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ALIAS EYE: A Different Point of You

Art Rock darf alles, solange es nur eine klare stilistische Kategorisierung verhindert. Unter diesem Aspekt ist ALIAS EYE ein überzeugendes Album gelungen, das mit zunehmender Spieldauer immer besser wird.

Wenn man poppige Rockmusik, Funk, sphärische Klange und dezente Swingeinflüsse in einen Topf wirft und kräftig umrührt, kann nur Art Rock herauskommen. ALIAS EYE sind auf ihrem zweiten Album dabei etwa genauso aufregend wie Spaghetti mit Tomatensauce. Die Produktion klingt zudem so, wie ich mich letzte Woche beim Blutspenden gefühlt habe.

Dabei machen die Mannheimer ihre Sache ausgesprochen gut. Nur mit Rockmusik hat A Different Point of You nicht mehr viel zu tun. Zumindest nicht in der hier dargebotenen Form: Das Schlagzeug macht im Prinzip alles außer Druck erzeugen, und die Gitarre spielt lieber sechs verschiedene Töne gleichzeitig, als einfach mal zu braten. Schon beim Opener A Clown`s Tale ist das Saxophon heavier als beide Saitenzupfer zusammen. Live dürfte die Sache sich natürlich anders anhören. Doch auf CD wirkt die Musik ungefähr so ansprechend wie die Hintergrundmusik im Supermarkt.

Wer bei jener genau hinhört (so wie ich), wird wissen, dass es da Unterschiede gibt. Während in manchen Läden einfach ein Radiosender läuft, haben andere mehr oder weniger gelungene Liedersammlungen, die nur für die aktuellen Sonderangebote unterbrochen werden. Solche Überraschungen bleiben dem geneigten Hörer / der geneigten Hörerin (Beim diesjährigen Freakshow-Festival in Würzburg habe ich zum ersten Mal in meinem Leben weibliche Prog-Fans gesehen!) hier allerdings zum Glück erspart. Denn das, was sie machen, d.h. Art Rock, machen ALIAS EYE sehr gut.

Mit viel Liebe zum Detail wird A Different Point of You serviert. Bereits das Titelbild springt ins Auge und weiß zu gefallen. Während die ersten beiden Stücke sehr geradlinig ausgefallen sind und noch ansatzweise das Attribut Rock verdienen, gibt es im weiteren Verlauf ausschweifendere Lieder mit etwas mehr Dynamik. Richtig abgedreht ist aber keiner der Songs geworden, so dass die Musik vornehmlich für besinnliche Genießer geeignet sein dürfte. Auffallend ist dabei, dass ALIAS EYE mit ihren Kompositionen alle Musikliebhaber und nicht nur Musiker / Musikerinnen (Dass es weibliche Progmusiker gibt, ist mir dank ÄNGLAGÅRD, ANEKDOTEN und WHITE WILLOW schon länger bekannt.) ansprechen. Maßgeblichen Anteil daran hat Sänger Philip Griffiths, dessen kräftige Stimme klar im Mittelpunkt steht. Doch auch bei Instrumentalpassagen verlangen die Stücke trotz einiger gewagter Harmonien nie musiktheoretisches Hintergrundwissen.

Dafür sorgen ALIAS EYE für Überraschung und Abwechslung, indem sie bei Your Other Way, dem wohl besten Song des Albums, ein Akkordeon schlüssig in ihren Sound integrieren. Mit Drifting gibt es zudem eine sehr ruhiges Lied mit schönem Klavier, ehe die Stimmung bei On The Fringe umschlägt. Spätestens hier haben sich auch meine Ohren gut genug an den Stil angepasst, um Unterschiede auf den Dimensionen Tiefe und Dramatik wahrzunehmen. Am Ende gibt es mit Too Much Toulouse dann ein Stück, das vermutlich selbst für eine Band wie TOTO zu swingig wäre. Zumindest klingt die Nummer wie die Abspannmusik eines nostalgischen Schwarzweißfilms, womit wir wieder bei dem Thema wären, dass Art Rock alles darf, solange es nur eine klare stilistische Kategorisierung verhindert.

Unter diesem Aspekt ist ALIAS EYE ein überzeugendes Album gelungen, das mit zunehmender Spieldauer immer besser wird. Insofern stehen die Chancen gut, dass die Band bei ihrem Zielpublikum mit A Different Point of You punkten kann. Und Leute, die schon immer eine CD suchten, auf der ein Taucher und ein paar Fische in einem Trinkglas schwimmen, kommen an dem Album ohnehin nicht vorbei.

Veröffentlichungstermin: 01.12.2003

Spielzeit: 51:08 Min.

Line-Up:
Philip Griffiths: Gesang

Matthias Richter: Gitarre

Vytas Lemke: Keyboards

Frank Fischer: Bass

Ludwig Benedek: Schlagzeug
Label: DVS Records

Homepage: http://www.aliaseye.com

Tracklist:
1. A Clown`s Tale

2. Fake Your Right

3. Your Other Way

4. Icarus Unworded

5. The Usual Routine

6. Drifting

7. On The Fringe

8. The Great Open

9. Too Much Toulouse

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