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IQ: Eine düstere Angelegenheit

Die britischen Prog Rocker von IQ können mittlerweile auf eine 20 jährige Bandgeschichte zurückblicken. Mit "Dark Matter" vervollständigt die Band ihre hervorragende Diskographie um ein weiteres Mosaiksteinchen. So hochwertig die Musik auch ist, über das Innenleben von IQ ist auch nach 20 Jahren noch recht wenig bekannt. Keyboarder Martin Orford gibt im Interview Auskunft über die Idee hinter "Dark Matter" und über die Band selbst.


Die britischen Prog Rocker von IQ können mittlerweile auf eine 20 jährige Bandgeschichte zurückblicken. Mit Dark Matter vervollständigt die Band ihre hervorragende Diskographie um ein weiteres Mosaiksteinchen. So hochwertig die Musik auch ist, über das Innenleben von IQ ist auch nach 20 Jahren noch recht wenig bekannt. Keyboarder Martin Orford gibt im Interview Auskunft über die Idee hinter Dark Matter und über die Band selbst.


IQ hat ja jetzt eine Pause von fast vier Jahren eingelegt. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht?

Wir haben tatsächlich alle gearbeitet. IQ ist eine reine Teilzeitbeschäftigung. Das ist einfach eine Sache, die wir machen, wenn wir können. Wir haben sozusagen alle normale Leben außerhalb der Band. So ist es weniger eine Frage, ob wir Pause machen, sondern ob wir ein Album machen. Ein Album zu machen dauert ganz schön lange, da wir keine Profi-Musiker sind.

Also war das keine notwendige Pause, die ihr eventuell brauchtet, um neue Kreativität zu gewinnen?

Wir haben einfach nicht viel Zeit um zusammenzukommen und an Musik zu schreiben. Deshalb dauert es auch mal vier Jahre. Wären wir eine Vollzeit Band, könnten wir regelmäßiger unsere Alben aufnehmen. Aber da wir alle Arbeit außerhalb der Musik haben, müssen wir das in unserer Freizeit machen. Tatsächlich treffen wir uns als Band um an neuem Material zu arbeiten nur fünf oder sechs Mal im Jahr.

Was ist denn dein kreatives Zentrum? Entwickelst du Ideen im Proberaum, im Studio, zu Hause oder ist das eher zufällig?

Bei uns schreibt jeder für sich und dann kommen wir im Proberaum zusammen und entwickeln die Ideen dort weiter oder fügen sie zusammen. Normalerweise auch mit vielen Meinungsverschiedenheiten. Wir kriegen unsere Sachen trotzdem größtenteils fertig bevor wir dann ins Studio gehen. Natürlich sind da auch einige kleinere Sachen und Ungereimtheiten, die wir erst kurz vor Schluss beseitigen.

Offensich hat Dark Matter ein düsteres Thema. Was hat euch dazu bewogen, dieses Thema tatsächlich umzusetzen?

Es ist eigentlich gar kein richtiges Thema. Wir hatten eigentlich die Idee, eine Art Konzeptalbum zu machen, dass von verschiedenen Aspekten der Angst handelt. Aber wir haben dann entschieden, dass Angst ein emotional zu sehr limitiertes Thema ist, um ein komplettes Album darüber zu schreiben. Es hätte bedeutet, dass so ziemlich alles, was wir schrieben, einen sehr gleichen Stil hätte haben müssen. So haben wir diese Idee recht früh verändert. Aber eine Menge Ideen kamen von dem ursprünglichen Konzept. Das bedeutete dann, dass das Album eine recht düstere Richtung hatte und das hat uns gefallen, deshalb haben wir es beibehalten.

Martin
Martin Orford: Wir haben niemals einen Masterplan bei einem Album.

Habt ihr dann später gemerkt, dass es insgesamt eher düster geworden ist, oder habt ihr euch tatsächlich hingesetzt und gesagt, wir wollen ein solches Thema umsetzen?

Dark Matter ist so ein Album, das sich einfach in diese Richtung entwickelt hat. Wir haben niemals einen Masterplan bei einem Album. Wir sagen niemals, lass uns ein Album in einem speziellen Stil schreiben. Wir schreiben einfach, wie es in dieser Zeit passiert und dann fügen wir alles zusammen. Daraus entwickelt sich dann ein eigener Charakter.

Einige Leute würden vielleicht sagen: IQ ist doch überhaupt nicht düster“ und einige Bands auflisten, die düstere Namen, düstere Cover und düstere Songtitel haben. Was macht Dark Matter“ düster?

