Irgendwann musste es soweit kommen. Nach drei herausragenden Alben in Folge zeigt die kometenhaft aufgestiegene Hitmaschine HEAVEN SHALL BURN nun zum ersten Mal deutliche Verschleißerscheinungen, die – obwohl ihr neuestes Werk stets ein gewisses Grundniveau aufweisen kann – nicht einfach leichtfertig abgetan werden können. Zwischen Stagnation, Selbstkopie und ganz vorsichtigen Tastversuchen nach einer Hintertür rasen HEAVEN SHALL BURN in eine Einbahnstraße, wo dieser Ausflug bei unverändertem Kurs früher oder später in der Wand enden wird. „Invictus“, zu Deutsch ‚unbesiegt‘, der Titel – leider das Gegenteil ist der Fall, denn mit ihrem sechsten Album offenbaren die Thüringer erstmals, dass sie keinesfalls unaufhaltsam sind. Dass sie sehr wohl verwundbar sind und dass sie sich bei einem Album wie „Invictus (Iconoclast III)“ selbst im Weg stehen.
HEAVEN SHALL BURN ruhen sich auf ihrem Status aus
Getan hat sich seit „Iconoclast“ nicht viel, man hat sogar das Gefühl, man wolle sich im Hause HEAVEN SHALL BURN auf dem gegenwärtigen Status ausruhen. Das fängt schon mit dem Intro aus der Feder Ólafur Arnalds an, das im Endeffekt nicht viel mehr ist als eine reduzierte Kopie von „Awoken“, und wie das Outro prinzipiell nur da ist, damit es da ist. Ein wirklicher Mehrwert ist diesmal durch diesen Rahmen nicht gegeben.
Was anfangs nach Ideenlosigkeit riecht, wird durch den Opener „The Omen“ zusätzlich forciert. An und für sich ist der Einstieg ja keine schlechte Nummer und hat von walzendem Riffing bis zu einem melodischen Refrain all das zu bieten, was HEAVEN SHALL BURN ausmacht. Nur ist das allein nach bislang fünf Alben schlicht zu wenig. „The Omen“ ist ein Song wie ihn das Quintett dutzendfach in petto hat, was es in den nachfolgenden 45 Minuten außerdem noch mehrfach unter Beweis stellen soll.
Fortschritte im Sound sind auf „Invictus“ kaum auszumachen
„Against Bridge Burners“, „Buried In Forgotten Grounds“ und „Of Forsaken Poets“ sind beispielsweise nichts weiter als typische Stangenware. BOLT THROWER-Riffs treffen auf AT THE GATES-Melodien und die gewohnt aggressiven Vocals von Sänger Marcus. Solide, aber 2010 endgültig überstrapaziert. Weiterentwicklung oder Fortschritte im Sound sind kaum auszumachen. Sogar „Combat“, einer der Höhepunkte von „Invictus“, startet mit Riffrecycling per Vorschlaghammer, bevor mit tranceartigen Synthesizern und Technobeats doch noch ein Funke Experimentierfreudigkeit aufkeimt. Solche Spielereien findet man außerdem noch bei „The Lie You Bleed For“; ansonsten war es das weitgehend mit den netten, jedoch keinesfalls bahnbrechenden Synthesizer-Ausflügen. DEADLOCK machen das nicht nur bereits seit Jahren, sondern auch besser. Deren Sängerin Sabine Weniger ist übrigens zusammen mit ihrem Bandkollegen Sebastian Reichl im letzten Track „Given In Death“ zu hören. Das macht aus dem Stück über die moralische Zwickmühle Sterbehilfe das ungewöhnlichste und interessanteste des Albums, erinnert dank des markanten Gitarrenspiels von Sebastian Reichl aber deutlich an dessen Hauptband.
Den Genrekollegen haben HEAVEN SHALL BURN dennoch einiges voraus
Zugegeben, das klingt alles ungemein negativ – und verglichen mit der bisherigen Diskographie HEAVEN SHALL BURNs ist es das vielleicht auch, das soll man gar nicht schön reden. Trotzdem muss man fairerweise darauf hinweisen, dass die Jungs nach wie vor eine Mindestqualität vorweisen können, von der andere Kollegen im Melodic Death Metal-Bereich nur träumen können. Mit „Combat“, „Given In Death“, „I Was I Am I Shall Be“ und mit leichten Abstrichen „Sevastopol“ hat „Invictus“ eine ganze Reihe von Songs in der Hinterhand, die fehlendem Fortschritt zum Trotz auch nach unzähligen Durchläufen noch Spaß machen, ja teilweise sogar hinzugewinnen.
Und wäre „Invictus“ nicht so hoffnungslos überproduziert – keinerlei Dynamik im Sound und Clipping bei Subwoofern sowie Samples gehören zur Tagesordnung – dann hätte man für das Album durchaus noch ein Auge zudrücken können. So beherbergt es neben dem Cover-Artwork noch ein weiteres unansehnliches Gesicht unter der Fassade. Eines, das trotz aller Anstrengung die Mängel des Songmaterials nicht kaschieren kann und stattdessen nur hervorhebt, wo dieses Nummer-sicher-Album HEAVEN SHALL BURN konkret hinführt: In eine Sackgasse.
Veröffentlichungstermin: 21.05.2010
Spielzeit: 45:16 Min.
Line-Up:
Marcus Bischoff – Vocals
Maik Weichert – Guitars
Alexander Dietz – Guitars
Eric Bischoff – Bass
Matthias Voigt – Drums
Produziert von Maik Weichert und Alexander Dietz
Label: Century Media
Homepage: http://www.heavenshallburn.com
HEAVEN SHALL BURN „Invictus“ Tracklist
01. Intro
02. The Omen
03. Combat (Video bei YouTube)
04. I Was I Am I Shall Be
05. Buried In Forgotten Grounds
06. Sevastopol
07. The Lie You Bleed For
08. Return To Sanity
09. Against Bridge Burners
10. Of Forsaken Poets
11. Given In Death
12. Outro