blank

ZEAL & ARDOR: Greif

ZEAL & ARDOR zeigen sich stilistisch breiter aufgestellt als zuvor: „Greif“ hebt die Band als Künstler wie als Kollektiv auf ein neues Niveau, auch wenn wir uns von der Härte weitgehend verabschieden müssen.

Black Metal mit Gospel? Wenn wir ehrlich sind, war diese Kurzcharakterisierung schon beim selbstbetitelten Vorgänger (2022) längst nicht mehr zutreffend. Allerspätestens jetzt müssen wir uns aber eine neue Beschreibung suchen, denn „Greif“ führt ZEAL & ARDOR bisweilen in gänzlich neue Gefilde. Was oftmals spannend ist, kommt aber auch mit einem großen Vorbehalt: Die Aggression und Härte, die früher den spannenden Kontrast zu bluesigen Kompositionen bildete, finden wir anno 2024 nur noch in Auszügen vor.

Inwiefern dies in der neuen Herangehensweise begründet ist, die Platte nicht als Solo-Unterfangen, sondern im Kollektiv aufzunehmen, ist schlussendlich nebensächlich. Die dadurch gewonnenen kreativen Energien und Freiheiten nutzt Mastermind Manuel Gagneux gezielt dazu, das musikalische Spektrum seines Babys zu erweitern. Eine Art Glockenspiel verleiht „Fend You Off“ eine gewisse Schwerelosigkeit, während die mehrstimmigen Gesangsarrangements dem Stück zugleich Tiefe und Dynamik verleihen. Der einzige harsche Schrei zum Ende belegt schließlich das, was für „Greif“ als Ganzes gilt: Der extreme Metal ist nunmehr nur noch ein Stilmittel von vielen, nicht aber tragende Säule.

ZEAL & ARDOR waren stilistisch wohl nie breiter aufgestellt als auf „Greif“

Dies ermöglicht ZEAL & ARDOR im Gegenzug ein interessantes Experiment wie „Are You The Only One Now?“, das sich zunächst als eine Art Wiegenlied präsentiert, um dann inmitten der behutsamen Atmosphäre doch eine dezent schwarzmetallische Fratze zu offenbaren. Allgemein sind es ohnehin die Details, die „Greif“ letztlich entscheidend prägen: Selbst die gospel- bzw. blues-lastigen Stücke wie „Go home my friend“ oder „369“ werden durch teils filigrane Gitarren angereichert, so dass wir stets etwas zu entdecken haben.

Mit Kopfstimme und trottendem Rock-Vibe setzt sich „Disease“ in ähnlicher Weise ab wie das pochende „Kilonova“, was letztendlich auch symbolisch für die größte Weiterentwicklung seit „Zeal & Ardor“ (2022) gesehen werden kann. Stilistisch breiter aufgestellt war die Band wohl nie, zumal das Songwriting nun deutlich mehr Variation und Mut aufweist als in der Vergangenheit.

„Greif“ hebt ZEAL & ARDOR als Künstler wie als Kollektiv auf ein neues Niveau

Bleibt nur der einzige Wermutstropfen, der sich für uns immer dann bemerkbar macht, wenn ZEAL & ARDOR wie in „Clawing Out“ oder vor allem dem starken „Hide In Shade“, wo das Thema des Intros erneut aufgegriffen wird, doch mal die Daumenschrauben anziehen: So schön die Retro-Synth-Landschaften von „Une Ville Vide“ sein mögen, die harte und kompromisslose Seite des eigenen Klangkosmos kommt in diesen 43 Minuten doch ein wenig zu kurz.

Zwar hat in „Sugarcoat“ auch der Hybrid aus LaLa-Melodie und erdiger Metal-Basis seinen Reiz, komplett von der Leine lässt Gagneux seine Band diesmal jedoch nicht. Schade ist das, weil wir diesmal auf den größtmöglichen Kontrast verzichten müssen; im Gegenzug bekommen wir dafür akribisch ausgefeilte Stücke, die ZEAL & ARDOR als Künstler wie als Kollektiv tatsächlich auf ein neues Niveau heben. Black Metal mit Gospel? Quatsch, ist „Greif“ doch so viel mehr als das.

Veröffentlichungstermin: 23.08.2024

Spielzeit: 42:39

Line-Up

Manuel Gagneux – Vocals, Gitarre, Synthesizer, Programming
Denis Wagner – Backing Vocals
Marc Obrist – Backing Vocals
Tiziano Volante – Gitarre
Lukas Kurmann – Bass
Marco von Allmen – Schlagzeug

Produziert von Marc Obrist

Label: Redacted / The Orchard

Homepage: https://www.zealandardor.com/
Facebook: https://www.facebook.com/zealandardor
Instagram: https://www.instagram.com/zealandardor
Bandcamp: https://zealandardor.bandcamp.com

ZEAL & ARDOR “Greif” Tracklist

01. The Bird, The Lion And The Wildkin
02. Fend You Off (Video bei YouTube)
03. Kilonova
04. Are You The Only One Now?
05. Go Home My Friend
06. Clawing Out (Visualizer bei YouTube)
07. Disease
08. 369
09. Thrill
10. Une Ville Vide
11. Sugarcoat
12. Solace
13. Hide In Shade (Video bei YouTube)
14. To My Ilk (Visualizer bei YouTube)