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LILIUM SOVA: Epic Morning

Eine albtraumhafte Jazz-Mathcore-Nacht, gefolgt von einem "epischen Morgen".

Ich glaube, LILIUM SOVA und ich haben eine grundsätzlich andere Vorstellung von einem epischen Morgen. Meiner sieht wie folgt aus: Ausschlafen ohne Wecker, ein ausgiebiges Frühstück, kein Stress und keine Hetze, dazu schöne Musik, meinetwegen MAX RICHTER oder ÓLAFUR RARNALDS. LILIUM SOVA sind da eher der Wecker, der – fünf Minuten nachdem man wach wird und denkt, man darf ja noch drei Stunden schlafen – laut losschrillt. Obwohl, das ist ja eher ein Ärgernis, LILIUM SOVA, dieses schweizerische Uhrwerk zwischen Jazz und Mathcore, ist in wachem und aufmerksamem Zustand doch etwas sehr Schönes. Das Debütalbum Epic Morning des Genfer Trios kennt keine Grenzen, kann smooth und entspannt sein, aber meistens hauen die drei Musiker dem Hörer derb verzerrten Bass, Schlagzeugarbeit, die an Chris Pennie damals bei THE DILLINGER ESCAPE PLAN erinnert, wildes Saxophon und verstörende Synthesizer um die Ohren. Das ist natürlich alles andere als Easy Listening, dafür geht es aber bemerkenswert gut in Ohr und Bein.

Vielleicht bedeutet Epic Morning für LILIUM SOVA auch nur ein Aufwachen nach einem besonders schlimmen Albtraum. Die Feststellung, dass doch alles beim Alten ist und dass die Welt gar nicht untergegangen ist oder dass kein Zinnmann, kein Löwe und keine Vogelscheuche dich vor der bösen Hexe des Westens schützen müssen, kleine Dorothy. LILIUM SOVAs Debütalbum beginnt mit Locked-In Syndrome um 1 a.m. noch vergleichsweise entspannt, mit heftiger Bass- und Schlagzeugarbeit, aber schönen Melodien darüber, ein wenig krude, aber sehr geschmackvoll. Danach folgt die Phase des leichten Schlafes, nach dem Einschlummern und es wird zu einem richtigen Albtraum, voller Heaviness, Dissonanzen, abenteuerlicher Rhythmen und spastischer Arrangements. Parasomina ist dann die Stelle des Tiefschlafes, ein siebenminütiges Stück mit unheimlichen Synthesizern und einem schönen BOHREN UND DER CLUB OF GORE-lastigen Saxophon darüber. Danach beginnen wieder die Albträume, der Schüttelfrost, es steigert sich bis hin zu Dawn Of Sweet Villian, bei dem nicht nur schrille Gitarren zu hören sind, sondern auch der hysterische Gesang von KEHLVIN-Sänger Yonni für Schweißausbrüche sorgt.

Um 8 a.m., wenn die Bettlaken nassgeschwitzt sind, wenn die morgendliche Dusche eigentlich verlockend ruft, dann werden LILIUM SOVA so kuschelig und bequem, wie es ein Bett eben ist, bevor man aufstehen muss, Schweiß hin oder her. Und so bleiben wir zum Titelsong noch über zwanzig Minuten liegen und hören und staunen, wie sich diese anfangs so sanfte Nummer halbimprovisiert steigert und dann wieder etwas loslässt, und so weiter. Das ist ein schönes, bisweilen verstörendes Ende für eine schlimme Nacht. Es ist wie immer nach solchen Nächten: Irgendwie würde man gerne weiter träumen, weil das Erlebte noch den ganzen Tag im Unterbewusstsein präsent ist. LILIUM SOVA leisten gute Arbeit darin, seltsame Albträume zu kreieren, die irgendwie Spaß machen. Allerdings sind LILIUM SOVA auch auf ihre Gastmusiker angewiesen, zumindest im Studio. Durch die Fülle an weiteren Instrumenten werden die Songs erst wirklich tief und bleiben auch über lange Zeit hinweg spannend. Ganz ohne Netz und doppeltem Boden geht es bei den Genfern also nicht zu, aber Epic Morning darf durch seine starke Instrumentalarbeit, die authentische Produktion und sein stimmiges Konzept allen Freunden von nicht übermäßig wilder, aber doch mehr als nur gewitzter, grenzüberschreitender Musik zwischen Jazz, Metal und Hardcore ans Herz gelegt werden.

Veröffentlichungstermin: 16. November 2012

Spielzeit: 52:31 Min.

Line-Up:
Cyril Chal – Bass
Timothée Cervi – Drums
Michael Boucard – Sax & Keyboards

Gastmusiker:
JP Schopfer – Electronic Noises
Diogo Almeida – Guitar
Raphael Bovey – Samples
Eugénie Gallay – Accordion
Loic Blazek – Cello, Guitar
Kim Makombe – Guitar
Yonni Chapatte – Vocals
Michael Schindl – Folk Guitar

Produziert von JP Schopfer und LILIUM SOVA
Label: Calofror Records

Homepage: http://www.liliumsova.com

Mehr im Netz: http://www.facebook.com/liliumsova

Tracklist:
1.0 a.m.: Locked-in Syndrome
2.0 a.m.: Insomnia
3.0 a.m.: Call Of Sova
4.0 a.m.: Parasomina
5.0 a.m.: Premonition
6.0 a.m.: Ondine´s Curse
7.0 a.m.: Dawn Of Sweet Villain
8.0 a.m.: Epic Morning

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