Irgendwie ist diese Band aus Ikea-Country ein Phänomen: Fast völlig ohne Gitarren kommen ihre Neubearbeitungen von zumeist aus längst vergangenen Zeiten überlieferten Melodien daher, und doch hat sie auch in der Metalszene spätestens seit ihrem vorletzten Album „Vedergällningen“ viele Fans gewinnen können. Ob das nun auf der genial-düsteren Atmosphäre GARMARNAs beruht oder auf den des Öfteren recht blutigen Texten, die bis „Vedergällningen“ aus dem schwedischen Legenden- und Folkliedfundus stammten, sei mal dahingestellt.
Auf „Hildegard von Bingen“ zeigt sich das Quintett jedenfalls nun von einer neuen Seite. Ausgehend von einer Tournee mit den Liedern eben jener Hildegard von Bingen, entstanden rund um die etwa 900 Jahre alten Melodiefragmente dieser mittelalterlichen Mystikerin und Visionärin neun bezaubernd schöne Klanglandschaften (für simple „Songs“ sind die Tracks einfach zu erhaben, tiefgehend und einzigartig). Dadurch vermindert sich der Folkanteil der Songs auf ein Minimum, gleichzeitig wird der Elektronik mehr Platz eingeräumt. Nichts geändert hat sich an der über allem thronenden Stimme von Emma Härdelin, die den ausladenden Melodiebögen von anno dunnemals mal kraftvoll, mal zerbrechlich Leben einhaucht. Zu Beginn vermisst man zwar ein wenig die eingängigen Refrains von „Vedergällningen“, dafür wird man aber reich mit einem sich erst nach und nach in seiner vollen Pracht erschließenden Gesamtkunstwerk belohnt.
GARMARNA leben vom Kontrast moderner Elektronik und althergebrachter Melodien
Wie schon früher lebt der Sound von GARMARNA vom Kontrast der modernen Elektronik und den althergebrachten Gesangslinien, und auch auf „Hildegard von Bingen“ meistern die fünf Schweden den Spagat zwischen trip-hop-artigen Klangflächen und dem Mittelalter entstammenden Melodien hervorragend. Am besten verdeutlicht dies wohl „Unde quocomque“, in dessen sieben Minuten alle Elemente von tanzbaren Loops, folkigen Geigen und Gitarren bis hin zum ätherischen Gesang Emmas sich zu einem großen Ganzen vermengen. Eigentlich fast schon beängstigend, wie selbstverständlich diese Kombination von GARMARNA dargeboten wird! Fest steht, dass die Band mit diesem Album endgültig alle Mitbewerber um die Nachfolge der genialen DEAD CAN DANCE aus dem Rennen befördert haben dürfte! Einzigartig, zeitlos, ergreifend…GARMARNA!
Spielzeit: 41:41 Min.
Line-Up:
Stefan Brisland-Ferner – Streichinstrumente, Gitarre
Emma Härdelin – Gesang
Jens Höglin – Schlagzeug
Gotte Ringqvist: Laute, Gitarre
Rickard Westman – Gitarre, e-bow, Bass
Produziert von Erik S. Sidelake
Label: Westpark
GARMARNA „Hildegard von Bingen“ Tracklist
- Euchari
- Virdissima virga
- Salvatoris
- O frondens virga
- Unde quocomque
- O vis aeternitatis
- Virga ac diadema
- Paso
- Kyrie