ELLEREVE Promo-Foto (c) Laura Patricia

ELLEREVE: Lieber groß als zu klein denken!

Frühlingsgefühle verschafft Elisa Giulia Teschner alias ELLEREVE Freund*innen von melancholischer, emotionaler Musik mit ihrem beachtlichen Debütalbum „Reminiscence“, auf dem sie Shoegaze, Singer-Songwriter und Postrock sehr natürlich verschmelzen lässt. Sie besticht nicht nur mit ihrem sicheren Händchen für Songwriting, sondern auch mit ihrer kraftvollen Stimme. Grund genug einen Fragenkatalog mit Themen wie Herkunft, Teamarbeit, Selbstliebe und Black Metal in Richtung Starnberger See zu schicken, den Elisa ausführlich beantwortet.

ELLEREVE erschien vor kurzem recht neu und unvermittelt auf meiner musikalischen Landkarte, und generell ist der Name Elisa Giulia Teschner recht unbeschrieben. Welche musikalische Prägung hast du und seit wann bist du als Musikerin aktiv?

Ich würde sagen, meine Mutter hat definitiv die Liebe zur Musik in mir sehr früh geweckt. Bei uns zu Hause lief einfach immer Musik und sie hat mich mit 7 Jahren zu den ersten Konzerten mitgenommen. Zu dieser Zeit gab es für mich nichts schöneres als zu singen, auch wenn ich das meistens alleine für mich in meinem Zimmer getan habe. Ich war da ziemlich schüchtern und das setzte sich auch noch in meine Teenager-Zeit hinfort. Vor Anderen zu singen habe ich mich nicht getraut, deshalb geschah das meistens nur in meinem Zimmer und die einzige akzeptable Anwesenheit, war die meines damaligen Hundes, haha. Mein erstes richtiges Band Projekt startete ich mit 19 Jahren als es mich von einer Kleinstadt in Baden-Württemberg nach München zog.

Vor ELLEREVE hattest du noch ein anderes Projekt, VARO, das eher im elektronischen Pop angesiedelt war. Sind VARO noch aktiv? ELLEREVEs Debüt-EP „Heart Murmurs“ und die CD-Bonustracks gehen auch in diese Richtung. Hat ELLEREVE also VARO abgelöst?

Der Entstehungsprozess von ELLEREVE gestaltete sich in einer Zeit, in der ich sehr frustriert war von der Band Dynamik bei VARO und sich immer wieder Enttäuschungen und Rückschläge wiederholten. Ich wollte nicht mehr abhängig sein von anderen und mich auch ohne deren Anwesenheit kreativ ausleben können.

Interessant, dass du „Heart Murmurs“ in eine ähnliche Richtung einordnest. Nach meinem Empfinden sind die Stücke um einiges reduzierter, da ich mir zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht sicher war, ob ich ELLEREVE in voller Band Besetzung performen möchte. So richtig loslassen konnte ich VARO noch nicht und dachte anfangs, ich würde beide Projekte parallel laufen lassen, letztendlich habe ich dann aber realisiert, dass ELLEREVE ein Befreiungsschlag für mich war. Nachdem sich in Sachen Zuverlässigkeit und Engagement bei den anderen Mitgliedern von VARO keine Besserung auftat, konnte ich dieses Kapitel auch endgültig schließen. Nach den ersten Konzerten mit ELLEREVE inklusive Live Band wurde mir auch klarer wie ich das Projekt positionieren möchte und vor allem auch in welche Richtung ich damit musikalisch gehen kann. Die Entwicklung von „Heart Murmurs“ zu „Reminiscence“ beschreibt diesen Weg ganz gut, denke ich.

“Nahbar und verletzlich zu sein ist mir dahingehend wichtig und das schätze und bewundere ich auch bei anderen Künstler*innen.” – Elisa  Guilia Teschner aka ELLEREVE fällt es nicht schwer, sich direkt zu zeigen.

Du hast für dich ein Pseudonym gewählt, ELLEREVE, das sich ableitet von „Elle rêve“ – sie träumt. Wieso veröffentlichst du unter einem Pseudonym – um dich von der Privatperson abzugrenzen?

Ich denke ein Pseudonym lässt auf jeden Fall mehr Spielraum für Fantasie und Interpretation. Das zumindest war auch meine Intention dahinter.

Du schreibst deine Songs oft spätnachts – ist das dann auch in einer Art Traumzustand, passend zum Pseudonym? Wie viel Bewusstsein und wie viel Unterbewusstsein ist beim Entdecken der Songideen dabei?

Das ist ziemlich ausgeglichen würde ich sagen. Mal verbringe ich Stunden lang damit, in einem Loop zu hängen und lasse mich treiben oder ich höre mir verschiedene Sounds von meiner Plug-in Library durch, erschaffe damit Klanglandschaften die mich wiederum zu etwas inspirieren. Manchmal setze ich mich aber auch ganz bewusst an den Schreibtisch, schnappe mir die Gitarre oder schreibe meine Gefühlswelt in Worten nieder, weil ich mich regelrecht von etwas „befreien“  oder „reinigen“ möchte.

Es ist ein ziemlich großer Schritt, als Solokünstler*in die eigenen Songs zu veröffentlichen. Auch wenn du eine Bandbesetzung dabei hast, ist klar, dass es deine Solostücke sind. Du gibst dabei viel von dir als Mensch preis. Ist es dir schwergefallen, dich so zu zeigen?

Die Kunst erschafft in diesem Fall emotionale Kommunikation, die man sonst vielleicht eher in großen Teilen verborgen hält. Mir fällt es nicht schwer, mich so zu zeigen, ganz im Gegenteil. Gerade weil ich vieles ohne das Ventil Musik wohl in mir verschlossen halten würde, hilft mir die Musik so mein authentisches Selbst zu leben und mich auszudrücken. Nahbar und verletzlich zu sein ist mir dahingehend wichtig und das schätze und bewundere ich auch bei anderen Künstler*innen.

ellereve-reminiscence-album-coverDas passt auch zum Artwork: Auf diesem Foto bist du zu sehen, das Gesicht verdeckt, zwischen Felsen, Wäldern und Flüssen, Elisa als Teil der Wildnis. Du scheinst mit der Natur verschmelzen zu wollen, als würde sie dich schützen. War das die Intention dahinter?

Zum einen hat die Natur einen sehr großen Stellenwert für mich in meinem Leben und ist auch ein wichtiger Teil meiner Inspiration bzw. meinem persönlichen Rückzugsort um mich selbst zu erden und um mich entfalten zu können, vor allem auch kreativ. Zum anderen steht sie im Kontext zum Album / Cover auch für all die rauen, so wie fragilen Seiten die sie besitzt. Ebenso für Loslassen, Abschied, Wachstum und Neuanfang und das sind Fragmente, aus der meine Musik geformt ist.

Dein Songwriting passiert meistens nachts, und Du produzierst vieles selbst aus. Ist diese Freiheit für dich mehr Segen oder Fluch? Stichwort: Unabhängig einerseits, ein paar fehlende externe Ohren andererseits? Oder hat deine Liveband Einfluss darauf, wie sich die Songs entwickeln?

Ja, diese Freiheit birgt wahrlich auch manchmal eine gewisse Stagnation und Verkopfung mit sich, aber meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile von dieser Unabhängigkeit.  Ich tendiere oftmals dazu, ganz viele verschiedene Parts zu schreiben, die eigentlich zu einem Song gehören, sich aber jeweils anhören als würde es sich um unterschiedliche Songs handeln, haha. In solchen Fällen hole ich mir gerne Rat ein, damit es nicht zu komplex wird und ich mal aus meinem Tunnel geholt werde. Außerdem zählt das Programmieren der Drums nicht gerade zu meinen Stärken, deshalb findet hier das finale Arrangieren definitiv im Proberaum mit der Band statt.