Das ist einfach eine andere Art von Musik. Dark Matter wird einfach durch die verwendeten Akkorde düster. Es enthält eine Menge Dreiklänge mit Quarten, wie sie in der Kirchenmusik im Mittelalter benutzt wurden. Wenn man davon viel verwendet, was wir getan haben, bekommt man dadurch einen sehr unheimlichen Effekt. Es gab tatsächlich einen Akkord, der im Mittelalter als Teufelsakkord bezeichnet wurde und wir haben da eine ganze Menge davon verwendet. Bands wie KING CRIMSON verwenden ihn ebenfalls sehr häufig. Das hat einen sehr starken musikalischen Effekt.

Lass uns mal über die Texte sprechen. In The Wrong Host, dem zweiten Teil von Harvest Of Souls, ist Amerika in Verbindung mit dem Recht auf ihrer Seite erwähnt. Ist das Kritik an der aktuellen Außenpolitik der Vereinigten Staaten?

Man kann das so lesen, wie man es gerne möchte. Der Amerika Teil ist sehr unbestimmt. Man kann das sehr antiamerikanisch lesen oder sehr zum Wohle von Amerika. Es funktioniert tatsächlich auf beiden Ebenen und das macht es – denke ich – erst richtig interessant. Man kann es so lesen, wie Peter es ausdrücken wollte und eine eigene Interpretation daraus folgern.

Euer Premierminister Tony Blair hat sich ja am umstrittenen Krieg im Irak beteiligt. Ist sein Verhalten dann auch als gut oder schlecht im eigenen Sinne zu betrachten?

Ich denke, man würde innerhalb der Band IQ durchaus verschiedene Meinungen zu diesem Thema finden. Der Großteil der Bandmitglieder ist wohl gegen den Krieg im Irak, aber ich befürworte den Krieg zum Beispiel. Das ist eine Sache, die IQ ausmacht. Wir haben nicht immer dieselbe Meinung zu allen Themen.

Ein weiterer Song ist Red Dust Shadow. Man kann dort über Kinder lesen, die von ihren Vätern verlassen wurden. Es gibt da einen Reim auf 1969 und da hab ich mich mal schlau gemacht und folgende Ereignisse gefunden: Erste Mondlandung, die Manson Morde und Woodstock. Steht der Text mit irgendeinem dieser Ereignisse in Verbindung?

Ich glaube, da gibt es keine tiefere Bedeutung. Pete hätte wahrscheinlich genauso gut 1959 nehmen können als Text, da er in diesem Jahr geboren wurde, aber wahrscheinlich dachte er, dass in dies zu alt erscheinen lässt und deshalb hat er 1969 genommen. Ich glaube da muss man nicht viel reininterpretieren, Pete wollte sich wohl nur jünger darstellen, als er wirklich ist.

Lass uns dann über einen anderen Text sprechen. In Sacred Sound gibt es einige Passagen, die in mir den Verdacht wecken, dass mit The Book Of Ghosts die Bibel gemeint sein könnte.

Ehrlich gesagt, kann ich dazu gar nicht viel sagen. Wir diskutieren in der Band normalerweise nicht sehr viel über die Texte. Und ich weiß auch tatsächlich nicht, von was die meisten IQ Texte handeln. Wir sprechen nie darüber. Pete gibt nicht gerne genaue Erklärungen zu den Texten. Er schreibt gerne abstrakte Texte, von denen die Leute dann ihre eigenen Vorstellungen bekommen. Ich habe schon oft gehört, wenn Pete über die Texte befragt wurde, dass er einfach sagte, was denkst du denn, um was es geht? Die Leute geben ihm dann lange Erklärungen und er hört sie sich einfach zu Ende an und sagt, ihr habt absolut recht! Er wird Texte niemals im Detail erklären. Das hat er nie getan und wird es wohl auch niemals tun. Sogar uns wird er sie wohl nie erklären. Das könnte durchaus was religiöses sein in diesem Text, aber ich weiß es eigentlich nicht. Ich spiele nur die Keyboards!

Dann lass uns einfach über musikalische Dinge sprechen. Sacred Sound hat einen 7/8 Takt, dennoch fühlt sich der Song sehr natürlich an.

Er hat einige 7/8 Passagen und sogar einige 13/8 Sachen. Ich denke, wenn man Timings benutzt, die nicht so gewöhnlich sind, dann sollte man sie in einer natürlichen, frei fließenden Art benutzen. Ich mag Musik nicht, die einfach nur kompliziert ist, weil sie es sein soll. Nur weil etwas 13 Schläge im Takt hat, bedeutet das nicht, dass es sich gleich unnatürlich anhören muss. Es kann sich tatsächlich sehr flüssig und gut anhören. Wir versuchen immer wieder auch komplizierte Taktarten in dieser Art und Weise zu benutzen und nicht einfach irgendwas kompliziertes zu spielen und zu sagen: Hey, schaut mal her, sind wir nicht gut?.

