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GRIFT: Dolt Land

Den Blick hinter die Dinge schweifen lassen; alle Welt mit allen Sinnen erspüren; Leben und Licht, Dunkelheit und Tod im Großen Ganzen: GRIFT macht die perfekte Musik für traumversunkene Wanderer und wandernde Träumer, bleibt ihnen aber etwas schuldig.

Dass nach der Trilogie aus „Syner“, „Arvet“ und „Budet“ etwas Neues folgen würde, konnte man ahnen, nicht zuletzt, weil Erik Gärdeförs, dieser Inbegriff des melancholischen Eremiten, schon länger nur mit Akustikgitarre und Perkussion aufgetreten war und ein Akustikalbum angekündigt hatte. „Dolt Land“ ist trotzdem eine kleine Überraschung geworden, ist es doch strukturell und musikalisch gar nicht so großartig verschieden zu den drei Vorgängern: Wieder sechs Lieder, wieder viele simple Gitarrenriffs unter irgendwie kindlich anmutenden Melodika-Melodien – aber diesmal eben ohne Schlagzeug, ohne elektrische Verstärkung, dafür mit noch mehr Field Recordings und somit allerlei Geräuschen aus Wald und Flur.

Das ist durchaus eine Wonne für verträumte Einzelgänger, aber leider nicht der große Wurf, den vergleichbare Werke – ich denke natürlich an „Kveldssanger“, aber auch an „Where At Night The Wood Grouse Plays“ – darstellen. Denn was GRIFT bei aller Liebe zu Introspektion und Folklore abgeht, ist die Abwechslung: Zwar befindet sich mit „En Hemskog“ ein etwas beschwingteres, an die Dänen von SOLBLOT erinnerndes Stück auf der Platte, dies bleibt aber der einzige Ausreißer – die anderen Lieder verlassen sich auf die bekannte Mischung aus neofolkigem Gitarrenfundament, Melodika und Gärdeförs‘ kehligem Klagen, diesmal wegen der ruhigeren Instrumentierung allerdings noch ergänzt durch viel klaren Gesang.

Wo Fuchs und Hase sich “Gute Nacht” sagen, wäre durchaus mehr drin gewesen

Und so schön ich das finde und so häufig ich es auch höre, ich kann mir nicht helfen, ich wünschte, diese Lieder gäbe es als Black-Metal-Arrangements. Denn das, was GRIFT für mich letztlich so besonders macht, ist diese weltverlorene Mischung aus einem eigenwilligen Schlagzeugspiel, mal mehr, mal weniger weicher E-Gitarre und Gärdeförs’ unfassbaren Verzweiflungsschreien. Ohne diese drei Faktoren mangelt es an Kontrastmittel, um der in den Liedern enthaltene Wehmut zu ihrem vollen Glanz zu verhelfen. Um das rein akustisch zu schaffen, braucht es mehr, z.B. ein paar Chöre oder auch den ein oder anderen Kontrapunkt zu den Melodika-Melodien vielleicht.

Ich möchte jedoch nicht falsch verstanden werden: „Dolt Land“ ist wunderschön, ergreifend, eine Wonne für von der sterbenden Welt gequälte Seelen und sicherlich der perfekte Soundtrack für Spaziergänge im goldenen Herbst. Ich hatte von einem neuen GRIFT-Album aber das unangefochtene Album des Jahres erwartet – und das habe ich leider nicht bekommen. Vielleicht mein Problem, wer weiß, der Kauf jedenfalls lohnt sich ja allein schon wegen des wunderschönen Covers, auf dem Fuchs und Hase und Co. sich so dermaßen schön “Gute Nacht” sagen, dass man gar nicht schlafen gehen möchte.

Spielzeit: 37:46 Min.

Veröffentlichung am 22.09.2023 auf Nordvis

Offizielle Bandcamp-Seite

GRIFT “Dolt land” Tracklist

1. Silverne stig (Silver pathway)
2. Nattens pilgrim (Pilgrim of the night) (Video bei YouTube)
3. På vingar slumrande (On wings in slumber)
4. Evas backe (Eva’s hill)
5. En hemskog (A home forest) (Video bei YouTube)
6. Gyllene sal (Golden hall)

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