Seit zwei Jahren steht das italienische Label THESE HANDS MELT für dunkle Musik außerhalb von Genregrenzen: Mit Bands wie REVERB ON REPEAT, WITNESSES, FÖHN, PURGATORIAL und DROWNSHIP haben THESE HANDS MELT etwas für jeden: Post Metal, Black Metal, Shoegaze, Neofolk und Death Metal – wichtig ist für den Labelgründer Mauro, dass die Musik emotionaler Natur ist. Einen Auszug aus dem Programm des Label gibt es in unserem Spotlight. Und es geht weiter: Für 2025 haben THESE HANDS MELT schon spannende Alben angekündigt. Grund genug bei Mauro mit ein paar Fragen vorstellig zu werden.
Hallo Mauro, THESE HANDS MELT wurde 2023 gegründet, und seitdem hast du bereits eine große Anzahl von Alben veröffentlicht. Wenn du auf die ersten zwei Jahre zurückblickst, bist du zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelt haben?
Sehr sogar! Es war ein unerbittlicher Ritt in diesen zwei Jahren und es wird weitergehen, solange das Label profitabel und relevant bleibt! In diesen zwei Jahren gab es viele Höhen und Tiefen, Momente des Stolzes und Fehler, aus denen man lernen kann. Aber ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen und der geleisteten Arbeit, und vor allem damit, wie das Label ziemlich schnell seine eigene Identität und Anerkennung gefunden hat.
Was war dein Impuls, ein Label zu gründen? Hattest du vorher Erfahrung im Musikgeschäft oder hast du einfach aus Idealismus angefangen?
Ich hatte schon einige Erfahrung, vor allem durch gelegentliche Kollaborationen. Das hat mir geholfen, herauszufinden, was man tun kann und vor allem, was man mit einem Label NICHT tun sollte. Die Idee, ein eigenes Label zu gründen, bestand schon sehr lange, und der entscheidende Schritt dazu war eine Reihe von Verlusten, die mich sehr tief und persönlich getroffen haben. Die Vision von THESE HANDS MELT ist genau die, Musik zu veröffentlichen, die als Reaktion auf Gemütszustände der Trauer funktioniert, und diese Vision zementiert jedes unserer Releases, unabhängig von ihrem Genre. In diesem Sinne glaube ich, dass es eine Menge Idealismus gibt und geben MUSS, wenn man ein Label machen will, das einen gewissen künstlerischen Wert hat. Gleichzeitig ist es wichtig, nie aus den Augen zu verlieren, dass es sich um ein Geschäft handelt, das ich von Anfang an bewusst zu meinem einzigen Job gemacht habe.
Ich nehme an, dass es eine Menge Vorbereitung gebraucht hat. Du hast einen Raketenstart hat mit ein bis zwei Veröffentlichungen pro Monat hingelegt. Wie lange hast du dich vorbereitet und wie bist du vorgegangen?
Der eigentliche Aufbau des Labels ging sehr schnell, das Konzept war klar und die ersten Veröffentlichungen waren auch recht schnell da. Was ich von Anfang an wollte war, dass das Label produktiv ist und aufstrebenden, unbekannten Künstlern, die etwas Bedeutsames zu sagen haben, eine Stimme gibt. Ich habe mir schon lange vorgestellt, ein eigenes Label zu gründen, und als THESE HANDS MELT dann tatsächlich an den Start ging, war in meinem Kopf der Weg ganz klar. Aber nichts kann einen auf das wirkliche Geschäft vorbereiten, und so musste ich eine Menge lernen, während ich arbeitete. Das ist immer noch so.

Der Name THESE HANDS MELT ist abgeleitet vom Text des Songs „Distant Eastern Glare“ der Darkwave-Band LYCIA aus dem Jahr 1991. Es muss ein Kompliment gewesen sein, dass zwei Soloalben des Multiinstrumentalisten DAVID GALAS von LYCIA auf THESE HANDS MELT (wieder) veröffentlicht wurden. Hat er sich gefreut, dass sein neues Label von LYCIA inspiriert wurde?
Das hat er! Die Werke von DAVID GALAS zu veröffentlichen, ist für mich sehr bedeutsam. Er ist ein extrem kreativer und bescheidener Künstler und er ist sehr offen dafür, gemeinsam Ideen zu diskutieren. Unsere Zusammenarbeit wird so lange fortgesetzt, wie er möchte! Mike und Tara von LYCIA waren auch sehr hilfsbereit, indem sie seine Werke mit mir teilten und mir erlaubten, dieses Zitat als Namen für das Label zu verwenden.