IQ scheint generell eine Band zu sein, in der der Song und vor allem die Atmosphäre wichtiger sind, als individuelle Performance, obwohl ihr auch lange Songs mit Instrumentalpassagen am Start habt. Was ist da die Philosophie im Songwriting?

Wir versuchen einfach nur gute Songs zu schreiben, nicht die Musikwelt zu revolutionieren und unsere Musikalität zu präsentieren. Wir versuchen einfach gute Musik zu schreiben und das ist die einzige Philosophie, die hinter dem Ganzen steckt.

Magst du trotzdem Bands, die viele Soli und komplizierte Arrangements spielen?

Ohhh, ich hasse diese Leute einfach. Ich spiele selbst sehr wenige Soli und ich finde solche Sachen einfach total langweilig. Ich denke, wenn man eine richtig gute Melodie hat, klingt sie meistens besser auf Gitarre als auf dem Keyboard. Ganz selten habe ich Sachen, die besser im Synthesizer Sound klingen, aber meistens bin ich echt glücklich, dass die Gitarre die Soloarbeit übernimmt. Ich denke einfach, dass die Gitarre ein besseres Instrument für Soli ist.

IQ:
Das Cover von Dark Matter

Wie sind euere Tourpläne bezüglich Dark Matter, habt ihr vor wieder mit Video Installationen zu spielen, wie ihr das bereits einmal gemacht habt?

Wir können dieses Jahr leider nicht viel mehr touren. Wir haben bereits die meiste Zeit, die wir in diesem Jahr haben, in das neue Album gesteckt. Wir haben einfach nicht mehr Urlaub und deshalb können wir nicht weiter touren. Wir haben ein paar Gigs in Europa im Mai gespielt, aber es ist keine Tour geplant. IQ wird als Teilzeitband niemals mehr als zehn Gigs pro Jahr spielen. Also ist die Dark Matter Tour für Europa eigentlich schon beendet. Wir waren auch schon in Deutschland und wir genießen das jedes Mal, wenn wir dort sind.

Ihr seid ja 5 Musiker. Wie läuft das mit dem Songwriting ab, gibt es jemanden, der die Hauptarbeit macht oder sind alle gleichermaßen involviert?

Jeder ist bis zu einem gewissen Punkt involviert. Mike Holmes und ich sind wohl die beiden Hauptwriter vor allem auf Dark Matter. Das war so nicht immer der Fall. Auf The Seventh House waren es Mike Holmes und John Jowitt. Peter kommt erst gegen Ende zum Einsatz, wenn er die Texte und die Gesangsmelodien schreibt, aber das meiste wird von Mike und mir erledigt und dazu kommt dann Paul mit seinen Drumparts, die teilweise einen kompletten Song rhythmisch auf den Kopf stellen können und ihm eine völlig andere Richtung geben können. Wir tragen alle unseren Teil zum Songwriting bei.

Wie löst ihr Probleme, falls es da verschiedene Ansichten gibt in musikalischen Angelegenheiten?

Wir haben jedes Mal einen Riesenkampf. Wir werfen Dinge durch die Gegend, schlagen Türen zu und es gibt riesige Debatten. Das Klima in dem Raum ist dann sehr schlecht. Wir kämpfen da als Band jedes Mal richtig heftig. Du willst wirklich nicht in unserem Proberaum sitzen, wenn es rund geht. Das ist wie der dritte Weltkrieg.

Viele Leute sagen, dass das Internet die Musik kaputt macht, vor allem, wenn man sich die File-Sharing Thematik anschaut. Andere sagen, dass das Internet Werbung für gute Musik macht. Wie denkst du darüber?

Ich denke, dass es sehr nützlich sein kann, aber auch sehr zerstörerisch. Für uns ist es eher hilfreich, weil es einfach ist, an Informationen über unsere Musik zu kommen und so ein wesentlich größeres Publikum zu bekommen. Es ist viel einfacher ein Album über das Internet zu publishen, als tausende Euros für Werbeanzeigen in teuren Magazinen auszugeben. Von diesem Standpunkt ist das Internet also sehr gut. Andere Bands beschweren sich sehr darüber, dass ihre ganze Musik im Internet erhältlich ist. Bei uns sehe ich kein großes Problem darin, dass unsere Sachen verfügbar sind. Also würde ich sagen, dass das Internet für IQ eine Bereicherung ist, aber das könnte sich auch ändern.

Ihr könnt jetzt auf eine Bandgeschichte von ungefähr 20 Jahren zurückblicken. Was hat sich für euch in dieser Zeit geändert? Vertraut ihr immer noch auf dieselben Instrumente, Verstärker und sonstige Hardware wie zu Beginn?

