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MASERATI: Flitterwochen in Teotihuican

Das Schicksal meinte es nicht gut mit MASERATI, als deren Schlagzeuger Jerry Fuchs vor einem Jahr bei einem tragischen Unfall starb. Dennoch vervollständigte die Instrumental Rock-Band aus Georgia seine letzten Aufnahmen zu einem wunderbaren Album namens "Pyramid Of The Sun", das nicht nur das bisher beste Material der Band, sondern auch eine deutliche Weiterentwicklung in Richtung 70ies Electro zu bieten hat. Gitarrist Matt Cherry spricht per E-Mail mit uns über seinen verstorbenen Freund Jerry und das neue Album.

Das Schicksal meinte es nicht gut mit MASERATI, als deren Schlagzeuger Jerry Fuchs vor einem Jahr bei einem tragischen Unfall starb. Dennoch vervollständigte die Instrumental Rock-Band aus Georgia seine letzten Aufnahmen zu einem wunderbaren Album namens Pyramid Of The Sun – welches nicht nur das bisher beste Material der Band, sondern auch eine deutliche Weiterentwicklung in Richtung 70ies Electro zu bieten hat. Gitarrist Matt Cherry spricht per E-Mail mit uns über seinen verstorbenen Freund Jerry und das neue Album.


Hallo Matt, kommen wir zunächst zu den notwendigen Themen bezüglich Pyramid Of The Sun. Euer Schlagzeuger Jerry starb vor einem Jahr bei einem tragischen Unfall, als er in einen Fahrstuhlschacht stürzte. Es scheint so, als hättet ihr es ihm geschuldet, weiter zu machen und das Album zu veröffentlichen. So, als hätte er nicht gewollt, dass ihr euch auflöst.

Das stimmt. Das letzte Mal, als wir mit Jerry über das Album sprachen, wollte er alles neu live aufnehmen und was wir schon aufgenommen hatten, löschen. Das Einzige, mit dem er zufrieden war, waren die Drums, also behielten wir diese Spuren bei und nahmen fast alles andere neu auf. Ich denke nicht, dass er wollte, dass wir das ganze Album wegschmeißen.

Also ist das ganze Schlagzeugspiel auf dem Album von Jerry?

Ja, so ist es.

Ehrlich gesagt, habe ich euch nur einmal live gesehen und habe nur zwei eurer Platten – Pyramid Of The Sun ist dabei das erste Album von euch, das mich wirklich berührt hat, da es viel origineller ist, als eure früheren Platten. Waren die Alben vorher eine Art Weg, auf der Suche nach dem, was ihr nun macht?

Nicht wirklich. Ich denke, es gibt eine konstante Evolution in der Band. Wir hatten einen Stil vor zehn Jahren, eine Variation dessen vor fünf Jahren und eine weitere Variation davon heute. In fünf Jahren könnte es durchaus sein, dass wir stilistisch von dem, was wir heute tun, wieder weit entfernt liegen.

Euer Interesse an elektronischer Musik ist in den letzten Jahren ziemlich gewachsen. Lag es daran, dass Jerry auch bei der Electro-Punk-Band !!! spielte und ihr die Split mit ZOMBI gemacht habt, oder kam das ganz natürlich?

Dass wir uns mehr und mehr für elektronische Musik interessieren, geschieht schon seit fünf bis sieben Jahren. Das hat aber wohl mehr damit zu tun, Platten auszugraben, als dass es durch befreundete Bands kommt. Die Alben von TANGERINE DREAM, MICHAEL HOENIG, JEAN MICHEL JARRE, ENO, MANUEL GOTTSCHING und KLAUS SCHULZE haben uns in den letzten paar Jahren sehr beeinflusst.

Wie lief das Songwriting für Pyramid Of The Sun ab, da ein Teil der Schreibenden nicht mehr da ist? Ich kann mir vorstellen, dass es extrem schwierig war, weiter zu machen, nach all dem, was passierte.

Es war schwierig, aber wir zogen es einfach durch, da wir das Album nicht unvollendet lassen wollten. Jerry zeigte ein sehr gutes Händchen für Songwriting und Schlagzeugarbeit auf diesem Album und das wollten wir die Leute einfach hören lassen.

Musstet ihr  nur an den Details arbeiten, da das Grundgerüst schon stand, oder musstet ihr noch komplette Parts schreiben, um das Album abzuschließen?

Songs wie Pyramid Of The Sun und We Got The System To Fight The System waren schon zu neunundneunzig Prozent komplett, also mussten wir hier nicht mehr viel tun. Dem standen Songs wie They´ll No More Suffer From Hunger und They´ll No More Suffer From Thirst gegenüber, die eigentlich nur aus Schlagzeug über ein paar Synthesizer-Sequenzen bestanden, also mussten wir hier noch so ziemlich alles schreiben, nachdem Jerry starb. Oaxaca wurde komplett dieses Jahr geschrieben und enthält Drum-Samples aus einem anderen Song. Wir hatten noch viel Songwriting-Arbeit zu erledigen, als Jerry von uns gegangen war.

