BOSHETUNMAY: Signal

Kein schlechtes Album, auch wenn einmal der Wunsch, eben für fünf Minuten außerhalb der Reichweite der Lautsprecher Wäsche zu waschen, Opas Fußnägel zu schneiden, der Freundin den letzten Seitensprung zu beichten oder anderen kleineren Übeln nachzugehen, aufkommt…

Die erste Begegnung mit Minimalelektro hatte der Verfasser dieser Zeilen schon in jungen Jahren, als Papa Rachendrachen (nicht mit PAPA ROACH verwechseln!) es für eine gute Idee hielt, auf einer ewig dauernden Urlaubsfahrt gen Dänemark KRAFTWERKs Wir faaaahrn, faaaahrn, faaaahrn auf der Autobaaaahn-Song in Endlosschleife laufen zu lassen. Nicht ganz so monoton wie die deutschen Elektropioniere gehen zum Glück BOSHETUNMAY auf Signal zu Werke. Ihre Elektronik besticht jedoch ebenfalls durch die warmen 80er-Synthiesounds, die einen dezent an die Zeiten erinnern, in denen Packman das Nonplusultra war und auf einem extra an den Fernseher anzuschließenden Steinzeitcomputer gezockt wurde. Und dieser leichte Nostalgietouch steht dem Brüderpaar Dercho gar nicht übel zu Gesicht, wie ich finde. Man muß eben ein Faible für E-Sounds haben, die nicht glattpoliert aus Gigabyte-Monstern ausgespien wurden, dann kann ein Track wie Plastic Heart durchaus Spaß machen, zumal die Rhythmik dann doch verrät, daß auch moderne EBM-Einflüsse nicht ganz zu verleugnen sind, durch den konservativen Gesamtsound bekommen sie jedoch einen eigentümlichen Charakter. Nicht-Liebhabern mag so manche Stelle hingegen wie aus dem Jim-Knopf-Technosong vorkommen…

Die Metalkompatibilität beschränkt sich auf einige treibende Gitarrenriffs, z.B. in The Shame, wo diese das Stück zu einem Höhepunkt des Albums werden lassen, und in Lullaby, bei dem sie jedoch am schwachen, allenfalls Demo-Niveau erreichenden Gitarrensound kranken. Definitiv nicht Metal ist Sänger Harry Dercho, er versucht sich vielmehr an emotionalen Gesangslinien voller Pathos, was allerdings der Platte leider so einiges an Reiz raubt. Harry klingt nämlich so, als wären die Songs alle so an die acht, neun Halbtöne zu hoch eingespielt worden, so daß sie jenseits seiner Stimmlage liegen und er nun völlig verunsichert bei jedem Ton erstmal selbst zurückhaltend seiner eigenen Stimme zu lauschen scheint. Besonders negativ fällt in der Hinsicht Corporation Of Dreams auf, hier wird die Grenze zur Garstigkeit deutlich überschritten und der Wunsch, mal eben für fünf Minuten außerhalb der Reichweite der Lautsprecher Wäsche zu waschen, Opas Fußnägel zu schneiden, der Freundin den letzten Seitensprung zu beichten oder anderen kleineren Übeln nachzugehen, kommt auf. Dabei haben´s die ursprünglich aus Sibirien stammenden Gebrüder Dercho sicher nur gut gemeint und wollten mal etwas anderes als den EBM-Einheitsbeatbrei abliefern. Deshalb sei ihnen auch dieser Ausrutscher verziehen, so sie denn in Zukunft mehr darauf achten, ihre Lieder in der für dunklen Gesang geeignetsten Tonlage anzusiedeln und noch etwas mehr Ecken und Kanten in das Songmaterial einzubauen.

Spielzeit: 47:52 Min.

Line-Up:
Harry Dercho – Gesang

Witali Dercho – Gitarre, Klavier, Computerkram

Produziert von BOSHETUNMAY
Label: Dercho Music/Eigenproduktion

Homepage: http://www.boshetunmay.de

Email: dercho@worldonline.de

Tracklist:
Vote For The Black

The Shame

Lullaby

Lodestar

Plastic Heart

Is Anyone…?

Corporation Of Dreams

Wasted By Disease

A Clod In Your Throat

Personifiziertes Silikon

Signal

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