Bei den Freiburgern von FEAR MY THOUGHTS hat sich in den vergangenen Monaten viel getan. Ein Sängerwechsel, ein neues Album und eine radikale musikalische Kurskorrektur. Genug Gründe also, um u.a. über die neue CD, die Abkehr vom Melodic Death Metal und Neuzugang Martin Fischers Einfluss auf den Stilwechsel zu sprechen. Gitarrist Patrick Hagmann stand mir per E-Mail Rede und Antwort.
Hallo Patrick! Erstmal Gratulation zum neuen Album, das nicht nur einen mutigen Schritt nach vorne darstellt, sondern mit Sicherheit auch das Fanlager in zwei Hälften spalten wird. Wie ist bisher das Feedback von Fans und Presse ausgefallen? Immerhin kann man „Isolation“ doch in gewisser Weise als „Stilbruch“ betrachten.
Hallo! Danke für die Blumen! Du hast Recht, die Reaktionen sind sehr gespalten! Aber besser so im Gespräch zu sein, als gar nicht beachtet zu werden, ha ha. Die Pressereaktionen sind fantastisch bisher. Besser kann es kaum laufen. Wir haben das echt nicht so erwartet.
Insbesondere in eurem MySpace-Gästebuch gab es neben viel Lob auch eine Menge Kritik von Fans, die mit dem Stil der beiden Preview-Songs so ihre Probleme hatten. Wie geht ihr als Band damit um? Können die Leute, die euch im Voraus schon die Anhängerschaft gekündigt haben, überhaupt noch als richtige Fans bezeichnet werden?
Wir waren natürlich darauf vorbereitet, dass diese Reaktionen kommen. Wir können das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, aber wenn das Ganze dann in Beleidigungen unter der Gürtellinie endet, frage ich mich echt, ob manche Leute nichts besseres in ihrem Leben zu tun haben als anonym via Internet andere Leute primitiv zu beschimpfen.
Natürlich finden wir es schade, wenn Menschen, die sich vorher als Fans bezeichnet haben, sich nun von uns abwenden. Aber ehrlich gesagt muss unsere Musik erstmal uns selbst gefallen und musikalisch befriedigen, erst dann können wir an die Öffentlichkeit denken.
„Wir waren etwas ausgebrannt vom Stil der vorherigen Platten.“
Euer neuer Frontmann Martin (Fischer, Vocals – Anm. d. Verf.) ist stimmlich ein vollkommen anderer Typ als es Mathias (von Ockl, ehem. Sänger – Anm. d. Verf.) war und nebenbei ein klasse Sänger. Inwiefern haben sein Einstieg und seine gesanglichen Fähigkeiten zum neuen Sound beigetragen?
Als Martin zu FEAR MY THOUGHTS kam, stand bereits ein Drittel des Materials. Wir wollten dann auch, dass er sich im Songwriting mit einbringt, da er auch ein großartiger Gitarrist und Pianist ist, und eine Menge von Musiktheorie versteht. Insofern hat er schon einen ausgewogenen Teil zum Album beigetragen, wobei er eher der war, der die abgefahrenen Ideen hatte und in der Regel den straighten und poppigen Arrangements eher kritisch gegenüber steht. Viele Leute denken ja jetzt, dass er vor allem für die „mainstream-parts“ verantwortlich ist. Eher im Gegenteil, ha ha. Er steht sehr auf Bands wie MESHUGGAH und THE DILLINGER ESCAPE PLAN (wir natürlich auch)!
War der Stilwechsel etwas, das die Band schon lange machen wollte und sich nun endlich die Möglichkeit dazu bot, oder hat sich diese Entwicklung erst in den Proben mit Martin ergeben?
Nachdem Mathias ausstieg, haben wir überlegt, wie es weitergehen sollte. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Chance nutzen und vielleicht eine Art Neuanfang wagen sollten, da alle in der Band das Gefühl hatten, wir müssten mal mit allen unseren Ideen und Einflüssen rausrücken und diese verarbeiten. Wir waren etwas ausgebrannt vom Stil der vorherigen Platten und hatten auch das Gefühl, dass wir in dieser Richtung alles Relevante gesagt hatten. Wir hassen Stagnation und Wiederholung. Das passt einfach nicht zum Selbstverständnis dieser Band.