Dein Label ist kein Alleingang, du arbeitest mit Tryfar und Lucia Macip zusammen, die dir bei der Gestaltung von Bildern, Artworks, Layouts usw. helfen. Wer ist sonst noch an Bord?
Ich selbst und die Hilfe von Freunden, die zufällig sehr talentierte Profis sind. Neben Tryfar und Lucia macht auch Olga Kann viele der Videos unserer Band. THESE HANDS MELT wurde als ein extrem visuelles Label konzipiert, bei dem die Optik genauso wichtig ist wie die Musik, daher ist die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Künstlern, die diese Idee verstehen, von grundlegender Bedeutung. Lucia ist auch sehr stark in die Promotion und das Scouting involviert, sie hat ein immenses Wissen über die Szene und sie hat mich auf einige Bands aufmerksam gemacht, die ich schließlich unter Vertrag genommen habe.
Obwohl ihr in den letzten zwei Jahren viel veröffentlicht hat, steht das Label für kein typisches Genre, es geht vor allem um dunkle und emotionale Musik. Könnte das ein Nachteil sein, oder denkst du, dass THESE HANDS MELT-Hörer*innen im Allgemeinen aufgeschlossener sind, wenn es um Genres geht?
Es ist definitiv ein Nachteil in Bezug auf das Marketing! Ein einfach zu kategorisierendes, genreorientiertes Label zu gründen – ein richtiges Black Metal Label zum Beispiel – würde die Sache mit der Promotion und den kommerziellen Ergebnissen viel einfacher machen. Aber es wäre auch unvorstellbar langweilig für mich! Glücklicherweise hat das Label von Anfang an sein eigenes Publikum gefunden, das langsam, aber stetig wächst. Ich bin mir sicher, dass jeder, der THESE HANDS MELT folgt, ziemlich aufgeschlossen sein muss, besonders wenn es sich um Leute handelt, die hauptsächlich extreme Metal-Fans sind.
„Die Vision von THESE HANDS MELT ist genau die, Musik zu veröffentlichen, die als Reaktion auf Gemütszustände der Trauer funktioniert, und diese Vision zementiert jedes unserer Releases, unabhängig von ihrem Genre.“
Melancholie und Emotionen sind die Dinge, die fast alle Bands auf deinem Label gemeinsam haben. Wäre es dein Ziel, diesen typischen melancholischen Signature-Sound zu haben, der THESE HANDS MELT ausmacht?
Oh ja, einer meiner größten Einflüsse ist COLD MEAT INDUSTRY und wie sie es geschafft haben, ein konsistentes gemeinsames Universum mit Bands zu schaffen, trotz drastisch unterschiedlicher Musikstile, alles durch Ästhetik und Atmosphäre. Auch nur einen Bruchteil davon zu erreichen, als Label so bekannt zu werden, ist ein großes Ziel.
Verglichen mit den restlichen Veröffentlichungen des Labels hatten „Ofelia“ von MARTRE und „Mente Captus“ von NULLA+ einen viel aggressiveren Sound. Wie passen diese Alben zu dem Label?
Jede Band des Labels erforscht verschiedene emotionale Zustände, und genau wie im echten Leben gibt es diejenigen, die auf der ruhigeren, sanfteren Seite des Spektrums stehen, und diejenigen, die Verzweiflung, Wut und Aggression ausdrücken. Die Bands, die du erwähnt hast, zeigen auch eine sehr antagonistische Herangehensweise an ihr eigenes Musikgenre. Das ist etwas, das ich sehr liebe.
Ich sehe im zweiten Jahr von THESE HANDS MELT eine klare Entwicklung, auch wenn es im ersten Jahr einige echte Perlen gab. Was war deine Lieblingsveröffentlichung im Jahr 2024?
Es ist schwierig, eine auszuwählen, ohne den Anderen Unrecht zu tun. Ich glaube nicht, dass es übertrieben ist, wenn ich sage, dass REVERB ON REPEAT und FÖHN zwei absolute Klassiker geschaffen haben. Ein Album, auf dessen Veröffentlichung ich sehr stolz bin, ist „Wadera“ der polnischen Band DEFYING, ein sehr ehrgeiziges Album in Bezug auf Musik und visuelle Präsentation. Es ist ein großes Glück, wenn eine Band weiß, wie wichtig es ist, ein reichhaltiges visuelles Konzept mit der Musik zusammenzubringen. Wenn du dir das Video zum Song „Tempus Infaustum“ ansiehst, wirst du sehen, was ich meine.

