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WOBBLER: Hinterland

Darf ich vorstellen: Ent-Prog! WOBBLER klingen alt, elegisch, episch und manchmal auch irgendwie baumisch.

The torch has been passed prangt als Werbung in großen Lettern auf dem Cover. Das heißt übersetzt soviel wie: Ähnlichkeiten mit lebenden oder aufgelösten Progressive Rock-Dinosauriern sind nicht ganz zufällig. Das verschlungene Titelbild passt übrigens sehr gut zur Musik, die ich persönlich in die neu geschaffene Schublade Ent-Prog einsortiere! Denn WOBBLER neigen zu ausgesprochen ausladenden Kompositionen und kümmern sich herzlich wenig um konventionelle Liedstrukturen. Die Musik entwickelt sich eher schleppend und bewegt sich mit Vorliebe auf Umwegen fort. Immer wieder gibt es epische Instrumentalteile, bei denen minutenlang an elegischen Klangteppichen gewebt wird. Die eigentliche Dramaturgie ergibt sich erst im Gesamtzusammenhang mit den wilderen Eskapaden, bei denen mir unweigerlich Rachendrachens Lieblingswitz in den Sinn kommt: Einigen sich zwei Progmusiker auf eine Tonart!

Keine Frage, WOBBLER spielen Randgruppenmusik. Die Einflüsse der Norweger reichen von KING CRIMSON über die frühen GENESIS bis hin zu ÄNGLAGÅRD. Dazu kommt eine Portion skandinavische Eigensinnigkeit. Entsprechend unmodern klingen die drei überlangen Epen auf Hinterland. Nach der kurzen Hinführung Serenade For 1652 bricht der Titeltrack Hinterland reichlich ungestüm los und durchwandert knapp eine halbe Stunde lang die unterschiedlichsten Stimmungen. Eine verklärte Atmosphäre zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Passagen. Besonders bei den eingestreuten Gesangsteilen bekommt man das Gefühl, man würde in einem Märchenwald sitzen und dem Treiben fremdartiger Fabelwesen lauschen. Es ist wohlgemerkt kein typischer Märchenwald mit guten Elfen und mürrischen Zwergen. Es handelt sich vielmehr um eine Welt mit endlosen Wäldern, Baumgeistern, flüsternden Bächen und sonderbaren Instrumenten. Diese klingen zwar wie Streicher, Flöten und Lauten, wirken jedoch wie durch 300 Jahre altes Pergamentpapier gefiltert. WOBBLER lieben dabei die Abwechslung. Kein Instrument übernimmt länger als unbedingt nötig die Führung. So entsteht ein Mosaik aus Hammond-Orgel, Akustik-Gitarre, schwelgendem Mellotron, klagendem Gesang, Bass, Cembalo, E-Gitarre, Flöte, Schlagzeug, Klavier und vielen anderen Klangerzeugungsgeräten, das dank der Ent-Elemente in der Musik nicht im geringsten hektisch wirkt, zumal man solistische Einlagen mit der Lupe suchen muss.

Klanglich ist die Produktion deutlich in den 70ern beheimatet. Das ist wenig verwunderlich, macht das sperrige Epos allerdings noch ungreifbarer, als es ohnehin schon ist. Den heftigen Ausbrüchen fehlt es dadurch leider etwas an Druck. Umso zauberhafter wirken aber die verträumten Einsprengsel wie beispielsweise die Flötenmelodie in der Mitte von Rubato Industry. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich nach dem Ausblenden des 15-minütigen Instrumentals Clair Obscur zum Schallplattenspieler gehe, in der Annahme, dass derartige Klänge nie und nimmer von einem so modernen Tonträger wie einer CD stammen können. Hinterland eignet sich also sehr gut für einen temporären Ausstieg aus der Realität oder zumindest eine Reise in die Vergangenheit, vorausgesetzt man hat eine Schwäche für altmodischen Progressive Rock.

Veröffentlichungstermin: 06.09.2005

Spielzeit: 56:50 Min.

Line-Up:
Tony Johannessen: Gesang

Lars Fredrik Frøislie: Tasteninstrumente

Morten Andreas Eriksen: Gitarre

Kristian Karl Hultgren: Bass

Martin Nordrum Kneppen: Schlagzeug

Produziert von WOBBLER, Jacob Holm-Lupo, Øystein Vesaas
Label: The Laser´s Edge

Homepage: http://www.wobblermusic.com

Tracklist:
1. Serenade For 1652

2. Hinterland

3. Rubato Industry

4. Clair Obscur

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