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L.A. GUNS: Black Diamonds

Die L.A. GUNS haben ihren entlaufenen Straßenköter wiedergefunden und klingen auf „Black Diamonds“ wieder etwas dreckiger als auf dem letzten, sehr vom klassischen Hardrock beeinflussten Album. Das liegt auch an Sänger Phil Lewis, der wieder etwas bissiger neben der Spur bellt. Die Vorliebe für Blues und 70s-Rock haben sie beibehalten.

Huch, das ging aber schnell. Gerade mal 15 Monate ist es her, dass die Sleaze-Pioniere L.A. GUNS ihr letztes Album „Checkered Past“ gedroppt haben. Und schon steht der Nachfolger in den Startlöchern. Es ist das mittlerweile 14. Studioalbum in der Bandgeschichte, und wenn ich richtig informiert bin, gibt es auch etwas zu feiern. Die Band wurde 1983 gegründet, damit zwei Jahre vor den GUNS N’ ROSES, deren Frontmann Axl ebenfalls kurzzeitig zur Formation gehörte. 40-jähriges Jubiläum: nicht schlecht in einem Genre, in dem viele Weggefährten nach zwei oder drei Alben ausgebrannt aufgaben.

Keine Frage: Wenn es um das Genre Sleaze Rock geht, gehören die L.A. GUNS zur Landkarte wie der Sunset Strip zu Hollywood. Bis heute haftet der Band der Makel an, dass ihre ersten beiden Alben die bisher besten waren. Diese explosive Mischung aus Glam Rock, Punk und Metal, diese überfallartigen Songs voller Sex, Wut und Glamour: Sie gediehen wohl am besten in der Sturm-und-Drang-Phase einer jungen Band, auf dem selbstbetitelten Debüt von 1988 und dem Nachfolger „Cocked and Loaded“. Rauer Sound, punkige Fuck-Off-Attitüde und Texte über Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Im Grunde waren die L.A. GUNS immer auch die Antithese zu Hollywood, eher Straßenschlägerei als die schillernde Traumwelt, die man mit diesem Ort verbindet. „Loose gun and I can’t be beat/ White trash kickin’ the street“, heißt es auf ihrer ersten Platte. „My finger on the gun/ A bang, bang gets things done/ Yeah, yeah, yeah!“ Wo sich andere Bands des Hair Metal als Diven inszenierten, hatten die Südstaatler eher ein Mad-Max-artiges Underdog-Image.

Die L.A. GUNS haben den Sleaze wiederentdeckt

Die Pistoleros aus dem Sonnenstaat sind nun also im 40. Jahr ihres Schaffens angekommen, und um Verwechslungen vorzubeugen: Es handelt sich um jene Version der L.A. GUNS, in der Sänger Phil Lewis und Gitarrist Tracii Guns die Rumpfmannschaft bilden. Seit Jahren gibt es eine zweite Version der Band um den ehemaligen Schlagzeuger Steve Riley, deren Output allerdings weniger hochwertig ist. Das liegt auch an den fehlenden Trademarks, die auf vorliegender Platte eben zu hören sind: der stets leicht übersteuerte Gesang von Lewis und das dreckige, von Blues, Boogie und Punk beeinflusste Gitarrenspiel des Namensgebers Tracii Guns. Und die gute Nachricht: Auf „Black Diamonds“ ist von alldem wieder mehr zu hören.

War der Vorgänger „Checkered Past“ auch ein sehr ordentliches Album, so hatten sich die Guns doch ein wenig von ihrem ursprünglichen Sound entfernt. Mehr Blues und klassischer Hardrock waren darauf vertreten, mehr balladeske Klänge. Diese Einflüsse prägen zum Teil zwar auch das neue Album, aber es wird deutlich mehr Rotz und Wut geboten. Die L.A. GUNS klingen auf dieser Platte wieder angriffslustiger, rauer, dreckiger – und selbstbewusster. Wo der Vorgänger noch eine Band auf der Suche zeigte, hat sie jetzt den Weg zurück in die Gosse gefunden.

Das liegt auch an Sänger Phil Lewis, der hier häufiger am Anschlag performt. Einer der besten Nichtsänger des Hard Rock präsentiert sich in guter Form. Und das heißt in diesem Fall: Er singt wieder öfter in hohen Tonlagen, penetriert sein Organ, kräht heißer, stößt spitze Schreie aus, spukt in den schnelleren Songs leicht disharmonische und sich überschlagende kurze Silben. Sein Gesang ist Geschmackssache, keine Frage, aber so markant und leidenschaftlich, dass er vielleicht das prägendste Merkmal der L.A. GUNS ist.

Elf Songs sind auf „Black Diamonds“ zu hören, und der Opener knüpft zunächst dort an, wo der Vorgänger aufgehört hat. „You Betray“ ist eine groovige, leicht düstere Hardrock-Nummer mit 70er-Jahre-Flair, LED ZEPPELINs „Immigrant Song“ ist sowohl im Gitarrenspiel als auch im Drum-Rhythmus herauszuhören. Wenn auch in die Pfütze des Sleaze Rock getunkt. Ein Lob verdient, dass Lewis gleich im ersten Song seine hohe und weniger gefällige Stimmlage nutzt, um wütende Statements zu verbreiten. „You were the place I would go to survive/ Now it’s a race to the hole where I will die/ You betray, you betray, you betray/ Everyone and everything“, singt Lewis und richtet den Text an eine Dame, von der sich der Sprecher des Textes verkauft und verraten fühlt.

