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FISSION: Bodenständig und doch abstrakt, oder: Thrash Metal fürs Wohnzimmer

Ein ungewöhnliches Projekt ist es durchaus, was Andreas Hedlund alias Vintersorg zusammen mit seinem Live-Drummer Benny Hägglund als neues Futter für die Fans veröffentlicht hat: Weg von progressiven Folk- und Black Metal-Elementen, hin zu saftigem Thrash ist die Devise von FISSION. Doomster und Captain Chaos nahmen den den gutgelaunten Andreas Hedlund in die Mangel, was es denn mit dem Projekt FISSION und deren Debütalbum "Crater" auf sich hat.

Ein ungewöhnliches Projekt ist es durchaus, was Andreas Hedlund alias Vintersorg zusammen mit seinem Live-Drummer Benny Hägglund als neues Futter für die Fans veröffentlicht hat: Weg von progressiven Folk- und Black Metal-Elementen, hin zu saftigem Thrash ist die Devise von FISSION. Nach einer Autogrammstunde auf dem diesjährigen Summer Breeze rissen Doomster und Captain Chaos den gutgelaunten Andreas Hedlund von seinen Fans weg und nahmen ihn in die Mangel, was es denn mit dem Projekt FISSION und deren Debütalbum Crater auf sich hat.

Du hast mit VINTERSORG auf dem Dong Open Air gespielt, nachdem das fürchterliche Unwetter war. Da viele Leute zu dieser Zeit schon weg waren, unter anderem weil sie dachten euer Auftritt wäre buchstäblich ins Wasser gefallen: Wie empfandest du das Konzert und das Festival an sich?

Es war das totale Chaos, wir übernachteten aber glücklicherweise in einem Hotel. Wir berieten uns, ob wir auftreten sollten, aber nachdem die PA nicht so zerstört war, als das man nicht mehr darüber spielen hätte können, sagten wir uns: Jetzt sind wir schon hier, jetzt spielen wir auch und haben Spaß. Die Fans haben dafür bezahlt und daher wollten wir denen, die da waren auch noch was bieten.

Wir waren jedenfalls überrascht, dass du Deine Haare abgeschnitten hast, die Mädchen im Publikum waren alle geschockt. Suchst du einen Job, oder ist an der Perückengeschichte, über die man munkelt, was dran?

Nun, ich schnitt sie ab, weil ich über 18 Jahre lang die Haare lang trug, was über die Hälfte meines Lebens ist. Wie es jetzt ist, gefällt es mir sehr gut. Irgendwann gingen sie mir einfach auf die Nerven. Aber es stimmt, ich gab diese Haare her, woraus Perücken für krebskranke Kinder gemacht wurden.

Du bist nicht gerade als Thrash Metal-Ikone bekannt, lebst du mit FISSION eine Seite aus, von der Deine Fans nichts wissen?

Ich habe einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack, daher habe ich auch einige Thrash Metal-Scheiben im Schrank stehen. Ben fragte mich eines Tages, ob ich zu einigen Songs, die er geschrieben hatte, nicht die Vocals machen wollte. Bei den Vocals blieb es nicht, ich steuerte auch Keyboards ein, und die Musik gefiel uns immer besser, die Zusammenarbeit wurde immer ernster, und daraus entstand FISSION. Wir schrieben so gute Songs, dass wir es als schade empfunden hätten, hätten wir sie nicht aufgenommen und der Masse zugänglich gemacht. Mit Napalm Records arbeite ich eh schon durch VINTERSORG zusammen und somit unterstützen sie uns auch in dieser Beziehung. Die Arbeitsweise ist auch anders, als ich sie gewohnt bin, Benny schreibt die Riffs und das restliche Grundgerüst und ich denke mir nur die Gesangslinien und die Keyboards aus. Das Songwriting bei VINTERSORG und BORKNAGAR läuft nicht so locker ab.

Auf Crater finden sich viele typische VINTERSORG-Elemente wieder. Kommen die automatisch, wenn du Musik schreibst?

FISSION
FISSION: Einfach zwei Kerle, die zusammen arbeiten

Würdest du meine Vocals von Crater wegnehmen, wäre dieser Einfluss auch weg. Gerade die Gitarren gehen straighter nach vorne, thrashig eben. Meine Vocals sind einfach mein Markenzeichen und werden ganz einfach in erster Linie mit VINTERSORG verbunden. Ich denke nicht, dass dies etwas Schlechtes ist, denn ich wiederhole mich ja nicht ständig selbst und bleibe nicht auf einer Stelle stehen, daher gibt es den Hörern immer die Gewissheit, dass wirklich ich dahinter stecke.

Benny schreibt also die Riffs und du kümmerst dich um die Feinheiten. Kann man sagen, es ist mehr sein Projekt denn deines?

