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SABATON, BABYMETAL, LORDI: Konzertbericht – Olympiahalle, München – 15.05.2023

Die Megalomanie steckt bereits im Motto: Unter dem Banner “The Tour To End All Tours” bringen SABATON die vielleicht aufwendigste Produktion der eigenen Bandgeschichte in die größten Arenen Deutschlands und haben mit BABYMETAL sowie LORDI sogar an ein kunterbuntes Vorprogramm gedacht.

„…But war never ends!“ Es sind mahnende Worte, die am Ende einer opulenten wie ereignisreichen Show als Flugblätter vom Himmel regnen – die weiße Friedenstaube darauf vielleicht sogar eine Art Appell, nach dem vorangegangenen Spektakel vielleicht doch ein paar Momente innezuhalten und zu reflektieren. Die unaussprechlichen Kosten des Kriegs hat man uns schließlich deutlich vor Augen geführt, verpackt in eine bombastische und dramaturgisch perfekt inszenierte Darbietung.

„The Tour To End All Tours” nennen SABATON dieses Schauspiel in Anlehnung an ihr aktuelles Album „The War To End All Wars“ (2022), welches – der Titel sagt es ja schon – den Ersten Weltkrieg ins Zentrum rückt. Stampfende Rhythmen, eingängige Refrains und bombastische Keyboards sind dabei die Hauptzutat, mit welcher die Schweden schon längst die großen Arenen Europas erobert haben. Dass München als letzte Station auf deutschem Boden an einem Montagabend angesteuert wird, soll dabei nicht zum Nachteil gereichen. Im Gegenteil, ein beträchtlicher Teil der altehrwürdigen Olympiahalle ist selbst für das eigentlich kurios anmutende Vorprogramm aus LORDI sowie BABYMETAL offenbar Feuer und Flamme.


LORDI

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Grob geschätzt zur Hälfte gefüllt sind Arena und Ränge, als um Punkt sieben die finnischen Monster-Rocker LORDI zum Tanz bitten. Das ist keine schlechte Ausgangslage, wenngleich die Horror-Atmosphäre unter den Lichtverhältnissen ein wenig leiden muss: „Es ist scheiße hell hier!“, stellt sogar Frontmann Mr. Lordi in lupenreinem Deutsch und mit Blick auf die teils verglaste Konstruktion fest, durch die selbst an einem grauen Frühlingsabend ein paar Sonnenstrahlen treten.

Was dem Grusel-Set mit seinen Skelett-Büsten und leuchtenden Totenköpfen heute an Atmosphäre fehlt, machen LORDI durch Spielfreude und Humor dafür locker wett. Insbesondere Neu-Gitarrist Kone ist während der 40-minütigen Show kaum an seinem Platz zu halten, während er hier und da ein paar astreine Soli aus dem Ärmel schüttelt („Lucyfer Prime Evil“). Bandkopf Mr. Lordi selbst gibt sich wie gehabt äußerst redselig, wobei die Mischung aus englischen und deutschen Anzüglichkeiten beim Publikum durchaus für einige Lacher sorgt.

LORDI greifen selbst als Opening-Act ein paar Mal in die Trickkiste

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Auf diese Weise bricht das Eis fast in Rekordzeit, zumal das Quintett fast ausnahmslos seine größten Hits zum Besten gibt. Zwar recken sich den Finnen auch beim neuen „Thing In The Cage“ zahlreiche Fäuste entgegen, doch sind es letztendlich die erprobten Klassiker wie „Would You Love A Monsterman?“, „Blood Red Sandman“ oder „Devil Is A Loser“, welchem ein kurzes Gitarrensolo vorausgeht, die das Publikum auf Touren bringen.

Als wahre Showmänner und -frauen greifen LORDI derweil sogar als Opening Act in die Trickkiste: So zückt der Bandkopf höchstpersönlich zunächst eine Kreissäge, demonstriert dann stolz seine dämonischen Flügel und zückt in „Who’s Your Daddy?“ schließlich eine CO²-Kanone, um sein bestes Stück zu imitieren. Dabei haben die Finnen ihren größten Hit selbstverständlich bis zum Schluss aufgehoben: Selbst 17 Jahre nach dem Sieg beim Eurovision Songcontest 2006 ist es immer noch „Hard Rock Hallelujah“, das die Massen endgültig in Wallung bringt: So springt zum Abschluss nicht nur der harte Kern im abgetrennten „Golden Circle“-Bereich eifrig im Takt und belohnt auf diese Weise einen rundum soliden Auftritt, der aber für unseren Geschmack durchaus ein wenig mehr Risiko hätte wagen dürfen.

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LORDI Setlist – ca. 40 Minuten

1. Dead Again Jayne
2. Would You Love A Monsterman?
3. Thing In The Cage
4. Blood Red Sandman
5. Lucyfer Prime Evil
6. Devil Is A Loser
7. Who’s Your Daddy?
8. Hard Rock Hallelujah

Fotogalerie: LORDI


BABYMETAL

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Eine Rückwand aus Scheinwerfern bildet nach dem 20-minütigen Changeover die Kulisse für den bevorstehenden Kulturschock. Während das gesprochene Intro den Fantasy-Mythos um das Trio BABYMETAL in Kurzfassung vorträgt, marschiert bereits die Begleitband in Roben und oni-artigen Masken auf die Bretter. Als die Musiker kurz darauf mit kompromisslosen Thrash-Riffs und aggressivem Drumming loslegen, dürfte ein Großteil der Halle erstmal geschluckt haben. Die japanische Kawaii-Metal-Formation sprengt heute nicht nur durch ihr schrilles Auftreten den Rahmen, sondern ist zugleich der musikalisch härteste Beitrag des Abends.