Ihr habt „Isolation“ in eurem bandeigenen Studio aufgenommen und auch selbst produziert. Was hat euch dazu bewegt, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen, anstatt beispielsweise ein weiteres Mal mit Jacob Hansen (Produzent des letzten Albums – Anm. d. Verf.) zusammenzuarbeiten?
Jacob Hansen ist großartig, aber schon bei „Vulcanus“ merkten wir, dass wir diese sterilen, cleanen Hochglanz-Bombast-Produktionen etwas leid waren. Wir wollten diesmal eine sehr rauhe, erdige Produktion mit viel Live-Feeling. Diese künstlichen Produktionen lassen sich ja live gar nicht umsetzen!
Und das ist euch auch gelungen! Das Ergebnis ist meiner Meinung nach vergleichsweise rau und erdig ausgefallen, aber dennoch transparent, was der CD wirklich gut tut und nicht unwesentlich zu der dichten Atmosphäre beiträgt, die „Isolation“ auszeichnet.
Das war unser Ziel! Der reale Sound von zwei Gitarren, einem Bass, einem Drumset und einer Stimme. Das findest du heutzutage nur noch selten.
„Es ist kein Konzeptalbum, aber es gibt einen roten Faden.“
Euer Gitarrist Markus (Ruf – Anm. d. Verf.) zeichnet sich persönlich für das Artwork verantwortlich, das den Titel der Platte wirklich schön einfängt. Trotz allem Prunk und Dekadenz schwingt auf dem Bild eine gewisse Trostlosigkeit mit. Materieller Reichtum ist eben nicht alles oder?
Das ist, denke ich, auch eine Interpretationsmöglichkeit für das Artwork. Prunk, Reichtum, Statussymbole haben schon immer eine große Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt (nein, auch früher war nicht alles besser!). Im Endeffekt sind wir aber doch alle gleich, wenn wir unseren letzten Weg antreten.
Hat Markus auch das Layout für das Booklet etc. entworfen?
Ja, er hat alles gemacht!
Die Texte liegen mir leider nicht vor, aber es drängt sich die Vermutung auf, dass sich das Thema Isolation und Ausgegrenztheit auch inhaltlich wie ein roter Faden durch die Songs zieht.
Das stimmt. Es ist kein Konzeptalbum in dem Sinne, aber es gibt schon eine Art roten Faden. Z.B. wiederholen sich manche Schlagwörter des Öfteren. Die Grundstimmung ist wirklich viel düsterer und dunkler als auf unseren alten Scheiben; das mögen ja manche nicht glauben. Martins Texte sind sehr persönlich, autobiographisch und metaphorisch. Ich kann da leider nur sehr wenig darüber sagen. Er will leider nicht mit dem tieferen Sinn herausrücken. Aber ansonsten ist er eine ziemliche Frohnatur, ha ha.
„Death Chamber“ ist eines der intensivsten Stücke des Albums. Kannst du kurz erklären, worum es in dem Song geht? Koma? Todesstrafe?
Das frage ich mich ja ehrlich auch. Aber ich denke, es geht nicht um die Todesstrafe, sondern eher um einen Gemütszustand oder eine Gefühlslage, die sehr hoffnungslos erscheint.
Man könnte bei dem Track fast meinen, dass jemand in der Band in letzter Zeit sehr viel MESHUGGAH gehört hat.
Ein gewisser Einfluss dieser großartigen Band ist nicht zu leugnen!
„Unsere Idee für diese Band ist: Keine Limits, keine Kategorien, keine Schubladen“
„Through The Eyes Of God“ scheint von einer Person zu handeln, die keinen Sinn in ihrem Dasein sieht und so den Freitod wählt. Während sie dem Ende entgegen treibt, bemerkt sie, dass es ein Fehler gewesen sein könnte – daher die Textzeile: „We try to cheat but then we betray.“ Versucht der Mensch also, den Lauf der Natur zu betrügen, hintergeht sich dabei jedoch selbst?
