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DJUNAH: Femina Furens

Vier Fäuste für ein Halleluja: DJUNAHs zweites Album „Femina Furens“ überrollt alles und jeden. Eine Achterbahnfahrt, die mitreißt und deren Energie ansteckend ist. Das ist der Stoff, aus dem das Album des Jahres gemacht ist.

Ich denke manchmal wehmütig an die Zeit zurück, als pro Monat nur für eine CD das Geld reichte. Für ein Album, das man sich sorgfältig aussuchte, das man sich lange wünschte, und schließlich in den Händen halten konnte. Warum mich die Nostalgie überkommt? So richtig gab es noch keine FOMO, als das Internet in den Kinderschuhen steckte. Einen Monat lang pausenlos ein Album hören, jede Note auswendig kennen, die Lyrics im Schlaf aufsagen. Mit den technischen Gegebenheiten und dem gestiegenen Wohlstand und der stattlich gewachsenen Plattensammlung sind solche Momente sehr rar – und besonders wertvoll.

Dass ausgerechnet das Duo DJUNAH aus Chicago, deren Namen ich bis vor zwei Monaten noch einmal nicht kannte, dieses Gefühl aufleben lassen, kommt überraschend. Dass ihr Album „Femina Furens“ eines dieser magischen Werke ist, ebenso. Nach den zahllosen Durchgängen im letzten Monat verwundert es nicht, dass hier ein Album auf AOTY-Kurs ist. Denn „Femina Furens“ steht zu seinem Namen, es lebt den Furor, lebt die Leidenschaft aus der weiblichen Perspektive. Es zeigt, warum laute Musik mit Gitarren das Maß aller Dinge sein kann, warum Heaviness Erlösung bietet und Kraft spendet, warum Intensität so gut von dieser Musik transportiert werden kann. Da ist es egal, dass sich DJUNAH nicht so einfach in eine Schublade stecken lassen. Das Duo spielt nicht Noiserock, aber es ist klar, warum es so bezeichnet wird. Ernstere MELVINS mit PJ HARVEY als Frontfrau? THE JESUS LIZARD featuring DIAMANDA GALÁS?

DJUNAH klingen mehr nach einer Armee als nach einem Duo: „Femina Furens“ ist extrem laut und unglaublich intensiv.

Ich strenge mich hierbei nicht weiter an, da Vergleiche an dieser Stelle sowieso nichts taugen. DJUNAH klingen von Anfang an vertraut, aber versucht man ihre Musik in Einzelteile zu zerlegen, kommt man schnell an Grenzen. War ihr Debütalbum „Ex Voto“ noch eher im klassischen Noiserock angesiedelt, hat „Femina Furens“ mehr von allem: Mehr Lärm, aber auch mehr Emotion, mehr Epik, mehr Kraft und mehr Eigenständigkeit. Das liegt natürlich an den Qualitäten von Donna Dianne, die es auf unnachahmliche Art und Weise schafft, den Spagat aus Fokus und Epik zu halten. Dieser wilde Ritt, auf den DJUNAH uns schicken, mag nur 35 Minuten dauern, aber alle zehn Songs sind derart packend und intensiv, dass einem dieses in Musik gegossene Flammenschwert beim Erstkontakt mitten ins Herz sticht.

Kein Wunder, dass die Hörer*innen in der Folge lichterloh brennen. Jeder Song ist im Gesamtkonstrukt wichtig und ein kleines Universum für sich. Donna Dianne schreibt die Songs auf den Punkt, wo es sein muss. Das stampfende „Phaeton“ ist eine Kampfansage mit treibenden Drums und lärmenden Riffs. Donna Diannes tiefer, mitreißender Gesang, der irgendwo zwischen PJ HARVEY und DIAMANDA GALÁS liegt, ist unvergleichlich kraftvoll. Der Furor, das Feuer, das alle verzehrt, es lodert natürlich in den lauten Stücken. Der Hit des Albums, „Seven Winds Of Sekhmet“ gleicht dem Ritt auf Pegasus. Das treibende Mainriff, die Gesangsperformance, die dynamische Steigerung in der Strophe – das allein reicht schon, um an der Seite von Donna Dianne in die Schlacht gegen die eigenen inneren Dämonen zu ziehen.

