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IMHA TARIKAT: Sternenberster

Meine erste Begegnung mit IMHA TARIKAT fand auf dem Vendetta-Fest 2019 in Berlin statt: Ein offenkundig wahnsinniger Mann tobte mit wildem Blick auf der Bühne herum und brüllte sein Publikum an, hinter ihm eine Band, die den Begriff “Chaos” ganz dringend neu zu definieren suchte. Nein, meine Baustelle war das nicht, und doch, irgendwas hatte dieses Projekt, und wenn es nur seine Eigenständigkeit war: IMHA TARIKAT ist eine Black-Metal-Band, deren Kopf ein Berliner mit türkischer Familiengeschichte ist – eine Seltenheit. Dass dieses Projekt nun einen Platz im gnadenlos vielseitigen Roster von Prophecy Productions gefunden hat, mag den einen oder die andere wundern, denn das Vendetta-Umfeld gilt als sehr links und Prophecy als eher, nun ja, eurozentriert (nicht zuletzt hat man dieses Jahr dort sogar ein neues Album der unsäglich deutschnationalen ORPLID veröffentlicht, mit ganz, ganz grauenvollen Texten, künstlerisch wie inhaltlich). Trotzdem oder gerade deshalb, meine Neugier war geweckt und ich lud die Promo runter.

Und habe ich es bereut? Nur manchmal. Zwar werde ich in diesem Leben nicht mehr meinen Frieden machen mit Hardcore-Vocals im Black Metal, und an der ein oder anderen Stelle klingt’s gar, als hätte ein Gangsta-Rapper aus Neukölln sich ins Studio verirrt, inklusive eines Pathos, der die Grenze zur Lächerlichkeit nicht nur ankratzt, aber alles in allem ist das immerhin nicht Chris Barnes – und “Sternenberster” ein gutes und nach einigen Durchläufen auch stellenweise eingängiges Werk chaotischen Black Metal Punks geworden, das mir das ein oder andere Mal nach Feierabend ganz gut getan hat, ein Durchpusten im Windkanal aus Wahnsinn und Chaos quasi. Muss halt manchmal sein!

“Sternenberster” – ein interessanter Bastard ohne echte Höhepunkte

Habe ich da gerade “Punk” geschrieben? Ja, die Vendetta-Vergangenheit hat musikalisch deutliche Spuren hinterlassen, und diese sind es auch, die mich im Gegensatz zu den ähnlich chaotisch-cosmischen Labelmates TCHORNOBOG die Platte dann auch in Ansätzen genießen lassen – denn hier wird nicht Chaos als Selbstzweck betrieben, sondern als kompositorische Zutat gut wirken gelassen: Das Gerüst ist eigentlich Hardcore Punk, weshalb letztlich auch die Vocals ihre Berechtigung haben.

“Sternenberster” reiht sich dennoch letztlich ein in eine mittlerweile doch recht lange Reihe von Black-Metal-Projekten aus der Punk-Szene, die mich am Ende unzufrieden zurück lassen. Denn mit Black Metal im klassischen Sinne hat “Sternenberster” kaum etwas zu tun, das Kosmos-Thema und das pathetische Gebrüll lassen mich kalt, und die ganz großen Momente fehlen mir, so dass ich am Ende doch befremdet zurückbleibe und mich wieder nach entweder klassischem Punk oder klassischem Metal sehne.

Spielzeit: 45:20 Min.

Veröffentlichung am 11.12.2020 auf Prophecy Productions

IMHA TARIKAT “Sternenberster” Tracklist

1. Ekstase ohne Ende
2. Sturm der Erlösung
3. Kreuzpunkt der Schicksale
4. Brand am Firmament
5. Klimax Downpour
6. Aufstieg
7. Sternenberster
8. Outro (Cosmos Dissolving)

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