Die digitale Aufnahme ist auf jeden Fall die größte Verbesserung in dieser Zeit. Wir machen mittlerweile alles digital. Es ist großartig für die Musik, die wir machen. Man kann einfach alles, was man hat, auf den Computer aufnehmen und dann kann ich zum Beispiel meine Keyboard Parts zu Hause machen und diese dann wieder auf Festplatte in das Hauptstudio bringen. Ich muss dann nicht Stunden im Studio verbringen. Ich kann dann einfach nach Hause und meinen Part machen. Ich muss dann dafür auch nicht die Preise für die Studiostunden bezahlen.

Hat sich dein Stil in dieser Zeit verändert über die Jahre? Hat dich andere Musik beeinflusst?

Ich weiß es nicht, das sollten andere Leute beurteilen. Ich glaube nicht, dass sich mein Stil verändert hat. Andere würden das vielleicht anders sehen. Ich versuche mich überhaupt nicht von anderer Musik beeinflussen zu lassen. Ich höre eigentlich gar keine Musik.

Du schaust also nur auf dich selbst?

Ja, ich habe wirklich keine CD Sammlung. Ich denke, ich habe nicht mal 50 CDs und schalte meinen CD Player eigentlich kaum mal ein. Sofern es möglich ist, versuche ich mich überhaupt nicht von anderer Musik beeinflussen zu lassen.

Früher wurdet ihr oft mit MARILLION verglichen. Ist das immer noch der Fall?

Ja, wir werden immer noch mit ihnen verglichen, aber ich denke, wir sind überhaupt nicht wie MARILLION und ich denke, wir waren es auch nie.

Stören dich diese Vergleiche? Vor allem, wenn du IQ als eine Band ansiehst, die mittlerweile eine eigene Geschichte von 20 Jahren hat?

Mich hat das am Anfang sehr gestört, weil die Musik, die MARILLION damals spielte, sehr bieder war. Ich denke, dass wir eine sehr einfache Form des progressiven Rocks spielten, wenn man es so ausdrücken mag. Wir mochten es, Dinge zu tun, die sich so anhörten, als ob sie in komplizierten Takten gespielt waren, aber tatsächlich ganz einfach waren. In dieser Zeit mochte ich die Vergleiche überhaupt nicht, weil ich einfach denke, dass MARILLION damals einfach nicht besonders gut waren. Ich denke, dass sie nach drei oder vier Alben eine wirklich gute Band wurden und ich denke, dass sie sich in eine andere Richtung entwickelt haben, die sehr gut zu ihnen passt. Mittlerweile haben sie ihr Handwerk wirklich sehr gut gelernt und machen das, was sie können, sehr gut. Deshalb stören mich die Vergleiche nicht mehr.

Im progressiven Rock hat man ja oft mit Allstar Projekten zu tun. Hast du auch Pläne, außerhalb von IQ Projekte zu machen?

Ja, ich bin immer offen andere Projekte zu machen. Ich bin auch ein festes Mitglied bei JADIS und da wird es definitiv noch mehr Alben geben. Kürzlich habe ich ja auch auf dem neuen AYREON Album gespielt. Ich hoffe auch, dass ich nächstes Jahr eventuell ein Soloalbum machen kann. Die Tür ist immer offen für Projekte.

Würdest du dir wünschen professioneller Musiker zu sein?

Nein, ich mag, was ich im Moment habe, da ich mehr Vollzeit Musiker bin als der Rest von IQ. Mein Job ist es nämlich, die Plattenfirma zu leiten, über die wir unsere Alben veröffentlichen, deshalb bin ich da flexibler als die anderen. Aber ich würde niemals aufhören die Plattenfirma zu leiten, um professioneller Musiker zu werden, weil es mir einfach Spaß macht, die Plattenfirma zu leiten. Ich denke, mir würde auch langweilig werden, wenn ich nur Musiker wäre. Ich denke, dass IQ die besten Alben gemacht haben, seitdem wir das nur noch nebenberuflich machen. Wir würden keine besseren Alben machen, wenn wir Profimusiker wären, wir würden sie höchstens schneller machen. Wir haben in diese Richtung überhaupt keine Ambitionen. Wir wollen es einfach nicht.

Also steht die Musik an erster Stelle, nicht das Geld.

Ja, das ist richtig. Wir haben alle unser normales Leben. IQ ist nicht der Hauptinhalt unserer Leben. Es ist etwas, was wir machen, wenn es uns möglich ist und deshalb haben wir wesentlich mehr Bezug zum richtigen Leben als viele andere Musiker. Das ist eine gute Sache.

Das war`s auch schon wieder. Willst du unseren Lesern zum Abschluss noch was mit auf den Weg geben?

Das Interview hat Spaß gemacht und ich hoffe, dass ihr alle die Musik genießt und dabei bleibt!

Layout: Uwe

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