Der erste Song gibt auch die Richtung vor, auf die wir uns lyrisch einstellen müssen. Oft wird in den Texten ein „Du“ angesprochen, oder genauer: angeklagt. Menschliche Enttäuschung, Scheitern, Wut über Verrat sind wiederkehrende Themen. Das tut der Platte einerseits gut, weil Bissigkeit und Aggressivität stimmen. Andererseits müssten wir wieder einmal Machismo-Stereotype im Hair Metal diskutieren. Gitarrist Tracii Guns soll in den Texten das Scheitern einer Beziehung verarbeitet haben: dieses einseitig an die Frau zu adressieren, wütend und angepisst, ist zumindest fragwürdig. Hey, es gehören immer zwei dazu, wenn es nicht klappt. Ende der Predigt.

Die L.A. GUNS zünden nach drei Songs ihre explosivsten Geschosse

Der zweite Track „Wrong About You“ ist eine sehr ordentliche Midtempo-Nummer mit disharmonischen Leads und abgehackten Powerchords, die so auch Ende der 80er Jahre gut funktioniert hätte. Ordentlich, aber eher unauffällig.

Das titelgebende „Diamonds“ ist darauf folgend eine Power-Ballade mit einprägsamem Refrain und melancholischer Note, hat aber einen großen Schönheitsfehler. „I know we’re broken but we shine like a diamond now“, heißt es im Refrain. Und ich beneide jeden, der bei der Textzeile „Shine like a diamond“ nicht an den gleichnamigen Hit von Rihanna denkt. Auch das ist eine Trennungsschmerz-Nummer, in der das sprechende Ich des Textes die Schuld für das Scheitern mal nicht bei der Frau sucht: „Cause I know this time I’m the one to blame“, singt Lewis. Alkoholismus klingt als Thema durch: „And you lock me out again/ I got no right to be upset/ No, I don’t“. Es ist eine große Stärke des Songs, dass er sich im Hirn festsetzt, die Melodie sich einbrennt. In dieser Hinsicht liefern die L.A. GUNS noch immer stärkere Momente als viele ihrer Mitbewerber.

Am besten sind die L.A. GUNS aber dann, wenn sie nach ranzigen Lederjacken und ausgetretenen Cowboystiefeln klingen, wenn sie dich in einem alten Chevy mit durchgetretenem Gaspedal überrollen. Rausgerotzte Uptempo-Nummern mit Gangshouts, die nach Whiskey und Öl riechen, nach dreckigen Hinterhöfen und schweißgetränkten Muskelshirts. Davon haben sie wieder mehr am Start: „Babylon“ rotzt ordentlich und klingt spontan, hier ist auch die Street-Metal-Ikonographie (L.A. als dreckiger Moloch statt Idylle) wieder intakt. Anders, aber nicht weniger dreckig funktioniert „Shame“: eine Southern-Boogie-Nummer mit knarzenden Gitarren und Mundharmonika, die aber durch Lewis’ heißeren, übersteuerten Gesang auf ein höheres Energielevel gehievt wird. Ich weiß nicht, wann die Band zuletzt ähnlich überzeugend den Spirit ihrer ersten beiden Alben eingefangen hat. Und so geht es weiter: auch das folgende „Shattered Glass“ spukt einem direkt vor die Füße und klingt hungrig. Es schadet dem Song nicht, dass Phil Lewis im Pre-Chorus leicht desinteressiert an der Harmonie vorbeileiert: Die Band hatte schon immer mehr Punk im Sound als viele L.A.-Bands.

“Black Diamonds” hat wieder mehr Rotz und Adrenalin

„Gonna Lose“ ist eine Halbballade, die im Refrain wieder deutliche LED-ZEPPELIN-Avancen erkennen lässt. Und tatsächlich klingt Lewis im Refrain wie der kleine Bruder von Robert Plant. „Got It Wrong“ tönt dann wie Glam Punk: rotzig, trotzdem leicht poppig, eingängig. Könnte man auf der Indie Disco zwischen STROKES und LIBERTINES spielen. Dreckigen Shuffle mit Attitüde liefert „Lowlife“: eine Liebeserklärung an den schmutzigen, hedonistischen Lifestyle auf der dunklen Seite des Lebens.

Weil auch das abschließende „Like a Drug“ wieder mehr Adrenalin und Rotz versprüht, sogar amtliche NWOBHM-Leads auspackt (ein wichtiger Einfluss für den Glam Metal) und weil die Platte manchmal fast unverschämt unbeschwert daher kommt, ist den L.A. GUNS ein starkes Statement in Sachen SLEAZE und 80s-Nostalgie gelungen. Gekonnt verweben sie ihren Sleaze-Metal mit den 60er- und 70er-Jahre-Rock-Einflüssen ihrer letzten Alben. Eine erdige, raue Produktion rundet die Sache ab. Wer Gefallen am starken Comeback-Album von SKID ROW fand, sollte auch hier mal ein Ohr riskieren. Am besten laut auf einem alten Ghetto Blaster oder im Kassettendeck des Autos. Macht Spaß!

Veröffentlichungstermin: 14.04.2023

Spielzeit: 41:17

Line-Up:

Phil Lewis – Vocals
Tracii Guns – Electric & Acoustic Guitars, MellotronAce Von Johnson – Electric Guitars
Johnny Martin – Bass, Electric Electric Guitars
Shawn Duncan – Drums (live)
Adam Hamilton – Drums (studio) & Strings

Label: Frontiers Records

Homepage: http://www.lagunsmusic.com/

L.A. GUNS “Black Diamonds” Tracklist:

1. You Betray
2. Wrong About You
3. Diamonds (Video bei Youtube)
4. Babylon
5. Shame
6. Shattered Glass (Video bei Youtube)
7. Gonna Lose
8. Got It Wrong
9. Lowlife
10. Crying
11. Like A Drug

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