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IHSAHN: Pharos [EP]

Ehrlich gesagt, so richtig spannend empfand ich „Telemark“, die vor einem halben Jahr veröffentlichte EP von IHSAHN, nicht. Drei launige, nach Pflichtübung klingende Black’n’Roll-Stücke plus zwei, immerhin mit Verve und Sax dargebotene Coverstücke – und vorbei war der Zauber. „Pharos“ stellt nun das Gegenstück zu „Telemark“ da und wirkt luftiger, leichter, verspielter, aber es zeigt IHSAHN abermals nicht auf der Höhe seines Schaffens. Das Rezept von „Pharos“ ist das Gleiche wie auf dem Vorgänger: drei eigene Stücke, zwei Coverversionen, und eine knappe halbe Stunde ist vorbei. Eine EP, wieder mit einem charakteristischen Cover versehen, dessen Klasse sich erst auf den zweiten Blick offenbart, und einem alten Bekannten als Gastmusiker.

Doch von vorne: Die eigenen Songs von „Pharos“ klingen sehr weitschweifig, lassen sich trotz der recht konservativen Strukturen nicht in Formen pressen. Das klingt eher nach erwachsenem, aufregungsarmem Progrock als nach dem IHSAHN, den wir lieben. Der IHSAHN, der sich trotz kluger Arrangements immer wieder seiner wilden Vergangenheit hingibt – und genau das ist schade an „Pharos“, das dadurch am ehesten als Hintergrundbeschallung geeignet ist. Es wirkt als hätten ANATHEMA noch müde Songs von „The Optimist“ übrig gehabt und hätten die Ideen IHSAHN verkauft. Zugegeben, der Chorus von „Spectre At The Feast“, der sich zaghaft zum Bombast entwickelt, hat mich dann doch gekriegt. Besonders schade: Das Titelstück hätte verflucht gut werden können, denn zwischen dem romantischen Engtanz-Teil und dem donnernden Chor im Refrain wäre noch Platz für jede Menge Gänsehaut gewesen. Und sogar besagter Chor klingt so, als wäre er nicht vollends ausgespielt worden.

IHSAHN findet sich auf „Pharos“ in der sehr erwachsenen progressive Rock-Ecke – schade!

Insgesamt ist „Pharos“ also enttäuschend. Die beiden Coversongs reißen das Ruder zumindest ein wenig herum. „Roads“ von PORTISHEAD zeigt IHSAHN von seiner verletzlichsten Seite, gerade auch gesanglich, wenn er die Kopfstimme auspackt. Toll gemacht und, wie immer wenn dieses Lied ertönt, in egal welcher Version: Eine Träne findet sich im Augenwinkel wieder. Bei MY DYING BRIDEs legendärer Version von “Roads” kam die Träne allerdings als Vorhut eines Weinkrampfs und hinterließ emotionale Verwüstung. Diese Intensität erzeugt IHSAHN dann doch nicht. Klug ist „Manhattan Skyline“ von A-HA am Schluss positioniert. Erstens singt hier Einar Solberg von LEPROUS wie gewohnt fabelhaft, zweitens passt seine Stimme zu dem Songs wie die Faust aufs Auge und drittens macht diese Nummer mit ihren nostalgischen Qualitäten Spaß. Das simple Riffing und die Synthesizer lassen hier keinen Schauer über den Rücken laufen, aber zumindest endet „Pharos“ somit versöhnlich.

Und dennoch, IHSAHN zeigt sich im Jahr 2020 mit seinen beiden EPs nicht so, wie wir ihn kennen. Es fühlt sich ein wenig nach Schaffenskrise an, die sich ehrlich gesagt mit „Amr“ schon angedeutet hat. „Telemark“ macht durch seinen Black’n’Roll-Charakter zumindest Spaß, auf „Pharos“ dominiert hingegen die Langeweile und wird durch die beiden Coverstücke gerettet – und gerade das ist ein alarmierendes Zeichen. IHSAHNs Anhänger sollten also vorsichtig sein. Wer aus der erwachsenen Progressive Rock-Ecke immer neugierig auf das Schaffen des Norwegers war und sich bisher wegen der EMPEROR-Wurzeln des Maestros nicht getraut hat, darf aber reinhören, ohne Gefahr zu laufen, sich schmutzig zu machen.

Wertung: 2,5 von 5 Midlife Crisis

VÖ: 11. September 2020

Spielzeit: 24:34

Line-Up:
Ihsahn – Gesang, Instrumente
Tobias Ørnes Andersen – Drums

Label: Candlelight Records

IHSAHN „Pharos“ Tracklist

1. Losing Altitude
2.  Spectre At The Feast (Video bei YouTube)
3. Pharos
4. Roads (PORTISHEAD)
5. Manhattan Skyline  featuring Einar Solberg of LEPROUS (A-HA) (Video bei YouTube)

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