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MYRATH: Karma

Eine Märchenstunde aus Tausendundeine Nacht, vertont mit starkem Prog/Power/Symphonic-Metal

Ihren Exotenstatus haben MYRATH mittlerweile sicher nicht mehr nötig. Mit ihrem zweiten Album „Desert Call“, auch schon vierzehn Jahre her, haben sie erfolgreich die Flagge von Tunesien in den Metal-Globus gehauen. Noch mehr mit den folgenden Alben „Tales Of The Sands“ (2011), „Legacy“ (2016) und dem letzten Studioalbum „Shehili“ von 2019 zog ihr Mix aus Prog- und Power Metal immer größere Kreise. Mit „Live In Carthage“ zeigte die Band, dass man auch auf der Bühne überzeugt. Nun also steht „Karma“ an, gibt es das im Arabischen? Egal, MYRATH werden bekommen, was ihnen nach dem neuen Album zusteht, soviel ist sicher!

„Karma“ hin der her, MYRATH werden bekommen, was ihnen nach dem neuen Album zusteht, soviel ist sicher!

Denn das ist schlichtweg großartig! Beim Opener „To The Stars“ fühlt man sich gleich wieder zuhause bei MYRATH. Noch ein wenig softer, eingängiger, wie es sich bereits auf „Shehili“ angedeutet hat? Wir wippen mit, dürfen ein feuriges Hohohoo mitsingen. Auch live sicher ein guter Einstieg. Aber schon bei „Into The Light“ tanzen wir begeistert durch die Wüste. Catchy ohne Ende die Melodien, trotzdem kraftvoll, der vertraute Prog-Sound drückt auch mehr durch. Im Verlauf des Albums hat man immer mehr das Gefühl, dass der Symphonic Metal den Power Metal etwas verdrängt. Auch weil die Keyboards noch dominanter, allgegenwärtiger und prägender sind. Dabei geht Kevin Codfert, der „Karma“ auch produziert hat, immer nur so weit nach vorn, dass es nicht überfrachtet oder aufgeblasen klingt. Diese Balance muss man erst mal hinkriegen.

Das Level der MYRATH-Musiker ist beeindruckend

Oder einen Song wie „Candles Cry“, der einen mit wieder catchy Melodien einfängt, aber auch kriegerischer und kraftvoller klingt als so manche Heldenmetaller. Sicher einer der Hits des Albums, stillsitzen ist nicht, wie ein entzückter Dschinn tänzelt man durch den Song. Nicht überhören sollte man, dass hier leider sehr aktuelles Themen aufgezeigt werden. Man singt lautstark „Let It Go“ mit, ein cooler Song inklusive Elementen, die auf der Bühne sicher für Showeinlagen genutzt werden. Man erfreut sich der fantastischen Gitarrenarbeit von Bandgründer Malek Ben Arbia, die sich durch das ganze Album zieht. Auch den Kollegen sollte man zwingend zuhören, gern auch in gezielten Sessions unterm Kopfhörer. Das Level der Musiker ist beeindruckend, mal direkt nach vorn geschoben, mal aus Spaß an der Freude etwas versteckt, gibt es reichlich zu entdecken.

Zaher Zorgati bedient mit starker Stimme souverän jede vertretene Ecke

Direkt im Vordergrund natürlich durchgehend Zaher Zorgati, der uns mit starker Stimme durch die Songs führt und dabei souverän jede vertretene Ecke bedient. Mal kraftvoll mit Power Metal-Röhre, mal melodisch bis hin zu AOR-Anleihen, dabei immer Abwechslungsreich. Wie auch beim vorsichtig dahin schleichenden, fast poppigen „Words Are Failing“, das dann überraschend in einen fiesen Teil einbricht. Immer wieder gibt es Momente, wo man sicher ist, dass bei Zorgati die letzte Zeit immer mal typische schwedische Hard Rock-Bands und US-Rock-Klassiker der 70er/frühen 80er im Autoradio laufen.

MYRATH bleiben auch eine Prog Metal-Band

Aber MYRATH bleiben auch eine Prog Metal-Band, wenn auch nicht mehr so deutlich bei den großen Ami-Bands ausgeliehen wird. Man hört, dass die Tunesier mit KAMELOT auf Tour waren. SYMPHONY X– und DREAM THEATER Fans waren die Herren eh immer schon. Ist man das ebenfalls, dann liebt man das theatrale „The Wheel Of Time“, was für ein großer Refrain! Mit fortlaufendem Album wird es immer proggiger, erzählerischer, ohne dabei auf eingängige Melodien zu verzichten. Das zart beginnende „Child Of Prophecy“ könnte der Soundtrack sein für einen Zeichentrickfilm in exotischen Oasen. Wobei der kleine Aladin oder Ali Baba dann ein Metaller in schwarzen Pluderhosen ist, denn es geht dann doch kraftvoll zur Sache wenn der Songs einen platt macht wie ein heftiger Sandsturm.

Eine Märchenstunde aus Tausendundeine Nacht, vertont mit Prog/Power/Symphonic-Metal

Das zeigt sich auch nach reichlich Durchgängen, die erste Hälfte von „Karma“ lädt eher ein zur Wüstenparty, die zweite Hälfte zum gezielten Zuhören, wie eine Märchenstunde aus Tausendundeine Nacht. Das prägende Element von MYRATH, die arabischen Melodien und Instrumente, wurden im Vergleich zum bereits reduzierten Vorgänger nochmals etwas zurück gefahren. Sie sind aber weiterhin präsent genug, um dem Sound von MYRATH etwas ganz eigenes zu geben. Und wo diese Art von Melodien für uns ja durchaus mal etwas kitschig klingen kann, hier sind sie bei MYRATH so passgenau eingefügt, dass sie niemals wehtun oder überzogen klingen. Auf „Karma“ haben die Tunesier da den Spagat zwischen genug um eigen zu klingen und zu viel um anders zu sein perfekt hinbekommen. Will man mehr davon, dann zieht man halt ein frühes Album raus.

Der endgültige Durchbruch dürfte MYRATH sicher sein mit einem vielschichtigen und interessanten Album wie „Karma“

Wenn „Karma“ dafür steht, dass jeder zurückbekommt, was er verdient, dann haben MYRATH alles richtig gemacht. Die Songs sind griffig, immer proggig interessant, die Melodien catchy ohne Ende, und das exotische Element der arabischen Musik ist stimmig eingebettet. Das Album ist so vielschichtig und abwechslungsreich, die Musikalität der Band so beeindruckend, der Sound so stimmig und kraftvoll – der endgültige Durchbruch und ein Platz weit vorne in so manchem Jahrespoll dürfte MYRATH damit sicher sein.

Veröffentlicht am 08.03.2024

Spielzeit: 47:47 Min.

Lineup:
Zaher Zorgati – Gesang
Malek Ben Arbia – Gitarre
Kevin Codfert – Keyboards
Anis Jouini – Bass
Morgan Berthet – Schlagzeug

Label: earMUSIC

Homepage: https://www.myrath.com

Mehr im Web: https://www.facebook.com/myrathband

Die Tracklist von “Karma”:

1. To The Stars
2. Into The Light (Video bei YouTube)
3. Candles Cry (Video bei YouTube)
4. Let It Go (Audio)
5. Words Are Failing
6. The Wheel Of Time
7. Temple Walls
8. Child Of Prophecy (Video bei YouTube)
9. The Empire
10. Heroes (Video bei YouTube)
11. Carry On

 

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