 MASERATI
Nicht nur die Musik ist retro, auch das Artwork von Adam Fuchs.


Die Musik klingt positiver, als man erwarten könnte. Ist das ein Abschied, sehr bittersüß, aber nicht voller Depression? Wolltet ihr diesen Eindruck hinterlassen?

Nicht wirklich. Es steckte kein bewusster Gedanke dahinter, irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Die kürzeren Songs und die positive Stimmung sind hauptsächlich ein Produkt unserer Fähigkeit gute Hooks zu schreiben und weil wir die Dinge präziser gefasst hatten, als auf dem vorherigen Album.

Auf They´ll No More Suffer From Thirst und Oaxaca habt ihr mit Steve Moore von ZOMBI zusammen gearbeitet. Habt ihr ihn durch die Split im Frühjahr 2009 kennen gelernt?

Jerry kannte Steve und Tony (Paterra, der zweite Mann hinter ZOMBI – Anm. d. Verf.) durch das Touren von seinen anderen Bands. ZOMBI fragten uns im Jahr 2007 ob wir ein paar Konzerte mit ihnen spielen wollten – was wir auch taten – und wir blieben befreundet, veröffentlichten am Ende auch die Split miteinander. Ich kann nicht genügend Gutes über diese Jungs sagen. Ihr neues Album, das nächstes Jahr erscheinen wird, ist der Wahnsinn.

Hat Steve nur die Synthesizer zur Musik beigefügt, oder hat er die Songs als Co-Autor und Co-Arrangeur mit euch vervollständigt?

Sowohl als auch. Auf They´ll No More Suffer From Thirst stand der Song bereits und Steve hat einfach ein paar wundervolle Analog-Synthesizer angefügt. Auf Oaxaca half er uns, den Song zu arrangieren und hat ganze Parts hinzu gefügt.

Auf allen Songs sind Synthesizer zu hören, aber nur bei zweien hat Steve mitgewirkt. Wollte er nicht an allen Stücken beteiligt sein?

Natürlich hätten sowohl wir als auch Steve, Lust gehabt, das komplett zusammen durchzuziehen, aber zur Zeit der Aufnahmen war er zu Hause in New York City bei seiner Familie, da sein Sohn geboren wurde. Es war einfach nicht möglich, dass er längere Zeit zu uns kam. Wir sind aber froh, bei diesen beiden Songs zusammen gearbeitet zu haben und sehr glücklich darüber, wie beide Stücke nun klingen.

Zwei weitere fantastische Stücke sind We Got The System To Fight The System und They´ll No More Suffer From Hunger. Sie haben einen tollen Drive und stellen eine Brücke zu den früheren Alben von MASERATI dar. Waren das die ersten Lieder, die ihr für das Album geschrieben habt?

We Got The System To Fight The System war in der Tat der erste Song, den wir für Pyramid Of The Sun geschrieben haben. They´ll No More Suffer From Hunger war aber eigentlich der letzte Song, den wir für das Album fertig gestellt haben, nachdem wir anfangs nur einzelne Teile dafür hatten. Wir haben uns monatelang die Köpfe zerbrochen, und an dem Tag, als wir den Song schließlich vervollständigten, brachte Coley einige seiner verrückten Solos und Ideen in der Mitte daher. Er ist großartig darin, mit spontanen Ideen die Musik aufzupeppen. Und es macht Spaß ihm dabei zuzusehen.

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Jerry zeigte ein sehr gutes Händchen für Songwriting und Schlagzeugarbeit auf diesem Album und das wollten wir die Leute einfach hören lassen. MASERATI möchten das Andenken an Jerry Fuchs (zweiter von links) bewahren.

Welche Bands haben euch beim Songwriting inspiriert? Ich tippe darauf, dass ihr eher von den Siebzigern und Achtzigern beeinflusst wurdet. War damals alles besser?

Wir werden von vielen unterschiedlichen Dingen und von vielen unterschiedlichen Äras und Genres inspiriert. Songs wie They´ll No More Suffer From Hunger und Goodbye M´Friend, Goodbye sind eher von Rockbands wie WIPERS und AC/DC inspiriert. Für Lieder wie They´ll No More Suffer From Thirst und Oaxaca standen eher Italo Disco und MORODER Pate. Die Gitarren auf Monoliths von Passages waren ursprünglich ein Versuch, von DAFT PUNK zu klauen.

Die Gitarren und Bassspuren klingen, als hätte es seine Zeit gedauert, den richtigen Sound für jede Stelle zu finden. Habt ihr das im Studio ausgearbeitet?

