Den Kehlkopfgesang im fantastischen „Amazonia“ übernimmt Duplantier dafür wieder höchstpersönlich, während um ihn herum die Bühne in Flammen untergeht.

GOJIRA gewähren dem Münchner Zenith einen üppigen Nachschlag

blank

Zugegeben, es wäre ein passender Schlussakzent, der die umweltpolitische Botschaft GOJIRAs wohl perfekt abgerundet hätte. Dennoch ziehen wir selbstredend die Alternative vor: Mit einem rund viertelstündigen Zugabeblock gewährt uns das spielfreudige Quartett nämlich einen üppigen Nachschlag, der mit goldfarbenem Lametta und dem starken „The Gift Of Guilt“ den Abend nicht minder eindrucksvoll zu Ende führt. Eindrucksvoll aufgrund der Show, aber auch aufgrund der makellosen Performance und des unermüdlichen Arbeitsethos GOJIRAs, für welches diese Show auch zum Sinnbild gereichen kann.

Denn zuletzt spielte man in dieser Halle vor fast 15 Jahren – nicht als Hauptattraktion, sondern als mehr oder weniger bedeutender Support-Act im Vorprogramm der „A Sense Of Purpose“-Tour. Dass die Franzosen nun also nach all dieser Zeit selbst in Deutschland die Früchte ihrer Arbeit ernten können, darf man gerne als Meilenstein verstehen. Insbesondere deshalb schätzen wir auch den eingangs geschilderten Moment aufrichtiger Freude Joe Duplantiers, den es ohne die pandemiebedingten Verschiebungen und die damit verbundene Hochverlegung der Show in dieser Form wohl nicht gegeben hätte. Irgendwie schön zu sehen, dass selbst GOJIRA diesen widrigen Umständen am Ende des Tages etwas Positives abgewinnen können.

blank

GOJIRA Setlist – ca. 95 Minuten

1. Born For One Thing
2. Backbone
3. Stranded
4. Flying Whales
5. The Cell
6. The Art Of Dying
7. Drum Solo
8. Grind
9. Another World
10. L’enfant sauvage
11. Our Time Is Now
12. The Chant
13. Amazonia
————————–
14. Silvera
15. New Found
16. The Gift Of Guilt

Fotogalerie: GOJIRA

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter: FKP Scorpio (Tour) / Propeller Music (Lokal)

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner