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CRYPTOPSY: Ein Neueinsteiger über das verrückte Tourleben und prominente Fans

Ein nachträgliches Interview zum Live-Hammer von CRYPTOPSY kam glücklicherweise doch noch zu stande und so rief mich an einem schönen Abend Sänger Martin Lacroix an.

Ein nachträgliches Interview zum Live-Hammer von CRYPTOPSY kam glücklicherweise doch noch zustande und so rief mich an einem schönen Abend Sänger Martin Lacroix an, der mit deren Live-Scheibe seinen Tonträgereinstand gibt. Mit ihm stellen die kanadischen Knüppler Flo Mournier (Drums), Alex Auburn (Gitarre), Jon Levasseur (Gitarre) und Eric Langlois (Bass) nun endlich den offiziellen Beweis dafür, dass sie eine der besten Live-Bands der Welt sind. Außerdem ergriff der bissige Käpt´n gleich die Chance und fragte mal, warum die Jungs sich immer so viel Zeit lassen …


Noch eine kleine Anmerkung: Wenn es so rüberkommt, als wäre Martin ein wenig überheblich, wenn er auf die Instrumentalisten zu sprechen kommt, so täuscht ihr euch. Er klang eher wie ein riesiger Fan für den ein Traum wahr wurde.

Hallo Martin, zuerst möchte ich mal folgendes klar stellen: Ich bin ein sehr großer CRYPTOPSY-Fan, also wehe, Du bist nicht nett zu mir!

Kurba! (lacht)

Wie bitte?

Das ist ein polnisches Schimpfwort und bedeutet so viel wie Bastard. Nimm es nicht ernst.

Okay, dann fangen wir mal an. Die Show, die ihr in Montreal gespielt habt war sicher länger, als auf der Live-CD None so Live. Vor allem habt ihr meiner Meinung nach zu wenig Songs von …And then You`ll Beg auf der CD.

Du meinst, die Songauswahl war nicht glücklich?

Das habe ich so nicht gesagt.

Jedenfalls spielten wir an diesem Abend noch And then It Passes und Screams Go Unheard vom letzten Album, doch es gab Probleme mit den Aufnahmegeräten, was bedeutete, dass wir die Songs nicht auf die CD packen konnten. Deshalb gibt es vor allem alte Songs zu hören. Du weißt ja, shit happens.

Ich war schon besorgt, ihr habt keine Lust mehr auf diese hochtechnische Ausrichtung.

Nein, nein, nein, keinesfalls. Es liegt nahe, dass die Fans das denken, schließlich haben wir viele alte Songs auf der Scheibe und der Titel wurde von None so Vile adaptiert, doch wir wollen diese Ideen gar nicht aufkommen lassen.

Für euren Stil ist es sehr schwer ein gutes Live-Album aufzunehmen. Schließlich braucht ihr einen rauhen Sound, der brutal kommt, aber dennoch die ganzen Details offenbart.


Zu Beginn unserer Karriere wollten wir keine Live-Alben veröffentlichen, denn es ist, wie du schon angedeutet hast, sehr schwer unsere ganzen Feinheiten zu offerieren. In Montreal war aber alles perfekt. Wir hatten Pierre Remillard (Haus- und Hofproduzent von CRYPTOPSY – Anm. d. Verf.) und eine große Crew, sowie sehr gute Technik vor Ort.

Die Idee, das Album in Montreal aufzunehmen kam wohl daher, dass ihr aus Montreal stammt.

Das war zweifellos ein Grund, aber nicht der Hauptgrund. Das letzte Mal haben wir vor vier Jahren in Montreal gespielt, die Fans dort haben sehr lange auf uns gewartet, und sie sind ein großartiges Publikum.

Ihr habt die Veröffentlichung des Albums sehr gut getimt, schließlich ist es eine Verkürzung der Wartezeit bis zum nächsten Album, da …And then You´ll Beg ja nun schon fast drei Jahre auf dem Buckel hat.

Wir spielen ja nicht jeden Monat in Montreal, wir wollen uns in unserer Heimat rar machen, damit wir das Publikum nicht übersättigen. Ich sehe es an Bands, die ständig hier spielen. Anfangs hatten sie eine sehr gute Resonanz, aber von Konzert zu Konzert wird es langweiliger. Es ist also weniger eine Business-Entscheidung als eine Art Sentimentalität.

Bis jetzt habe ich euch zweimal live gesehen, einmal in Wacken 2001 und einmal auf eurer letzten Europa-Tour mit HAEMORRHAGE, PROFANITY und SPAWN, das war in einer Scheune in einem kleinen Dorf. Beide Shows von euch waren einfach unglaublich.

Ja, diese Tour war wirklich witzig … und strange. Wir spielten in Kroatien in einem Keller, in dem es keine Elektrizität gab. Als wir eintrafen, mussten die Betreiber erstmal einen Generator holen. Wir spielten auch zum ersten Mal in Schweden und – das war sogar noch bizarrer – spielten in einem griechischen Restaurant. (lacht) Es war überhaupt das erste Mal, das dort ein Konzert stattfand, wie uns einige Fans erzählten.

Ich finde es sehr lobenswert, dass ihr die Professionalität gezeigt habt und diese Tour bis zum Ende durchgezogen habt. Das waren ja Beispiele, bei denen andere Bands sofort das Handtuch geworfen hätten…

Wir haben ehrlich gesagt auch darüber nachgedacht einfach die Scheiße zu lassen und nach Hause zu fahren, aber das ging einfach nicht. Uns macht es zu sehr Spaß.

Mike DiSalvo hat nach eurem denkwürdigen Wacken-Auftritt die Band verlassen. Dann haben Deine Kollegen CRYPTOPSY sucht den Superstar gespielt und Dich ausgewählt. Warum gerade Dich?

Ein Freund von mir erzählte mir, das CRYPTOPSY einen neuen Sänger suchen und nachdem ich schon immer großer Fan der Band war, habe ich mir mal die Teilnahmebedingungen durchgelesen. Ich musste drei Songs singen und mit ihnen jammen. Dann war ich erstmal dabei und zuerst ging es auf Tour mit VADER in Europa, danach für ein paar Shows nach Japan und dann wollten sie sich entscheiden, ob ich fest dabei bleibe, oder nicht. Das war eine wirklich gute Idee, denn auf Tour lernt man sich viel besser kennen und auch wenn die Stimme passt, das Menschliche ist mindestens genauso wichtig.

Kommen wir mal zu Deiner Stimme. Meiner Meinung nach bist Du der bislang kraftvollste CRYPTOPSY-Sänger. Auch wenn Mike eine sehr gute Stimme hatte, Deine ist tiefer und Du schaffst längere Schreie. Doch Mikes Performance auf der Bühne hat mir mehr zugesagt. Warst Du zu Beginn ein wenig schüchtern?

Vielleicht. Ich brauchte natürlich auch ein paar Konzerte, um meinen Platz in der Band und auf der Bühne zu finden. Als Du uns gesehen hast, war es der erste Abend einer Tour, da mussten wir erst warm werden.

Früher warst Du Sänger bei SPASME.

Ja, und das ist es, was so interessant ist. Die Band spielte dreißig Auftritte in vier Jahren, jetzt spielen wir manchmal dreißig Gigs in einem Monat (lacht). Das ist ein wirklich guter Aufstieg.

Freunde von mir sagen immer, CRYPTOPSY sind zu freakig für sie, aber live gehen sie trotzdem darauf ab.

Ich glaube, CRYPTOPSY ist eine totale Live-Band. Wir haben auch schon immer gezeigt, dass wir live die Sachen ebenso spielen können wie auf CD…


Mein Gott, ihr spielt das Zeug sogar schneller!

Äh, ja. Jedenfalls haben wir mit den unterschiedlichsten Bands getourt, CANDIRIA, POISON THE WELL und DIMMU BORGIR. Wenn Du vier Bands hast und alle spielen den gleichen Death Metal, wird es schnell langweilig. Wir wollen was Neues beginnen und versuchen die unterschiedlichsten Leute auf Konzerte zu locken. Zumindest traue ich mich zu sagen: Wenn Du auf aggressive Musik stehst, werden dir die CRYTOPSY-Shows gefallen.

Jedenfalls erweckt der Stil von euch den Eindruck, dass ihr keine verbohrten Musiker seid.

Das stimmt. Jeder von uns hört nicht die ganze Zeit Death Metal, Jon steht sehr auf Progressive-Sachen wie QUEENSRYCHE und DREAM THEATER, Flo hört alles und ich mag TOOL und DEFTONES sehr gerne. Das sind vielleicht kommerziell erfolgreiche Bands, sie machen aber keine kommerzielle Musik. Sie experimentieren und sind sehr kompromisslos.

Ich stimme Dir da völlig zu und mag auch beide Bands sehr, sehr gerne.

Die Fans bringen die Bands zu kommerziellen Erfolgen.

Jazz ist auch ein großer Einfluss von euch.

Jon und Flo hören sehr viel Jazz und Latin-Sounds und bringen das auch in unsere Songs ein. Genau das macht uns zu einer ungewöhnlichen Death Metal-Band. Das mögen wir einfach, wir wollen uns abgrenzen.