Wir haben viele verschiedene Amps, Effektpedale, Aufnahmeräume und Mikrophone verwendet, um unterschiedliche Klangfarben zu erzeugen. Schlussendlich hatten wir bei diversen Stellen fünfzehn Gitarrenspuren und regelten sie im Mix leiser und lauter. Es ist nicht so, als hätte all das besonders viel Zeit verschlungen, aber wir dokumentierten so ziemlich alles und optimierten dann alles beim Mix.

Wie lief speziell für Pyramid Of The Sun die Studioarbeit ab? Wie lange dauerte es, bis ihr wieder angefangen habt zu arbeiten, nach all dem, was passierte?

Die Aufnahmen an sich dauerten nicht allzu lange. Wir nahmen vier Tage lang im Juli 2009 auf, dann sieben Tage lang im April 2010. Es war das Jahr, das uns an an den Beginn der Aufnahmen heran führte, die Monate danach forderten ihre Zeit, da wir neue Musik schrieben.

Neben Pyramid Of The Sun habt ihr eine LP namens Pyramid Of The Moon, die den Titelsong und einen Remix dessen enthielt. Welche Geschichte steckt hinter diesem Release?

Vor der Woche, die wir im Juli 2009 im Studio verbrachten, hatte Jerry eine Idee, wie man Pyramid Of The Sun verschönern könnte und schrieb ein erweitertes Ende für das Lied. Wir haben darauf ein paar Mal gejamt, gingen ins Studio und Jerry zeichnete eine Art Grafik oder Diagramm für den Song. Wir nahmen die Drums und ein paar andere Instrumente zu dieser Zeit auf, aber es wurde nicht wirklich was daraus, bis zum April 2010 in Austin, Texas. Pyramid Of The Moon war also ursprünglich gedacht als erweitertes Ende für Pyramid Of The Sun. Als wir die Rough Mixes heraus gaben, meinte Jeremy deVine, der Chef unseres US-Labels TEMPORARY RESIDENCE, wir sollten Pyramid Of The Sun und Pyramid Of The Moon lieber als zwei unterschiedliche Veröffentlichungen herausbringen und unterschiedlich abmischen. Pyramid Of The Sun wurde mit dem Rest des Albums, und Pyramid Of The Moon zusammen von Jeremy und John Congleton gemischt.

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Einige Songtitel haben wir entliehen vom Album 666 von APHRODITE´S CHILD, sowie dem mexikanischen Pyramiden-Zeug. Nein, Pyramid Of The Sun erzählt keine Story.

Die Artworks beider Veröffentlichungen passen sehr gut zusammen. Ich mag den Stil, sie sehen recht retro aus. Welcher Künstler hat sie gestaltet?

Das war Adam Fuchs, Jerrys Bruder. Der Junge ist ein Genie.

Pyramid Of The Sun ist ein schöner und passender Albumtitel. Einerseits ein Tribut an eine Gottheit, andererseits ein Ort der Ruhe. Zusammen mit dem Symbol der Sonne, klingt das nach einem Monument für Jerry.

Es ist viel einfacher. Die Sonnen- und Mondpyramide steht als Referenz für die antike Stadt Teotihuican in Mexiko. Unser Gitarrist Coley verbrachte dort seine Flitterwochen und war davon eine Zeitlang wirklich besessen. Recht viel tiefer geht die Bedeutung des Titels nicht.

Seltsam, denn auch die Songtitel klingen bedeutungsvoll und teilweise auch poetisch. Folgen diese einfach dem Gefühl der Musik, oder wollt ihr eine Story erzählen?

Ehrlich gesagt, gibt es hier keine wirkliche Story. Die meisten Songtitel klangen einfach cool und passten zur Songidee. Einige Titel haben wir entliehen vom Album 666 von APHRODITE´S CHILD, sowie dem mexikanischen Pyramiden-Zeug.

Bye M´Friend, Goodbye am Ende ist ziemlich eindeutig. Hat dieses Stück seinen Titel erhalten, weil es das letzte Stück war, das Jerry eingespielt hatte?

Jerrys jüngerer Bruder Adam gab dem Song seinen Namen. Es war in der Tat das letzte Stück, das wir mit Jerry geschrieben und aufgenommen haben.

Im kommenden März werdet ihr wieder nach Europa kommen. Was dürfen wir von diesen Konzerten erwarten?

Wir freuen uns wirklich sehr drauf mit GUNTER SCHICKERT zu touren – unserer Meinung nach eine echte Krautrock-Legende. Ansonsten werden wir die meisten Songs des neuen Albums und auch ein paar ältere Stücke spielen.

Was wird danach passieren? Werdet ihr mit einem neuen Schlagzeuger weiter machen oder das Kapitel MASERATI beenden?

Das wissen wir noch nicht.

Matt, danke für deine Zeit. Wenn du noch etwas loswerden willst, bitte sehr.

Danke fürs Zuhören.

Fotos: Titelbild und Artwork (c) Golden Antenna Records, Schwarzweiß-Bild (c) Fred Weaver, Poser-Bild (c) MASERATI

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