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GOLGATA: Ur eld och aska

Braucht hier jemand urwüchsigen, ungemein melodischen Folk Black Metal aus Schweden, garniert mit dem gewissen Etwas? Ja, ich, verdammt nochmal.

Wir klagen häufig darüber, dass der Metal-Underground wegen des technischen Fortschritts so leicht zugänglich geworden ist, dass er sich quasi selber abgeschafft hat – jede Band, jede Einzelperson kann jederzeit ihre künstlerischen Visionen ins Netz stellen, und es wird sich immer irgendein Blog, irgendein Fanzine finden, das über das Produkt dann in den höchsten Tönen schwärmt. Davon angestachelt, versuchen Nerds wie ich dann, in möglichst kurzer Zeit in möglichst viele dieser Veröffentlichungen reinzuhören, nur um festzustellen, dass ihre Aufmerksamkeitsspanne dafür gar nicht mehr ausreicht oder die Qualität dieser Veröffentlichungen doch irgendwie ganz schön zu wünschen übrig lässt.

Noch problematischer wird es dann, wenn man das Gefühl hat, dass man mangels großartiger musikalischer Hörerlebnisse evtl. die Fähigkeit eingebüßt hat, auf die man sich doch all die Jahre immer wieder soviel eingebildet hat: nämlich die, Musik nach wie vor so emotional empfinden zu können wie als Kind oder Jugendlicher. Liegt es an der Flut an Eindrücken, an der mangelnden Zeit, an der schwinden Qualität, an allem zusammen…? Es ist im Grunde gar nicht mehr zu eruieren, weshalb man nichts mehr findet, was wirklich bewegt.

Mit einfachen Mitteln mitten in die Seele

Zum Glück gibt es sie aber dann ja doch noch, die ganz besonderen Alben! Welche Erleichterung, dachte ich mir, als ich nach den ersten Tönen von GOLGATAs “Vagabond” endlich mal wieder sofort tief im Wald war, tief im Märchenwald wohlgemerkt, wo gerade die Sonne untergeht, große Heldengeschichten zu Ende gehen und Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen. Diese verdammte Melodie geht mir jetzt schon seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf, und sie ist so schön, dass es mich nicht einmal groß stört.

Es ist dies eine folkloristisch anmutende Melodie, wie sowieso alle auf “Ur Eld och Aska”, dem dritten Album der Schweden GOLGATA. Und das Beste: Sie wird zu Ende gedacht, nachdem sie ausreichend wiederholt worden ist, man traut sich die komplette Melodiedröhnung zu – und genau das ist der Moment, in dem endlich mal wieder etwas diese eine Stelle erreicht hat, die dringend mal wieder gekratzt werden musste in meiner Seele. Kontrastiert wird das melancholische Wunder von direkt den 90ern entsprungenem Black-Metal-Gekrächze, das Schlagzeug spielt einen einfachen, aber leicht verspielten Rhythmus, und münden tut das Ganze in epischen Blasts, so wie sich das gehört. Es ist ein großartiger Song, und ich wusste, das Album kann eigentlich nur richtig gut werden.

Und ist es dann auch geworden. Zum Glück ist der Doom-Anteil, der sich in “Vagabond” schon zeigt, auch in den anderen Stücken nicht gering, und wer sich das Cover anschaut, wird erkennen, dass GOLGATA wiederum erkannt haben, in einer Welt zu leben, die zu betrauern es sich wahrlich lohnt: Zwar ist das Waldbrand-Bild nicht ganz so schockierend wie das ähnlich gelagerte auf “In One Of These, I Am Your Enemy” von TERZIJ DE HORDE, aber es genügt, um die Stimmung zu setzen, die ich empfinde, wenn ich aktuell in die Nachrichten schaue.

Eine tieftraurig-knorrige Schönheit

Dabei jedoch verfallen GOLGATA nie in die Depression. “Ur Eld och Aska” ist im Grunde Folk Metal, aber solcher der gelungenen Art, sprich: Hier wird die raue Seele des Landes in Musik gegossen und dabei nicht vergessen, dass auch in rauen Landen Frohsinn herrschen kann. Ja, zwischendurch darf gar getanzt werden. Warum auch nicht – nur wer Ambivalenz auszudrücken in der Lage ist, kann das Leben in Musik gießen. Und genau das ist hier passiert.

Angefixt von soviel tieftraurig-knorriger Schönheit habe ich mir auch den Vorgänger “Tempel” einmal angehört – und festgestellt, dass GOLGATA in nur zwei Jahren unglaublich viel an ihrem Ausdruck geändert haben: Der Klang ist viel uriger, der Folk- und Doom-Anteil massiv verstärkt worden, fast genau auf das Level, das ich wohl irgendwie gesucht habe. Es gibt auch Stimmen, die die Band nun mit GRIFT vergleichen, und von der Atmosphäre her mag das stellenweise sogar passen, aber GOLGATA sind trotz aller Naturromantik dann doch sehr viel erdiger, bodenständiger, und es darf auch immer mal wieder einfach nur gerockt werden in ihrer Musik.

Ich muss mir also keine Sorgen machen: Es gibt sie noch zu entdecken für mich, die Kleinode, die mich dann wochenlang und vielleicht den Rest meines Lebens begleiten – weil sie einfach “das gewisse Etwas” haben bzw. genau die richtige Mischung aus Klang, Stil, Artwork und Tradition bieten, um ein auf dem Papier eigentlich ganz unscheinbares Werk zu einem zu machen, das mich tief in der Seele trifft und nicht mehr loslässt. Eine große Empfehlung also hier für dieses meisterhafte Folk/Black/Doom-Metal-Album!

Veröffentlichung (digital) am 7.7.2022 auf Satanath Records

CD bei Ketzer Records

Spielzeit: 33:17 Min.

GOLGATA – “Ur Eld Och Aska” – Tracklist

  1. Ur eld och aska
  2. Undersatar
  3. Liv för en gud
  4. Vagabond (Video auf YouTube)
  5. Aterkomst
  6. En systa sind innan fallet
  7. Marvatten
  8. Vagabond II
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