Generell, welchen Status hat deine Liveband? Seid ihr ein eingespieltes Team, sind die Musiker mehr als nur die Background-Band und in Entscheidungsprozesse, etc. involviert?

Also mit Darwin habe ich schon zu Zeiten von VARO zusammen musiziert. Wir sind musikalisch absolut auf einer Wellenlänge und er ist ein unglaublich guter Gitarrist. Ich schätze ihn sehr und wenn ich mal wieder mit einer Idee um die Ecke komme, die ich auf der Gitarre sicher nicht so gut spielen kann wie er, dann passiert es schon mal, dass ich ihm per Sprachnachricht „vorsinge“ wie ich mir die Gitarre vorstelle und er setzt das dann um. Ich finde es ist total wichtig, dass die Musiker*innen mit denen man zusammen spielt, den „Vibe“ der Musik erkennen und man in ähnlichen Gefilden unterwegs ist. Als Patrick mein Schlagzeuger hinzu kam, hat ELLEREVE nochmal ordentlich an Dynamik und Energie gewonnen. Er bringt das auf den Punkt, wonach ich  oft vergebens suche (wie oben schon erwähnt, ist das Programmieren von den Drums nicht gerade meine liebste Beschäftigung, hihi). Wir sind mittlerweile auf jeden Fall ein eingespieltes Team und die Anderen wissen um meine musikalische Vision, wenn man das denn so nennen kann, oder auch besser gesagt – sie können mein Songwriting gut lesen und ergänzen.

Was Entscheidungsprozesse angeht bin ich definitiv auch immer offen für den Input anderer. Ich würde aber sagen, das letzte Wort hat dennoch „Boss Elisa“ – so nennen mich die anderen ganz liebevoll hin und wieder, haha. Als Lucci am Bass dazu kam und ja mittlerweile auch für die Synths und diverse Sound Triggers zuständig ist, war ich anfangs noch skeptisch, aber wir haben es ausprobiert im Proberaum und ich habe mich davon überzeugen lassen und bereue nichts. Davon abgesehen, sind sie nicht nur meine Mitmusiker sondern auch Freunde geworden, das macht das ganze natürlich noch schöner, vertrauter und spaßiger.

“Unsere Vergangenheit muss nicht unsere Zukunft bestimmen und wir müssen uns nicht zum Opfer der Umstände machen.” – Elisa plädiert für Selbstliebe.

Gerade Bassist Salomon Appiah, der unter dem Namen 7Apes firmiert, firmiert auch als Produzent, spannenderweise eher im Hip Hop (wenn ich richtig gegoogelt habe). Wie kam die Zusammenarbeit zustande und inwiefern profitiert sie von dem genrefremden Blick Salomons?

„Genrefremd“… wenn die meisten nur wüssten was alles in Salo schlummert! Wir kennen uns schon sehr lange, wir sind in der selben Gegend aufgewachsen und Salomon hat damals zu Schulzeiten in einer Thrash Metal Band Bass gespielt. Ich kenne eigentlich fast niemanden der von Jazz bis Hip Hop zu Metal so einen breit aufgestellten Musikgeschmack hat und vor allem auch noch in diesen Genres ein richtig guter Musiker ist. Auch wenn er zwar vermehrt im Hip Hop-Bereich als Produzent arbeitet, schätze ich seine Expertise und auch Erfahrung in der Musikrichtung, die ich mache, sehr. Er ist zum Beispiel dafür verantwortlich, das „But Nowhere“ heute so klingt, wie der Song klingt. Ich kam mit drei unterschiedlichen Song Versionen davon bei ihm an und war völlig ratlos für welche ich mich entscheiden soll und er ermutigte mich dann mit ihm die heutige Version vom Album weiterzuentwickeln. Generell hole ich mir gerne von ihm eine zweite Meinung ein, wenn ich mir mal wieder nach stundenlangen Arbeiten in einem Projekt in Ableton nicht mehr sicher darüber bin, was ich da eigentlich fabriziert habe. Also kurzum gesagt: Salomon ist gar nicht so genrefremd wie man auf den ersten Blick vermuten könnte und wir schwärmen für viele gemeinsame Künstler wie z.B. RADIOHEAD, DEFTONES und TOOL.

