Es ist diese Art von Album, die jede ernstzunehmende progressive Band braucht, einfach nur als cleveren Karriereschritt. Das Album, das die ganzen Gastmusiker dabei hat, ein Handshake mit den Bros aus der gleichen Genrehood, sozusagen. SANKT OTTEN sind natürlich stets fleißig wie die Bienchen und legen mit Messias Maschine schon das vierte Album in vier Jahren vor und schon das dritte, das optisch von Salusitano veredelt wurde. Konzeptionell bleiben SANKT OTTEN mit ihrem weißen Album also auf einer Linie, dennoch tut sich musikalisch einiges. Stephan Otten und sein Kompagnon Oliver Klemm lassen nicht nur ihre Songs von ihren Gästen veredeln, die beiden gehen auch einen Schritt auf den Stil ihrer Freunde zu.
Wer ist denn überhaupt dabei, bei Messias Maschine? Allein drei der zehn Nummern werden durch den mittlerweile 75-jährigen Jaki Liebezeit von CAN rhythmisch veredelt, mit schönen, typisch monotonen Rhythmen. Ebenfalls ein krautiger Gast ist Schlagzeuger Harald Großkopf, der durch seine KLAUS SCHULZE-Erfahrung bestens zu SANKT OTTEN passt, aber mit überraschend viel Power spielt. Schließlich tobt sich der Berliner Produzent ULRICH SCHNAUSS mit seinen zurückhaltenden Synthesizern bei Im Himmel angekommen aus. Das sind Gäste mit schönen Beiträgen, aber es geht noch besser. Coley Duane Dennis von MASERATI ist es, der mit seinem Gitarrenspiel SANKT OTTEN zu einem treibenden, groovigen Song verhilft, und Miles Brown von THE NIGHT TERRORS gibt bei Mach bitte, dass es leiser wird sein unverwechselbares, klagendes Thereminspiel zum Besten. Diese beiden Stücke haben nicht nur die gelungensten Kontributionen, sie sind auch am besten geschrieben und die Highlights von Messias Maschine
Hier können auch nicht A.E. Paterra als dynamischer Schlagzeuger in Nach dir die Sinnesflut und BOHREN UND DER CLUB OF GORE-Saxofonist Christoph Clöser als Gast im Abschlussstück Endlich ein schlechter Mensch mithalten. Letztgenannter Song ist so ziemlich das, was man sich von einer Zusammenarbeit aus SANKT OTTEN und BOHREN UND DER CLUB OF GORE erwarten darf, zieht sich aber ein wenig und findet keine Höhepunkte – schade. Davon abgesehen haben SANKT OTTEN, die nur im Titelstück ohne Gast aktiv sind, ihre Kompositionen unter Kontrolle, Längen gibt es selten, die Mischung stimmt, mal ist die Musik getragen und melancholisch, dann wieder sphärisch und friedlich, schließlich sogar ein wenig rockig.
Trotz aller Gäste ist der Stil von SANKT OTTEN unverkennbar geblieben. Die Synthesizer-Sounds, die getragenen, schwebenden Gitarren, das E-Schlagzeug – natürlich nur sofern kein anderer Drummer beteiligt ist – und auch das Artwork machen Messias Maschine zu einem beinahe typischen SANKT OTTEN-Album, mit dem Unterschied, dass der Gesamteindruck nicht so geschlossen ist wie in der Vergangenheit und die einzelnen Stücke mehr im Vordergrund stehen. Auch das Augenzwinkern in den Songtiteln sucht man vergeblich, das steht stellvertretend für die Ausrichtung des Materials, das noch melancholischer ist als gewöhnlich. Messias Maschine bringt Variation in die Welt von SANKT OTTEN, ohne den Charakter der Band zu verzerren. Dieses Album ist vielleicht nicht zu gut wie die beiden Vorgänger, reizt aber durch die zahlreichen Beiträge der Gastmusiker und sollte somit von SANKT OTTEN-Freunden und Fans des Synthesizer-Rock und der Berliner Elektronik-Schule der Siebziger und Achtziger auf jeden Fall gehört werden.
Veröffentlichungstermin: 28. Juni 2013
Spielzeit: 66:09 Min.
Line-Up:
Stephan Otten – Drums, Programming, Synthesizer
Oliver Klemm – Guitar, Bass, Synthesizer
Gastmusiker:
Jaki Liebezeit (CAN) – Drums
Miles Brown (THE NIGHT TERRORS) – Theremin
Ulrich Schnauss – Synthesizer
Coley Duane Dennis (MASERATI) – Guitar
Harald Großkopf – Drums
A.E. Paterra ZOMBI, MAJEURE– Drums
Christoph Clöser BOHREN UND DER CLUB OF GORE, THE NEST – Saxofon
Label: Denovali Records
Homepage: http://www.sanktotten.de/
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/sanktotten
Tracklist:
1. Du hast mich süchtig gemacht (feat. Jaki Liebezeit)
2. Die Messias Maschine
3. Mach bitte, dass es leiser wird (feat. Miles Brown)
4. Im Himmel angekommen (feat. Ulrich Schnauss)
5. Das große Weinen ist vorbei (feat. Jaki Liebezeit)
6. Da kann selbst Gott nur staunen (feat. Coley Duane Dennis)
7. Das Geräusch des Wartens (feat. Jaki Liebezeit)
8. Wenn ein Masterplan keiner ist (feat. Harald Großkopf)
9. Nach dir die Sinnesflut (feat. A.E. Paterra)
10. Endlich ein schlechter Mensch (feat. Christoph Clöser)