Ich denke auch, dass es bei diesem Song um Sinnsuche geht. Jeder Mensch ist, denke ich, auf irgendeine Art und Weise bemüht, eine Spur in der Geschichte zu hinterlassen und somit vielleicht auch den natürlichen Lauf der Dinge zu überlisten. Sei es in einer Band zu spielen, ein Buch zu schreiben oder Kinder zu bekommen, die den Stammbaum am Leben erhalten.
Mit seinem eingängigen Refrain gefällt „Bound And Weakened“ sogar meiner Freundin, die nichts mit Metal am Hut hat, richtig gut. Spiegelt der Song in gewisser Weise auch eure Einstellung zur Musik wider? Keine Grenzen, kein fest vorgegebener Rahmen, an den man sich halten muss?
Genau, das war schon immer unsere Einstellung. Wenn man sich alle sechs unserer Alben anhört, wird man feststellen, dass lediglich die letzten beiden sehr viel straighten Melodic Death Metal beinhalteten, aber früher auch schon ganz viele andere Einflüsse verarbeitet wurden. Unsere Idee für diese Band ist: Keine Limits, keine Kategorien, keine Schubladen, keine Grenzen, keine Scheuklappen. Was gefällt, wird verarbeitet, auch wenn es Pop-Songs sind.
„Dumb, Deaf And Blinded“ ist exklusiv auf der limitierten Auflage von „Isolation“ enthalten. Gab es besondere Gründe, warum es die Nummer nicht auf das reguläre Album geschafft hat?
Das Label wollte einfach noch einen exklusiven Song in der Hinterhand haben. Wir hatten diesen Song, wir mögen ihn sehr, waren aber der Meinung, dass er den Flow des Albums am Ende mehr stört, als andere.
„Wir mögen es momentan, alte und neue Songs zu mischen.“
Ich durfte Martin (Fischer, Vocals – Anm. d. Verf.) bereits letzten Oktober im Freisinger Lindenkeller bei einem seiner ersten Auftritte mit FEAR MY THOUGHTS erleben, wo er schon erstaunlich souverän wirkte. War er zuvor schon in anderen Bands aktiv? Wie ist der Kontakt entstanden?
Martin ist Vollblutmusiker und schon seit langem ein enger Freund der Band. Er spielte schon in anderen Bands und ist auch noch bei MONGOUSE und BACKSLIDES aktiv, wobei er sein Engagement dort natürlich etwas zurückschrauben musste. Er war früher schon mit uns als Merchandiser und Aushilfsbassist auf Tour. Somit gab es eigentlich keine Aufwärm- und Beschnupperungsphase, wir konnten gleich in die Vollen gehen!
Im Herbst werdet ihr zusammen mit DARK TRANQUILLITY auf Tour gehen. Wie viele andere freue ich mich schon, die neuen Stücke live zu hören. Ist „Isolation“ zugleich eine Art Neuanfang für die Band und steht dementsprechend im Vordergrund, oder darf man sich auf eine bunte Mischung aus alten und neuen Songs freuen?
Wir mögen es momentan, alte und neue Songs zu mischen. Die alten Sachen spielen wir ja auch noch gerne. Der Mix hat live eine große Dynamikspanne, das macht es echt spannend und abwechslungsreich.
Zum Abschluss noch zu einem ganz anderen Thema: Music-Games wie „Guitar Hero“ und „Rock Band“ erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Mit AT THE GATES, IN FLAMES und SLAYER waren auch schon diverse Metal-Acts vertreten. Wie stehst du zu dieser Art der Promotion? Würdet ihr als Band, falls sich die Gelegenheit bieten würde, selbst einen Song beisteuern wollen? Welchen?
Ich fände das echt lustig, bei sowas gefeatured zu werden, vor allem auch zwischen Größen wie Slayer etc. Was echt krass ist, ist die Tatsache, dass Gitarristen meist die schlechtesten „Guitar Hero“–Zocker sind, ha ha.
Bandfotos und Cover-Artwork (c) Century Media