In der relativ kurzen Zeit seit ELLEREVE existiert hast du schon in einigen Genres gewildert, angefangen vom wavig-poppigen Beginn hin, bin hin zu „Reminiscence“ war schon einiges dabei. Wolltest Du auf diese Art herausfinden, wo du dich als Songwriterin zu Hause fühlst?

Wenn es nach mir ginge, dann hätte der Tag mehr Stunden, oder man könnte auf Schlaf verzichten (auch wenn ich schlafen liebe, haha), so dass mehr Zeit für das Musik machen übrig ist und Instrumente lernen übrig ist. Ich glaube, ich hätte dann noch viel mehr Projekte in denen ich mich musikalisch ausleben würde, denn meine Ideen und auch mein persönlicher Geschmack sind sehr weitreichend. Dennoch würde ich behaupten, dass die Reise bis hin zum Sound der sich nun bei ELLEREVE zeigt ein wichtiger Entwicklungsprozess für mich war. Damit angefangen, dass ich mich früher in den ersten Band Projekten hauptsächlich nur auf den Gesang konzentrierte, ich aber zum heutigen Zeitpunkt fast alleine schreibe. Manchmal gräme ich mich aber, wieso ich das nicht schon viel früher getan habe.

„Reminiscence“ ist ungewöhnlich als Titel für ein Debütalbum, das wäre eigentlich der klassisch für eine Best of. Warum hast du diesen Titel gewählt? Weil du darin verschiedene Kapitel deines Lebens retrospektiv betrachtest?

Meiner Meinung nach gibt es da keinen Titel der unpassend oder passend bzw. in dem Fall gewöhnlich oder ungewöhnlich für ein Debütalbum ist. Es geht ja weniger darum, dass man sich auf das Veröffentlichen bezieht, sondern vielmehr wovon die Songs erzählen, wofür sie stehen und wie du schon richtig erkannt hast, sind es verschiedene Themen aus meinem Leben, oder auch Kapitel die ich geschlossen, verinnerlicht und verarbeitet habe. Es sind zwar einige Songs zukunftsorientiert wie zum Beispiel „In Infinite Light“ und „But Nowhere“, dennoch erinnern sie mich an eine bestimmte Lebensphase.

Ellereve Pressefoto (c) Laura Patricia
Ellereve Pressefoto (c) Laura Patricia

Auf „Reminiscence“ stehen einige Songs, bei denen es sofort „klick“ gemacht hat, besonders schön fand ich aber „I am Enough“. Da hat es sofort gefunkt, es ist am Anfang zerbrechlich und wird immer selbstbewusster. Sich selbst genug sein, das klingt so einfach, ist aber so ziemlich die größte Aufgabe, die manche Menschen vom Leben, von ihrer Prägung haben. Betrifft dich das auch und was bedeutet Selbstliebe für dich?

Selbstwert und Selbstliebe sind da auf jeden Fall die Schlüsselwörter und du bringst es auf den Punkt mit „Prägung“, denn all das formt sich in der Kindheit. Wenn man da nicht unbedingt stabile und positive Erfahrungen machen konnte, wird sich das im späteren Leben immer wieder zeigen, Muster wiederholen sich, negative Glaubenssätze manifestieren sich und beeinflussen das Leben und somit auch die Menschen die wir in unser Leben ziehen. Ich dachte früher immer, das wäre esoterischer Quatsch, aber wenn man sich eine Weile mit Psychologie beschäftigt, dann wird einem schnell bewusst, dass es absolut logisch nachvollziehbar ist. Unsere Vergangenheit muss nicht unsere Zukunft bestimmen und wir müssen uns nicht zum Opfer der Umstände machen. Es liegt auch immer die Chance darin an sich zu arbeiten, zu heilen. Ich habe mich selber viel mit solchen Prozessen beschäftigt, Persönlichkeitsentwicklung, Psychotherapie und mich dadurch intensiv mit mir auseinander gesetzt, allein das bedeutet auch Selbstliebe für mich. Sich um sich selbst zu kümmern, die eigenen Gedanken zu hinterfragen, die Trauer und die Unsicherheit auch mal zu umarmen, anstatt alles abzulehnen oder zu verdrängen.