Wütende und introspektive Stücke wechseln sich auf „Femina Furens“ ab: DJUNAH fahren das gesamte emotionale Spektrum in zehn Songs auf.

Neben dem Furor gibt es einige introspektive Stücke auf „Femina Furens“. Hier lassen DJUNAH sich treiben, wo es sein darf. Das verzweifelte „Suicidal On Christmas“ und das komplexe „Lopsided“ brauchen eine Weile, bis sie sich wegen ihrer freien Komposition wirklich setzen, doch gerade Letzteres wird zu einem der stärksten Stücke des Albums. Auch das melancholische „Hallway“ geht durch die offene Verletzlichkeit und einen großen Refrain tief unter die Haut und ist der deutlichste Beweis dafür, dass Donna Dianne authentisch ihre Wunden zeigt. Die Offenheit, mit der die Musikerin zu ihrer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung steht und daraus etwas Großes erschafft, lässt einen allein schon ehrfürchtig werden.

Deshalb ist es kein Wunder, wie authentisch und ausbalanciert diese Musik ist. In den lauten Momenten steckt viel Gefühl und in den leisen Momenten ist genug Kraft. Das zeigt sich in „Butchering und „Petting“ wenn es heavy wird, aber auch in dem größtenteils leise vorgetragenem „Reining“, das die Essenz des Albums lyrisch in weniger als drei Minuten mit höchster Intensität herausstreicht. „I Lay Out My Heart So Loud“ singt und schreit Donna Dianne im abschließenden, übergroßen „Soft Would Circle“ und lässt das Album mit ebenso furios, kraftvoll und determiniert enden, wie es begonnen hat.

Poesie, archaische Bildsprache, erstklassige Songs, brillante Performance: Mit „Femina Furens“ ist DJUNAH ein zukünftiger Klassiker geglückt.

Auf seine Weise ist „Femina Furens“ ein unwahrscheinlich poetisches Werk, es zeichnet den Weg von Trauma hin zur Ermächtigung. Nicht zuletzt deshalb scheint Donna Dianes Motto „No Bullshit“ zu sein: Jede Sekunde Leben ist zu kostbar, um sie wegzuwerfen. Deshalb gibt es in diesen zehn Songs, in diesen fünfunddreißig Minuten keinen schwachen Moment. Mit dem lauten, aber perfekt ausbalancierten Sound von Kurt Ballou zieht dieses Duo in die Schlacht und klingt wie eine ganze Armee. DJUNAH halten derweil mit beeindruckender Sicherheit die Waage zwischen sorgfältigem Songwriting und Spontaneität. Das Album lebt und pulsiert, es strahlt unbändige Kraft und Euphorie einerseits und tiefste Trauer und Verletzlichkeit andererseits aus.

Dass Donna Dianne nebenbei als Instrumentalistin an der Gitarre und dem gleichzeitig mit dem Fuß gespielten Moog als Bassersatz brilliert und die beste, weil authentischste Gesangsperformance des Jahres abliefert und Drummer Jared Karns als groovender und treibender Rhythmuspartner den Songs ein absolut sicheres Fundament gibt, verwundert also überhaupt nicht. DJUNAH geht als DIY-Band keine Kompromisse ein, geht den steiningen Weg und zeigt, warum emotionale Musik mit heavy Gitarren die beste der Welt ist. Und sie verdeutlichen, dass relevante Musik nicht nur aus dem Herzen der Musiker kommt, sondern auch dem Leben der Rezipienten etwas mit auf den Weg gibt. Anders gesagt: Wer es laut und leidenschaftlich mag, wird den zukünftigen Klassiker namens „Femina Furens“ in jeder Zelle des Körpers spüren.

Wertung: 9,5 von 10 Flammenschwerter

VÖ: 3. März 2023

Line-Up:

Donna Dianne – Vocals, Guitars, Bass Moog
Jared Karns – Drums

Label: Eigenproduktion

DJUNAH „Femina Furens“ Tracklist:

1. Grooming
2. Phaeton
3. Hallway
4. Suicidal On Christmas
5. Seven Winds Of Sekhmet (Official Video bei Youtube)
6. Lopsided
7. Butchering
8. Petting
9. Reining
10. Soft Would Circle

Mehr im Netz:

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