Vom Stil her würdet ihr sehr gut auf Relapse oder Hydra Head passen, auf Century Media jedoch habt ihr einen speziellen Status.

Stimmt, dort gibt es nur wenige extreme Bands, eher Futter für die Melodic- und Düster-Freaks.

Kommen wir mal zu eurem umwerfenden Drum-Solo: Ist das nur interessant für andere Musiker?

Es ist definitiv so, dass wir einen fantastischen Drummer haben, das hast auch Du sicherlich nicht erst seit dem Solo gewusst. So denken viele und selbst MINISTRY waren mal auf einer unserer Shows, weil sie wissen wollten, ob Flo diese Maschine ist oder nicht. Im Endeffekt kommen wir damit nur Forderungen nach.

Wirklich? MINISTRY waren mal auf einem eurer Konzerte?

Ja, danach wussten sie, dass er es ist.

Sag Flo mal, er soll sich Pete York anschauen, das ist einer der besten Jazz-Drummer der Welt, ich habe ihn letztens gesehen und … ach egal. Kommen wir zurück: Wie bereitet ihr euch auf eine Show vor?

Wir machen Backstage ein Warm-Up. Manchmal spielt Flo nur mit seinen Sticks und Jon, Alex und Eric spielen unplugged. Ich bereite mich auf meine Vocals mit Flüstern vor. Wenn wir genügend Zeit haben, spielen wir das ganze Set so durch, das hat auch etwas Meditatives.

Wie schafft es Flo eigentlich so zu spielen und live noch die Backings zu singen?

Keine Ahnung, frag ihn selbst. Wenn er sich aber arg an seiner Bass-Drum beeilen muss, überlässt er es lieber Alex. (lacht)

Wenn Dich jemand fragt, warum er auf ein CRYPTOPSY-Konzert gehen soll, was würdest Du ihm antworten?

Ich würde ihm sagen: Wenn Du willst, dass Dein Arsch getreten wird, dann komm zu uns. Außerdem stehen die Leute mit offenen Mündern da, wenn die Instrumentalisten loslegen.

Ich konnte mich nie entscheiden, ob ich in den Pit hüpfen soll, oder mir das ansehen soll. Ich hatte das bislang nur bei euch und THE DILLINGER ESCAPE PLAN. Wie läuft es mit dem neuen Album?

Keine Ahnung. Ich bin nicht mehr in dieser Band. Nein, war nur Spaß, wir werden im Herbst ins Studio gehen, um das Album im Frühjahr 2004 zu veröffentlichen. Es wird die logische Weiterentwicklung zu And then You´ll Beg darstellen, ein wenig melodischer und grooviger wird es wohl werden. Das heißt, der Groove schleicht sich nicht nur für drei Sekunden ein, wie es auf Whisper Supremacy war, sondern wird ein wenig länger gehalten.


Man könnte None so Live auch als einen Abschied an die alten Songs deuten.

So kann man das nicht sagen, Fakt ist aber, dass wir nicht zurück schreiten werden, nur wegen des Titels, der sich an unserem zweiten Album orientiert.

Als Du bei CRYPTOPSY eingestiegen bist, hieß es: Die Zeiten von Guts `n Gore sind vorbei. Mikes Texte waren aber auch nie Splatter-Geschichten.

Das stimmt, aber ich wollte es auch nochmal für meine Person klar machen. Ich will, dass meine Texte aggressiv sind, aber Monster haben in meinen Texten nichts verloren.

Du sagtest, dass TOOL und DEFTONES dich inspirieren. Wirst Du dann auch clean singen?

Nein, oder vielleicht doch? (lacht) Schauen wir mal, ich will nicht, dass wegen dem Gesang die Band am typischen Death Metal kleben bleibt, doch abdriften in seichte Power Metal-Gefilde werde ich definitiv nicht. Ich denke ich habe einen guten Stimmumfang und will nicht ständig tief grunzen, denn wenn es zu tief ist, ist es nicht mehr aggressiv. Die ganze Zeit zu kreischen wirkt sehr stressig, deshalb werde ich das variieren.

Was war eigentlich mit eurer Show in Australien?

Die sollte im August stattfinden, wir als Headliner und davor MARDUK, SODOM und DORO. Wir waren sehr gespannt, denn zu diesem Angebot konnten wir nicht nein sagen, leider fand es dann aber nicht statt. Es wäre eh ein wenig kompliziert geworden, denn wir sind zur Zeit mitten unter dem Songwriting und das hätte bedeutet wieder viel über den Haufen zu werfen und erstmal wieder reinzukommen.

Martin, das war es fürs Erste, wir hören uns wieder, wenn euer neues Album erscheint. Vielen Dank für Deine Zeit!

Layout: Uwe Möllers (axiser)

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