Äh nein, mit THE DAMNED hatte ich bisher wenig am Hut. Als sie als erste Punkband 1977 anfingen, Platten zu veröffentlichen, hab ich lieber breitbeinig zu STATUS QUO das Kinderzimmer gerockt oder meine Mutter mit KISS und natürlich BLACK SABBATH erschrocken. Das Punk-Zeug war mir zu dreckig, zu wild. Seither sind THE DAMNED durch Höhen und noch mehr Tiefen gewandert, wurden zu gebändigten Rockern, lösten sich auf, um dann erst mit progressiven Rock und später mit Gothic Rock weiterzumachen. Sänger Dave Vanian hielt alles zusammen, Anfangs Basser, dann Gitarrist Captain Sensible verließ die Band zwischenzeitlich, um sich seiner Solokarriere zu widmen. Auch Basser Paul Gray kam und ging. So wie viele andere Musiker. Vanian, der Captain und Gray sind wieder vereint und werden seit Ende der 90er von Keyboarder Monty Oxymoron und Drummer Andrew Pinching begleitet.
THE DAMNED verwandeln das ehrwürdige Londoner Palladium für „A Night Of A Thousend Vampires“ in ein Gruselschloss
Nun also halten die Engländer auch hier Einzug, und das gleich mit großem Kino! Vorweg gesagt, ein erster Durchlauf der ersten CD ließ mich eher kalt, ah, „Grimly Fiendish“ kannte ich sogar. Dann kürzlich der passende Abend, kühl und nebelig, schauen wir mal das Konzert auf der Blu-ray an. Und ja, da hatten sie mich mit großem Kino! Unterstützt vom THE CIRCUS OF HORRORS und einigen Gastmusikern gab es am 28. Oktober 2019 im ehrwürdigen Londoner Palladium eine fette Inszenierung, die uns durch dunkle Zeiten führt. Im alten Stil, als wir noch vor Dracula erzitterten und Vampire, Geister und Schattenwesen uns ohne große Computertechnik, einfach durch die Kunst der Darstellung das Fürchten lehrten. Auch das Publikum hat es sich nicht nehmen lassen, das schöne, edle Palladium gruselig aufgemacht zu bevölkern.
Vampire, Geister, sympathische Musiker und unterhaltsame Songs – THE DAMNED liefern ein Gruselmusical
So eröffnet ein bedrohliches Pianospiel das zuerst im düsteren schwarz-weiß Bild beginnende Schauspiel. Vor Keyboarder Monty haben wir keine Angst, er lädt über die ganze Show eher zum Schmunzeln ein. Dave Vanian setzt sich mit erzählerischen Gesang in Szene als edler Vampir im Christopher Lee-Stil. Paul Gray schunkelt als böser Pirat über die Bühne, Captain Sensible ist irgendwas finsteres, Freddy Krüger mag er sicher auch. Drummer Andrew sieht man zu selten, da haben wir keine Angst.
Die Band rockt energisch nach vorn, „Wait For The Blackout“ mit leichtem THE DOORS-Touch zieht in die Show. Der Oldie „Plan 9 Channel 7“ macht ebenfalls Spaß, keine Ahnung, warum die Audio-CD nicht gezündet hat. Aber das wird schnell klar, die visuelle Darbietung ist großartig und man fühlt sich in einen 60er Gruselfilm gezogen. Die Band spielt klasse, man darf sich auch mal verspielen. Wie Captain Sensible seine Gitarre spielt, da bekomme ich nur vom Zuschauen chronische Sehnenscheidenentzündung. Basser Gray groovt munter vor sich hin, man freut sich immer wieder, wenn Keyboarder Monty im Bild ist. Im Fokus bleibt aber Sänger Dave Vanian, der vielleicht nicht die größte, aber eine total sympathische, angenehme Stimme hat. So singt und erzählt er seine düsteren Geschichten, man hört und schaut ihm gerne zu.
THE CIRCUS OF HORRORS sorgt für untotes Leben auf der Bühne
Wenn man denn dazu kommt, denn auf der Bühne passiert durchgehend immer was. Von der Feuerspuckerin über irre Geister, tanzende sexy Dämoninnen, einer Killerpuppe, der über die Bühne schwebenden Fledermausvampierdame, dem Knochenlosen Kriecher und immer mehr Action. Auch der arme Kerl aus dem Publikum wird ermordet, natürlich von wilden Geisterfiguren. Ganz groß immer auch Dave Vanian, der vom anfänglich edlen Lee-Style wechselt zum weitaus böseren Bela Lugosi und zum Ende hin als gar finstere Version des Nosferatu erscheint, Max Schreck grüßt aus der Gruft der Untoten. So gibt es allerlei Geisterei und blutrünstige Vampire, was immer wieder auch mit Einspielungen alter Vampirfilme mit Blut gefüttert wird. Die Show ist durchgehend unterhaltsam, am besten zu genießen in tiefer Nacht mit einem Glas Blutrotem Wein. Ein Fläschchen Weihwasser in Reichweite schadet sicher nicht.
Aber es gibt nicht nur die Gruselshow, es gibt ja auch Musik auf „A Night Of A Thousend Vampires“. Die Band spielt klasse und sicher mit Spaß an der eigenen Show. Man schunkelt mit, vielleicht sind ein paar Hits dabei, wie gesagt, ich hab die Band nie wirklich verfolgt. Mal wird es etwas schwungvoller, dezente Erinnerungen an punkige Zeiten sind vorhanden. Weitestgehend aber gibt es erzählerischen Dark/Gothic-Rock, der natürlich zur aufwändigen Inszenierung als Gruselmusical passt wie die schwarze Katze auf den Besen der Hexe. Ha, und wenn dann Vanian beim schönen, früh-FLOYDigen „Under The Floor Again“ kurz lachen muss weiß man, dass man selbst ebenso viel Spaß hat an der Show und den Liedern. Unvermeidbar, dass man bei der Inszenierung auch mal an den Meister des Schock-Rock denkt, Mr. ALICE COOPER. Dass da tatsächlich auch Kram wie Verstärker und Boxen auf der Bühne stehen, dass nimmt man nur am Rande wahr und genießt die Show.
Wir haben einfach Spaß an dem Gruselzirkus, der die unterhaltsame Musik begleitet
Es tröten Trompeten, „Eloise“ klingt wie eine dunkle Mischung aus ROBBIE WILLIAMS und GLEN DANZIG. Nach dem kurzen bluesig-schunkeligen DOORS-Cover „People Are Strange“ öffnet sich das Tor zur Hölle bzw. zum Showdown. Gar böse GeisterInnen duellieren sich mit ihrer Violine auf der Bühne. Man schmunzelt wieder, es klingt kurz nach Neue Deutsche Welle. Eben das ist das Schöne an dieser Show, wir sind hier nicht bei „Halloween“ oder „Freitag der 13.“, hier haben wir einfach Spaß an dem Gruselzirkus, der die unterhaltsame Musik begleitet. Ein Streicher-Ensemble oben auf der Gruselburg sorgt für noch mehr Fülle und Stimmung. Zum Ende hin packt man nochmal den Punk aus mit dem BAUHAUS-Cover „Bela Lugosi’s Dead“, „Black Is The Night“ entlässt uns schunkelig in eben jene, nochmals mit großer Show. Wie erwartet verlässt Nosferatu, äh Dave Vanian die Bühne, stilecht im Sarg.
Die Songs von THE DAMNED und die Gruselshow fließen ineinander wie die Dimensionen der Lebenden und der Toten zu Halloween
„A Night Of A Thousend Vampires“ zeigt sich als total unterhaltsames Musical, bei dem die Songs von THE DAMNED und die Gruselshow ineinander fließen wie die Dimensionen der Lebenden und der Toten an diesem Wochenende zu Halloween. Hier gibt es Süßes und Saures zugleich, und hat man die Show gesehen, so wirken auch die Songs allein ganz anders und wissen zu gefallen. Fans von THE DAMNED bekommen ein echtes Wohlfühlpaket. Und wer die Band nicht kannte oder bisher ignoriert hat wird viel Spaß haben und kann sie für sich entdecken.
Veröffentlicht am 28.10.2022
Spielzeit: 89:12 Min.
Lineup:
Dave Vanian – Vocals
Captain Sensible – Guitar, Vocals
Paul Gray – Bass
Monty Oxymoron – Keyboards
Andrew Pinching – Drums
Gäste:
Musicians Of The Undead:
Chris Coull – Trumpet
Emily Vanian – Solo Violin
Yury Revich – Solo Violin
The Marple Rose Strings:
Gillian Mott, Mallory Hamm – Violin
Alison D’Souza, Sally Wragg – Viola
Joy Jenkinson, Marianne Hardisty – Cello
Clare Wilson – Double Bass
Label: earMUSIC
Homepage: https://www.officialdamned.com
Mehr im Web: https://www.facebook.com/OfficialDamned
Die Tracklist von “A Night Of A Thousand Vampires”
1. Beauty Of The Beast
2. Wait For The Blackout (Audio bei YouTube)
3. Plan 9 Channel 7 (Video bei YouTube)
4. Standing On The Edge Of Tomorrow
5. Grimly Fiendish (Video bei YouTube)
6. Dr Jekyll And Mr Hyde
7. Absinthe
8. Under The Floor Again
9. I Just Can’t Be Happy Today
10. 13th Floor Vendetta
11. Eloise
12. People Are Strange
13. Curtain Call
14. Tightrope Walk
15. The Dog
16. Neat Neat Neat – Bela Lugosi’s Dead
17. Black Is The Night