DIE DREI ??? in der Arena Nürnberg am 12. November 2009

Mehr als ein Livehörspiel – ein Multimediaevent.

Im November 2008 war die Sensation perfekt, als angekündigt wurde, dass nach der Master Of Chess-Tour im Jahr 2003, die DIE DREI ??? wieder mit einen Livehörspiel auf Deutschlandreise gehen werden. In Windeseile waren die meisten Veranstaltungen ausverkauft oder mussten in größere Hallen verlegt werden, der Popularitätsschub am Medium Hörspiel ist seit eben Master Of Chess ungeheuerlich, das sieht man unter anderem auch daran, wie viele neue Hörspielserien es seitdem gibt. Dass DIE DREI ??? aber nach wie vor die Chefs sind, machen sie mit dieser Tour deutlich. Und weil deren aktuelle Hörspiele qualitativ recht schwanken, ist es nur zu verständlich, dass hier kein neuer Fall auf die Bühnen kommt, sondern dass ein Klassiker aufgewärmt und runderneuert wird.

Live And Ticking – DIE DREI ??? und der seltsame Wecker – wohl kaum einer hat den Schrei des Weckers aus der Kultfolge vergessen und für nicht wenige Fans ist dies die absolute Lieblingsfolge. Spannend natürlich, was sich die Macher einfallen lassen haben, das Hörspiel auf eine mehr als doppelte Länge zu bringen, und wie sich die Folge aus dem Jahr 1980 im hier und jetzt macht. Zunächst fällt uns aber auf, wie verflucht groß diese Halle ist, und mit welchem Aufwand das Unternehmen Hörspieltour angegangen wird. Auf jedem Sitz liegt ein Programmheft und eine Werbekarte eines Handyunternehmens, das in Zusammenarbeit mit Oliver Justus Jonas Rohrbecks Hörspiellabel LAUSCHER LOUNGE ein neues Format vermarktet. Die aggressive Werbung zieht sich über die beiden großen Leinwände neben der Bühne hindurch, einerseits haben wir in der anderthalbstündigen Wartezeit nun etwas zum anschauen und ein paar Quizfragen zu lösen, andererseits wird hier der fade Beigeschmack der unverhohlenen, kommerziellen Ausschlachtung mehr als deutlich.

Dann wird um Punkt 20:00 Uhr das Licht gedimmt und Papagei Blacky ertönt. Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews suchen in der Kanalisation nach ihrem Ara und stoßen dabei auf den Wecker, der so seltsam schreit. Zuhause wird er untersucht und neben einer Hörspielkassette wird auch noch ein rätselhafter Brief gefunden. Die drei Detektive beginnen zu ermitteln, stoßen dabei auf einen neuen Freund Harry, dessen Vater unschuldig im Gefängnis sitzt. Bei der Suche nach der Wahrheit gibt es noch mehr Uhren, seltsame Weggefährten und unheimliche Gegner, die den Fall sehr brisant werden lassen. Aber spätestens beim aufgemotzten, an Indiana Jones erinnernden Finale wird das Live-Hörspiel endgültig zum Event.

Die Macher haben sich einige schöne Ideen einfallen lassen, bei der sich DIE DREI ??? selbst aufs Korn nehmen. Am ehesten bleibt die homoerotische Karaoke-Einlage von Andreas Bob Andrews Fröhlich und Jens Peter Shaw Wawrczek in Erinnerung, aber das Hörspiel-im-Hörspiel und Sprüche von Justus Jonas wie: Ich höre Hörspiele am liebsten zum Einschlafen, sorgen nicht nur für das nötige Augenzwinkern, sondern auch für schallendes Gelächter allerorts. Aber auch visuell wird mehr geboten, als Sprecher, die stur hinter ihren Pulten stehen. In Overalls der jeweiligen Farbe der Detektive rutschen die drei Hauptakteure auf die Bühne, darunter tragen sie Anzüge, mit Tüchern und Schuhen in ihren Farben. Im Gegensatz zu Master Of Chess ist hier alles lockerer, mehr Schauspiel, mehr Gestik, mehr Bewegung. Unglaublich, wie gut DIE DREI ??? aufgelegt sind. Und sie begeistern so sehr, dass ich mir einen USB-Stick mit der darauf enthaltenen Aufführung für überteuerte 20 € kaufe und die bedruckten Pfandplastikbecher in der zwanzigminütigen Pause nicht zurückbringe. Fandom unlimited.

Trotzdem, nicht nur die Leistung der drei Hauptdarsteller ist sensationell, die vier anderen Schauspieler, die in den Nebenrollen zu sehen sind, bieten großartige Leistungen, allen voran Sascha Rothermund als Harry, dem Mexikaner Gerald Kramer und Kommissar Reynolds. Die fiesen und schrulligen Rollen werden vom Allrounder Peter Weis gekonnt dargestellt und auch die beiden weiblichen Darstellerinnen Luise Lunow und Cornelia Meinhardt sind weit weniger hysterisch als Frauke Pohlmann vor sechs Jahren. Mit Helmut Krauss wurde wieder ein tourneeerfahrener Erzähler engagiert, der zwar etwas gealtert ist, aber mit seinem Charme und seiner Hingabe wieder viele Lacher auf seiner Seite hat. Der knochentrockene Geräuschemacher Peter Klinkenberg stiehlt mit seinen zahlreichen Gerätschaften wieder allen die Show und interagiert oftmals auf sehr schrullige Art und Weise mit den Akteuren.

Modernisiert wurde einiges. Den Machern wurde einerseits klar, dass hauptsächlich Erwachsene so eine Aufführung besuchen und daher wird durch die eine oder andere sprachliche Frivolität auf Kindgerechtigkeit verzichtet, sehr zur Freude der Fans, denn irgendwie sind DIE DREI ??? in ihren Hörspielen immer beunruhigend asexuell, auch wenn sie hier und da eine Alibifreundin haben. Dieser Mut ist dem jungen Regisseur Kai Schwind zu verdanken, der aus DIE DREI ??? und der seltsame Wecker eine kunterbunte Angelegenheit gemacht hat. Auch musikalisch sind wir im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, statt einem einfachen Keyboarder, gibt es nun zwei Musiker, die mit Laptops, Drumcomputer, Saxophon und Akkordeon bewaffnet eine viel weitere, jazzigere und urbanere Bandbreite an Stimmungen repräsentieren.

Das alles zusammen mit einer LED-Wand, sehr durchdachten Lichteinsätzen und Projektionen lässt diesen Abend zu einem uferlos großem Event werden, bei dem das familiäre von den Touren in denen die Sprecher abseits der DREI ??? unterwegs sind, vollständig fehlt. Das ist einerseits sehr schade, andererseits wäre so ein Spektakel in kleineren Hallen mit weniger Publikum deutlich überdimensioniert gewesen. Begeistert waren am Schluss alle, Standing Ovations für alle Akteure, von den Jubelpfiffen gibt es einen Hörsturz, vom vielen Klatschen schmerzen die Hände. Alles ist gut, als um 22:35 Uhr das Licht wieder aufleuchtet und sie alle heimgehen, die Geschäftsleute, die Alternativen, die Metaller, die Familien, die Nerds, die Kinder der Achtziger, Kassettenkinder.

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