Ein weiteres Lied, das mich sehr beeindruckt hat, ist „Cosmos“, das sich langsam aufbaut und sich erweitert, indem es um sich selbst kreist. Gibt es zu diesem Song eine Geschichte?

Rein vom Songwriting her gibt es auf jeden Fall die Geschichte dazu, dass „Cosmos“ ein Song ist, der mich ziemlich zum verzweifeln brachte… Zum Endpart hin gibt es einen Tonart Wechsel und ich habe lange mit mir gehadert, ob und wie ich das anstellen soll, vor allem weil ich ja auch eigentlich gar keine Ahnung von Musiktheorie habe, was mir da wohl zum Verhängnis wurde. „Cosmos“ erzählt von der Annäherung zweier Menschen, die versuchen in einem gemeinsamen und doch jeweils eigenen individuellen Kosmos zu existieren.

„The Empty Chair“ zeigt dann eher eine dunkle Seite des Albums. Anfangs fand ich den Song etwas sperrig, aber das Finale am Ende wirkt sehr befreiend. Klingt ein wenig, als hättest du hiermit eine Trennung verarbeitet. Stimmt das?

Ja, das stimmt. „Sperrig“ oder in dem Fall zermürbend, war es auch wie ich mich gefühlt hatte. Der Situation machtlos ausgeliefert, sah ich die einzige Möglichkeit hier wieder Kraft schöpfen zu können, alles zu ersticken und zu vernichten um loslassen zu können und frei zu sein. Deshalb auch das etwas brutale Musikvideo dazu, was sinnbildlich dafür steht.

“‘But Nowhere’ ist eine Kampfansage an die Zweifel und Ängste, getragen von Hoffnung, Selbstwirksamkeit und somit der Erkenntnis, dass es in der eigenen Macht steht glücklich sein zu können.” – Viele von ELLEREVEs Songs sind echte Kraftspender.

„In Infinite Light“ ist das Gegenteil davon. Das Stück ist heavy, hat aber etwas Feierliches, das passt auch zum Titel. Ich bevorzuge das Sprichwort: „Je dunkler die Nacht, umso heller die Sterne“. Was meinst du, passt das zusammen?

Oh, das ist ein sehr schönes Sprichwort, bzw. eine schöne Ansicht, und die finde ich auch stimmig. Außerdem bin ich der Meinung, kann man weder nur in der Dunkelheit, noch im Licht verweilen. Beides gehört zusammen und muss durchlebt werden. Je nachdem inwiefern man seine Dunkelheit lebt, so intensiv können dann auch wieder die Sterne strahlen.

„Somewhere“ und „But Nowhere“, passen vom Titel her gut zusammen, aber auch konzeptuell? Zumindest bauen die Songs nicht auf einem gemeinsamen Thema auf, richtig?

Ich würde schon sagen, dass sie auf ähnlichen Themen basieren, denn „Somewhere“ ist geprägt von Rastlosigkeit, Verzweiflung und Sehnsucht. „But Nowhere“ ist eine Kampfansage an die Zweifel und Ängste, getragen von Hoffnung, Selbstwirksamkeit und somit der Erkenntnis, dass es in der eigenen Macht steht glücklich sein zu können.

Klasse finde ich, dass die vier bisher nur digital veröffentlichten Singles auf der CD drauf sind, sie haben es auch wirklich verdient, vor allem „Ruins“. Die LP muss ohne diese Songs auskommen. Ist das vielleicht ein Anreiz, dieses im Abseits stehende physische Medium etwas attraktiver zu machen? Wie schaut es bei dir aus, bist du selbst noch Sammlerin von CDs, LPs oder Tapes?