Irgendwie schon, aber dieses Mein-Projekt-Dein-Projekt-Schema ist uns nicht so wichtig. Wir sind einfach zwei Leute, eine Einheit, die zusammenarbeiten und unsere Visionen verschmelzen lassen und wollten das beste Album machen, das uns möglich war. Wir bezeichnen es nicht als Benny´s oder Vintersorg´s Projekt, wir sind einfach zwei Kerle, die zusammenarbeiten. Aber es stimmt, Ben konzentriert sich auf das Wesentliche, ich arbeite an den Gesangslinien, Keyboards sowie ein paar Arrangements.

Du bist nicht gerade ein Aushängeschild in Sachen Thrash Metal. Warum hat Benny dich ausgewählt und nicht Leute von THE HAUNTED beispielsweise?

Wir sind zusammen aufgewachsen und kennen uns schon 15 bis 20 Jahre. Er spielt die Live-Shows für VINTERSORG und wir hatten zuvor schon viele Bands und Projekte. Er fragte mich, ob ich die Vocals für FISSION machen sollte und ich stimmte zu. Wir wollten schon lange zusammen eine neue Band starten.

Wenn es euch dann so ernst ist…

Nein, wir werden weder Touren noch einzelne Auftritte absolvieren. (lacht)

Bist du traurig darüber, dass Benny als Initiator von FISSION nicht die gebührende Aufmerksamkeit von der Presse und den Fans erhält?

Ja, es ist schade, doch Benny macht es nichts aus, ihm gefällt es besser im Hintergrund zu bleiben. Mit meinem Namen wird geworben, was aus Sicht von Napalm Records auch irgendwo logisch ist, daher wissen die Fans eher, auf was sie sich einlassen und FISSION erreichen mehr Leute. Das ist typische Label-Politik. Doch FISSION steht im Endeffekt für sich selbst und es ist schön, wenn die Leute abseits bekannter Namen sagen: Das ist ein cooles Album.

In unserem Review stand sinngemäß, dass FISSION Thrash Metal fürs Wohnzimmer machen. Kannst du dem zustimmen?

Ja, ich habe es gelesen. Der Vergleich kommt hin, denke ich.

Ist FISSION eine einmalige Sache, oder wird es einen Nachfolger zu Crater geben?

Ja, wir haben einen Vertrag für drei Alben bei Napalm Records unterschrieben, also werden wir weitermachen.

Wird dennoch dein Hauptfokus auf VINTERSORG und BORKNAGAR liegen?

Eigentlich habe ich so etwas wie einen Hauptfokus nicht, ich stecke nur meine Prioritäten je nach Bedarf. Ich habe nicht so etwas wie eine Hauptband und einige Nebenprojekte.

Stell dir vor, du sitzt im Bus und hast plötzlich eine Songidee. Woher weißt du, für welche Band du diese Idee einsetzt?

Das ist sehr einfach, denn es kommt ganz natürlich. Ich denke da gar nicht drüber nach. VINTERSORG-Songs entstehen nur selten durch Geistesblitze und bei BORKNAGAR ist Oystein der Songwriter, was nicht heißen soll, dass ich mich da nicht einbringen darf. Aber die Vocals müssen auf die Riffs abgestimmt werden. Bei sowas denke ich nie drüber nach, es kommt alles ganz von selbst.

Auf Crater sind viele Soundeffekte vorhanden, die beim ersten Mal hören gar nicht auffallen aber wichtig für die Songs sind. Wie lange dauerte es, bis ihr alle Details ausgearbeitet habt?

Wenn man Metal in dieser Richtung spielt, ist es sehr leicht zu einer identitätslosen 08/15-Band zu werden. Wir versuchen uns davon abzuheben, dafür nutzen wir die Keyboards und meine klaren Vocals, außerdem bringen wir etwas Industrial ein. Damit dies alles zusammenpasst, müssen wir uns sehr viel mit Details abgeben. Es kann sein, dass man an kleinen Details stundenlang arbeitet, aber wichtig ist nur, was dabei rauskommt, dass es gut klingt und sich von der Masse abhebt.

Es gibt nicht sehr viele Standard-Keyboard-Sounds auf Crater zu hören. Kreierst du deine Sounds am Synthesizer selbst?

Sowohl als auch, machmal nutze ich Original-Sounds, aber es stimmt, ich tüftle selbst gerne rum, um einzigartige Klänge zu erschaffen.

Außer den Drums habt ihr alles selbst aufgenommen. Um wie viel mehr seid ihr mit den Aufnahmen zufrieden, nachdem ihr für Crater selbst das Ruder in der Hand hattet?

In der Tat sind wir zufrieden, denn wir haben einen Sound jenseits des Standards erreicht. Wir sind nicht vollkommen originell, da viele Elemente unserer Musik schon wo anders herkommen, aber wir haben zumindest einen einzigartigen Sound. Alle Studios haben einen charakteristischen Klang, davon wollten wir weg. Wir schreiben momentan an neuen Songs für das nächste Album, welches sich trotzdem vom Sound von Crater unterscheiden wird.