Wie nehmt ihr Kontakt zu den Bands auf, vor allem zu wirklich unbekannten wie SÁASIL, deren Album „Ephemeral“ die erste Veröffentlichung von THESE HANDS MELT war, aber auch DEFAITISM, EVERGARDEN, ABSCISSOR und ABYSSIELLE? Sucht ihr ständig nach Künstlern auf Bandcamp oder bewerben sich die Künstler bei THESE HANDS MELT?
Es kann durch gegenseitige Verbindungen geschehen, wie zum Beispiel im Fall von SÁASIL und DEFAITISM. Das sind Bands, an denen Leute beteiligt sind, die ich schon vor der Gründung von THESE HANDS MELT kannte. Es gibt eine Menge Scouting auf Bandcamp und anderen Plattformen, eine Menge Tipps von vertrauenswürdigen Beratern und natürlich auch Bands, die sich melden, um ihre Werke einzureichen. Ich höre mir jede Einsendung an, und trotz des produktiven Outputs des Labels bin ich sehr wählerisch, wenn es darum geht, wen ich unter Vertrag nehme.
Du arbeitest mit Künstlern aus fast allen Teilen der Welt zusammen, von Südamerika bis Russland. Ist diese melancholische Musik ein Bindeglied zwischen den Kulturen, die heute noch unterschiedlicher und fremder zu sein scheinen als in den letzten 40 Jahren? Mit anderen Worten: Verbindet die Musik und die Absicht, die dahinter steckt Menschen, auch wenn sie aus Ländern kommen, die heute als Feinde gelten?
Das sollte Musik, und Kunst im Allgemeinen, sicherlich tun. Leider ist das nicht immer der Fall, und so viele Leute, selbst in der mikroskopisch kleinen Nische der Underground-Musik, scheinen so engagiert zu sein, jede Art von hässlicher Politik dieser Welt in die Szene und ihre eigene Kunst zu bringen. Was THESE HANDS MELT betrifft, so kann ich ganz offen sagen, dass es mir egal ist, woher eine Band kommt, solange sie etwas Sinnvolles zu sagen hat, das zum Konzept des Labels passt.
Das bringt mich zu der Frage nach den Weltanschauungen: Gibt es etwas, das THESE HANDS MELT niemals veröffentlichen würden? Und glaubst du daran „den Künstler von der Kunst trennen“?
Das tue ich, aber ich glaube auch, dass die Weltanschauung eines jeden auf sein Privatleben beschränkt bleiben sollte. Einige unserer Veröffentlichungen berühren sehr reale und dramatische soziale Themen, aber immer von einem sehr persönlichen, intimen Standpunkt aus. Ich interessiere mich für das Erzählen von Geschichten und persönliche Reflexionen, nicht für Ideologie oder politische Aussagen. Ich habe meine eigenen Weltanschauungen, und ich habe kein Problem damit, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die andere Ansichten haben, wenn ihre Arbeit sinnvoll ist. Deshalb wirst du auf THESE HANDS MELT niemals Künstler sehen, die Politik über ihre Kunst stellen, Musiker, die hässliche Ideologien durch ihre Kunst propagieren oder Bands, die sich faul an das böse-okkvlt-trve Black Metal-Klischee halten. Ich glaube, die Art und Weise, wie THESE HANDS MELT arbeitet, dieses sehr introspektive Konzept, das ich zuvor erwähnt habe, ist an sich schon ein ziemlich guter Filter gegen alle Arten von Unsinn, die die Szene plagen.
Ich nehme an, es ist von entscheidender Wichtigkeit für euch, dass es eine Musikplattform wie Bandcamp gibt, damit THESE HANDS MELT einigermaßen profitabel ist. Würde ein kleines Label wie THESE HANDS MELT nur über den Webshop und Spotify überleben?
Theoretisch ist es möglich, ohne Bandcamp zu überleben, solange man bereits einen soliden Kundenstamm und eine etablierte Marke hat. Abgesehen davon wäre es bei den vielen Tools, die Künstlern und Labels zur Verfügung stehen, sehr dumm, sie nicht alle bestmöglich zu nutzen.