Ehrlich gesagt war da keine konkrete Vermarktungsstrategie dahinter, das hat sich einfach so ergeben und ich habe diesen Vorschlag dankend angenommen, denn die Songs sind auch rund um „Reminiscence“ entstanden, also ist es gar nicht mal so abwegig, dass sie in dieser Form ein Teil davon sind.

Im Review habe ich EMMA RUTH RUNDLE und ZOLA JESUS als stilistische Eckpfeiler genannt. Gerade deine Stimme hat in manchen Stellen etwas von ERR. (Inwiefern) Sind die beiden Künstlerinnen für dich beeinflussend?

Ellereve Pressefoto (c) Ellereve
Ellereve Pressefoto (c) Ellereve

Vielen Dank für das Kompliment, das sind großartige Künstlerinnen. Mit ZOLA JESUS kann ich zwar nur partiell etwas anfangen, dennoch bewundere ich die komplexen Sounds in ihren Songs und nicht zu vergessen ihre kraftvolle Stimme mit einem absoluten Einmaligkeitscharakter.

EMMA RUTH RUNDLE habe ich erst 2017 entdeckt und ihre Musik hat mich einfach sofort so sehr berührt, seither gehört sie zu meinen Lieblingskünstlerinnen. Bei ihr hat man das Gefühl, dass ihre Musik ganz tief aus der Seele kommt und diese Transparenz spricht mich auf jeden Fall tendenziell immer bei Künstler*innen an. Wobei Transparenz da nicht immer auch gleich mit gefühlvoll zu assoziieren ist – oft erlebt man ja auch, dass die Performance einen regelrecht kalt lassen kann, egal worüber die Person da gerade singt. Das ist bei EMMA RUTH RUNDLE definitiv nicht der Fall. Jedenfalls bin ich auch sehr von ihrem Songwriting und der Klangästhetik fasziniert, besonders was die Gitarren angeht.

Generell kommt diese Art der weiblichen Heaviness hauptsächlich aus den USA, wenn ich an KING WOMAN und CHELSEA WOLFE denke. Europäische Solokünstlerinnen gibt es in diesem Bereich noch nicht so viele. Siehst du dich in dieser Hinsicht als Vorreiterin?

Gibt es das tatsächlich nicht? Ich habe immer das Gefühl, ich komme kaum hinterher all die Musik und Künstler*innen zu entdecken und es gibt eigentlich nichts, dass es nicht schon irgendwie, irgendwo gibt. Ehrlich gesagt mache ich mir aber keine Gedanken darüber, ob ich Vorreitern von xy bin. Ich habe schon immer das verfolgt, was sich für mich richtig angefühlt hat und mein „Ding durchgezogen“, ganz egal was andere von mir denken könnten und das in jeglichen Situationen in meinem Leben. Demnach kann ich das nicht so wirklich beantworten, das Wichtigste für mich ist es mir selbst treu zu bleiben und mit dieser Vision fungiere ich auch als ELLEREVE, bzw. Elisa, die Musik macht.

Spannend ist, dass Dein Debüt via EISENWALD veröffentlicht wird. In einem Interview hast du erwähnt, dass du früher viel Black Metal gehört hast – haben Dich diese Wurzeln zu EISENWALD geführt?

Nach der Veröffentlichung von „Heart Murmurs“ und den darauffolgenden Singles hat sich für mich immer mehr erschlossen, wo meine Zuhörerschaft sitzt und diese ist vermehrt in düsteren Klangwelten unterwegs und weniger in der Happy Indie Welt zu finden. Natürlich klopft man sowieso auch lieber an Türen, die mit Künstler*innen arbeiten, die man selber mag und viel hört. Die Zusammenarbeit zwischen ELLEREVE und EISENWALD, einem Label das eher für Black Metal bekannt ist, zeigt ja auch wie viel offener die (Black) Metal Szene dahingehend geworden ist.