Wir finden, der Sound ist etwas dünn…

Vielleicht hast du recht, aber wir wollen Drums, die sich auch wie Drums anhören und Gitarren, die nach Gitarren klingen. Ein natürlicher Sound, bei dem man dennoch alle Details raushört, das war unser Ziel.

Gehört das sehr dynamische Mastering dazu?

Wenn du live spielst, hört sich das alles sehr natürlich an, deshalb mussten wir das beim Mastern auch beachten. Nicht alles durfte den gleichen Lautstärkepegel haben.

Habt ihr das Mastering auch selbst übernommen?

Nein, wir gaben Crater zum Mastern in ein Studio nach Norwegen. Er machte echt gute Arbeit.

Ein sehr spontaner Sound für ein sehr spontanes Album?

Ja, so ist es.

Das
Das Cover von Crater

Das Artwork ist recht simpel, viel einfacher als bei VINTERSORG oder BORKNAGAR. Bei der Musik verhält es sich genauso. Gibt es da einen Zusammenhang zwischen Musik und Artwork?

Nicht wirklich, wir wollten einfach ein Cover, das wirklich weit weg ist von BORKNAGAR und VINTERSORG, es sollte einfach weder kommerziell noch ausgelutscht aussehen und die Musik passend unterstützen.

Die Texte sind metaphorischer und weniger abstrakt als bei VINTERSORG. Willst du somit FISSION von deiner anderen Band abgrenzen?

Wir wollten Lyrics, die zur Musik passen, aber nicht zu sehr an den anderen Bands hängen. Mir FISSION zeige ich eine andere Seite von mir und spreche auch andere Themen an. Auch das Artwork hat nur indirekt mit dem Titel und den Texten zu tun, der Krater, um den es geht, ist weniger physischer, aber mehr psychischer Natur.

Die Texte sind geschrieben wie für VINTERSORG, fühlen sich aber aggressiver an, passen mehr zu Thrash Metal.

Ja, sie sind viel aggressiver. Sie sind weniger emotional, wir verarbeiten die Gesellschaft mit all ihren Schattenseiten. Es sind richtige Texte über Verrücktheit, geschrieben aus Verrücktheit herraus. Ich mag das.

Als ich den Refrain zu Accelerator gelesen habe, dachte ich zuerst: NAPALM DEATH?

Ja, es stimmt schon, es ist etwas im Stil von der Mensch gegen die Gesellschaft.

Solche Texte habe ich von dir ehrlich gesagt nicht erwartet, ich dachte dich interessieren spirituelle Themen viel mehr.

Ich bin an jedem Aspekt der Menschheit interessiert. Hier sind die Texte halt direkter, bodenständiger.

Du hattest Projekte und Bands in allen möglichen Genres, Black-, Thrash-, Folk- und Gothic Metal. Deine Stimme passt zu jeder erdenklichen Richtung. Könntest oder möchtest du in einem bestimmten Genre nicht aktiv sein?

Es liegt eher am Können. Ich höre jede erdenkliche Musikrichtung, ich mag wirklich sehr viel. Ich habe zu Hause ein paar Projekte, die ich nur für mich selbst verfolge. Progressive Rock zum Beispiel, das mache ich nur für mich, nicht auf einem professionellem Level.

Würde Mieszko von NASUM dich bitten auf deren Album ein paar cleane Passagen einzusingen, würdest du es nicht ablehnen?

(lacht) Nein, das würde ich nicht.

Könnten diese Projekte, die du zu Hause verfolgst eines Tages größer, professioneller werden?

Das kommt darauf an, ob ich genügend Material zusammen bekomme, das auch wirklich gut ist. Aber warum nicht?

VINTERSORG, BORKNAGAR, FISSION, Freundin, Kind, Studium. Wie schaffst du das?

Ach, es kommt nur darauf an, wie man seine Prioritäten setzt. Zeit ist mein größter Feind, aber andererseits spiele ich auch nicht drei Stunden lang Play Station, ich setzte mich lieber zu Hause hin und mache Musik. Ich verurteile hier nichts, aber ich interessiere mich dafür einfach nicht. Auf Tour ist es sehr schlimm, du hast nur eine Stunde am Tag was zu tun, der Rest besteht aus warten. Zeitverschwendung. Ich nutze meine Zeit immer so produktiv wie möglich.

Bist du ein Stubenhocker?

Nicht komplett, ich gehe schon ab und zu mal aus, aber lieber bin ich bei meiner Familie. Meine Musik und mein Studium ist mir auch sehr wichtig, wichtiger als mir die Nächte um die Ohren zu schlagen.

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