Neben der digitalen Welt konzentrieren sich THESE HANDS MELT sowohl auf CDs als auch auf Vinyl. Aber ich habe das Gefühl, dass du besonders ein Auge auf schöne CD-Editionen hast, siehe die letzte BLACK AUTUMN-Compilation. Ist dieses Medium für dich heutzutage unterbewertet?
Vielleicht schon, auf jeden Fall wird es im Vergleich zu Vinyl als „minderwertiges“ Format angesehen, und ich meine schicke farbige Vinyl-Editionen. Die CD ist mit Abstand mein Lieblingsformat, es ist das, mit dem ich aufgewachsen bin, und es ist extrem vielseitig, um etwas Schönes und Kreatives mit der Verpackung zu machen.
Für 2025 ist schon einiges in Arbeit: Alben von NOCTAMBULIST und LAST FOREST RAIN stehen an, aber auch DAVID GALAS, VARHARA sowie die Neuzugänge AILISE BLAKE, ASTRAYA und CHURCH OF THE SEA sind am Horizont zu erkennen. Die Arbeit wird dir also nicht ausgehen. THESE HANDS MELT geht ins dritte Jahr: Kannst du das Tempo beibehalten?
Das hoffe ich doch sehr! Es gibt auch ein paar Sachen, die noch nirgends erwähnt oder angekündigt wurden, die dieses Jahr vielleicht noch kommen! Die bisherigen Ergebnisse ermutigen dazu, den produktiven und abwechslungsreichen Veröffentlichungskalender aufrecht zu erhalten, und es ist ein großes Glück, mit talentierten Bands zu arbeiten, die auf das vertrauen, was wir tun.
„Ich interessiere mich für das Erzählen von Geschichten und persönliche Reflexionen, nicht für Ideologie oder politische Aussagen. […] Ich glaube, die Art und Weise, wie THESE HANDS MELT arbeitet, dieses sehr introspektive Konzept, das ich zuvor erwähnt habe, ist an sich schon ein ziemlich guter Filter gegen alle Arten von Unsinn, die die Szene plagen.“
Was sind eure langfristigen Ziele für THESE HANDS MELT? Wollt ihr die Dinge so beibehalten wie sie sind und nur ein größeres Publikum erreichen und es DIY und undergroundig halten oder wollt ihr eines Tages expandieren?
Um ehrlich zu sein wollte ich nie, dass THESE HANDS MELT mit einer DIY-Mentalität arbeitet. Es ist eher wie ein Boutique-Label, aber die Arbeit hinter jeder Veröffentlichung muss professionell sein und von Profis gemacht werden. Diese Boutique-Label-Attitüde ist die richtige für THESE HANDS MELT, denke ich, und so wird es auch bleiben. Es gibt natürlich viel Platz und Potenzial, um unser Publikum zu vergrößern. Das Ziel ist es, so viele Leute wie möglich zu erreichen.
Es gibt bereits Expansionen, die in Planung sind. Eine davon ist, unsere Platten in Nordamerika zu vertreiben, und eine andere ist, unser kleines Hauptquartier in Rom in einen echten Nischenplattenladen umzuwandeln, beides Dinge, die wir gerade verwirklichen! Ich habe auch eine Idee für ein Sublabel, aber das hat keine Eile und es ist definitiv zu früh, um darüber im Detail zu sprechen 🙂
Realistisch oder nicht: Welche Künstler würdest du wirklich gerne auf deinem Label veröffentlichen?
Zu viele, um sie zu nennen, aber nur sehr wenige aus der Welt des extremen Metals. Ich bin ein begeisterter und omnivorer Musikhörer und es gibt ganze Pantheons von Bands, die mich zu dem inspiriert haben, was ich mit dem Label mache und mit denen ich gerne arbeiten würde.
Vielen Dank für die Antwort, Mauro! Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann ist das die Gelegenheit dazu!
Vielen Dank, Chris, für das ausführliche und tiefgründige Interview, ich habe es genossen! Ich hoffe, die Leser folgen THESE HANDS MELT auf all unseren sozialen Kanälen und unterstützen uns, indem sie unseren Fanclub auf Bandcamp abonnieren! Und wenn jemand zufällig in Rom ist, kommt in unseren Laden!