Apropos Black Metal: Hörst Du das noch immer, oder bist Du aus der Szene eher raus? Wenn nein, würde es dich reizen, ein Black Metal-Projekt zu haben, in dem Du Deine negativen Energien rauslassen kannst?

Haha, ja ich höre das noch immer! Ziemlich intensiv und auch einseitig hab ich Black Metal in meiner Teeniezeit gehört, da ließ ich leider nicht viel Raum für andere Genres und mir fehlte die oben angesprochene Offenheit. Nun, man möge es auf das junge Alter und die „Hauptsache Trve“ Einstellung schieben.. haha! Nach ein paar Jahren hab ich dann Abstand gebraucht und holte all die Musik nach, die ich versäumt hatte. Das war fast schon ein „Kind im Süßwarenladen“ Erlebnis.

Tatsächlich ist ein Post Black Metal Projekt derzeit in der Mache, um genau zu sagen befindet sich das Album gerade im Mix & Master-Prozess. Das Projekt nennt sich NACHTEN und die Veröffentlichung ist noch für dieses Jahr geplant, aber mit genauen Angaben bin ich lieber noch vorsichtig, da kommt es gewöhnlich hin und wieder zu Verschiebungen. Die negativen Energien lasse ich aber genauso auch schon in Ellereve raus, aber ich glaube vor allem live wird das bei dem Black Metal Projekt nochmal eine andere Dimension haben. Ich muss manchmal selber drüber schmunzeln, aber ich habe es mal versucht in Worte zu fassen, was in mir vorgeht, wenn ich Black Metal höre und ich würde es als „da geht mir da das Herz auf“, beschreiben. Gleichzeitig versetzt mich das Repetitive manchmal in einen Trance ähnlichen Zustand, der mich alles vergessen lässt und ich förmlich mit der Musik verschmelze. Ich wollte schon immer mal hinter bzw. vor so einer drückenden und lauten Musikwand auf der Bühne stehen und einfach „ausrasten“. Also ich freue mich sehr auf das was mit NACHTEN noch so kommen wird.

“Die Zusammenarbeit zwischen ELLEREVE und EISENWALD, einem Label das eher für Black Metal bekannt ist, zeigt ja auch wie viel offener die (Black) Metal Szene dahingehend geworden ist.” – Elisa sieht sich nicht als Fremdkörper auf einem Black Metal-Label.

Passend dazu kann ich es nicht lassen zu fragen: Was sind deine 5 liebsten (Black) Metal-Alben?

AGALLOCH: The Mantle

DORNENREICH: Her von welken Nächten

HOLY FAWN: Death Spells

AMENRA: Mass VI

DOWNFALL OF GAIA: Ethic Of Radical Finitude

ELLEREVE wirkt auf mich wie eine weitestgehend selbstbestimmte Künstlerin. Insofern: Was sind deine Ziele für die nächsten zwei, fünf und zehn Jahre?

Also meine Devise ist definitiv seine Ziele nicht zu niedrig zu stecken und lieber groß als zu klein zu träumen. Da gibt es noch einiges was ich erreichen möchte und die harte Arbeit in all den Jahren hat mir auch immer wieder gezeigt, das es sich lohnt dran zu bleiben und zu kämpfen!

Eine gewisse künstlerische Freiheit erleben zu können in Bezug auf meinen Lebensmittelpunkt, also dass es mir möglich sein wird mich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren; Musik schreiben, visuelle Konzepte ausarbeiten, touren…All das was eben dazu gehört, ist ein ganz wesentlicher Teil davon. So etwas muss sich natürlich aufbauen und braucht auch die richtige Unterstützung, aber ich glaube ich bin da in guten Händen und bin gespannt darauf, wie sich die Dinge noch entwickeln werden.

Elisa, vielen Dank für deine Zeit und weiterhin viel Erfolg!

Pressefotos (c) Laura Patricia und (c) Ellereve, Cover (c) Eisenwald

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