Das nahezu instrumental gehaltene „Baby Metal Death“ nutzen die drei Idols um Sängerin Su-Metal jedenfalls, um den Müncher:innen ihren Kosmos näher zu bringen: Der klassische Metal-Gruß dient leicht abgewandelt der Ehrerweisung an den “Fuchs-Gott”, während die minutiös einstudierten Tanzchoreografien nicht nur die Mitglieder des SABATON-Fanclubs zu unserer Rechten etwas ratlos zurücklassen. Klar, gerade ein Publikum, wie es die Schweden mit ihrer Blockbuster-Show anziehen, ist für einen Casting-Act aus Fernost sicherlich kein leichtes Pflaster.

Die gute Laune BABYMETALs springt schnell auf Teile des zunächst ratlosen Publikums über

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Blendet man diesen Hintergrund aus, so stellen zumindest wir doch fest, dass die Kami-Band im Hintergrund durchaus einiges auf dem Kasten hat, während die Arrangements zwischen treibendem Metal und poppigen Gesangslinien durchaus einen gewissen Charme entwickeln. Aus diesem Grund bildet sich schon in „Megitsune“ vor der Bühne ein kleiner, aber feiner Pit, während außen herum doch eine beachtliche Meute auf und ab springt. Die gute Laune BABYMETALs springt tatsächlich schnell auf Teile des Publikums über: In der ersten Reihe lassen gar ein paar Konzertgänger zu „PA PA YA!!“ die eigenen T-Shirts über ihren Köpfen kreisen.

Nach anfänglichen Wacklern findet indes auch Sängerin SU-METAL schnell zu alter Form. Während selbst im getragenen „Metal Kingdom“ der Circle Pit seine Runden dreht, lässt die charismatische Fronterin stimmlich nichts mehr anbrennen. Im Gegenteil, müssen wir gegen Ende des 40-minütigen Sets ob der souveränen Performance sogar unseren Hut ziehen – keine Selbstverständlichkeit, wenn man gleichzeitig unermüdlich mittels einstudierten Tanzchoreografien das Publikum zu unterhalten versucht.

An BABYMETAL scheiden sich die Geister und doch hat die Gruppe letzten Endes alles richtig gemacht

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Obgleich die für unsere Begriffe durchaus skurrile Show im Nachgang erwartungsgemäß kontrovers diskutiert wird, scheinen BABYMETAL in München doch ein paar neue Fans gewonnen zu haben: Der Bitte SU-METALs für “Monochrome” mittels der eigenen Mobiltelefone etwas „Licht in diese dunkle Welt“ zu bringen, kommt man in der gesamten Halle gerne nach, um schließlich in „Road Of Resistance“ mit seinem unüberhörbaren DRAGONFORCE-Einschlag noch einen draufzusetzen: Als die drei Performerinnen zu Beginn des Songs zum Abschied jeweils eine Flagge mit dem Bandlogo schwenken, zieht gerade munter und unbeschwert eine Polonaise durch den Pit. Also letzten Endes doch alles richtig gemacht, möchten wir meinen.

BABYMETAL Setlist – ca. 40 Minuten

1. BABYMETAL DEATH
2. Megitsune
3. PA PA YA!!
4. Metal Kingdom
5. Monochrome
6. Gimme Chocolate!!
7. Road Of Resistance

Anmerkung:

Alle Fotos der Band BABYMETAL wurden durch das Bandmanagement geprüft und zur Verwendung im Rahmen dieses Berichts freigegeben. Eine Weiterverbreitung der Aufnahmen ist daher nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch vampster sowie Toy’s Factory (Label/Management) gestattet!


SABATON

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Spätestens jetzt füllen sich die vorderen Reihen, um den bevorstehenden Headliner möglichst aus der Nähe verfolgen zu können. In der Zwischenzeit wird auf der Bühne gerade noch das Kanonenrohr auf die Panzer-Attrappe geschraubt, die wie in der Vergangenheit das Schlagzeug beherbergt. Links und rechts rahmen zwischen Sandsäcken zwei kleine Türme die Bühne ein, während der vordere Rand zum Publikum durch Stacheldraht und Betonblöcke abgegrenzt ist. Im Hintergrund schließlich das gigantische Backdrop, auf das neben Live-Bildern gerne auch historisch relevante Filmchen projiziert werden. Kurzum, ein gewaltiges wie opulentes Set haben SABATON für diese Tour errichtet, über das zudem in großen, beleuchteten Lettern das Tour-Motto thront: „The Tour To End All Tours“ – genug Zweideutigkeit, um in der Menge hier und da die Frage aufzuwerfen, ob die Schweden denn gerade auf Abschiedstour seien.

Unterbrochen werden die munteren Diskussionen alsbald von der Band selbst, die das Publikum mit einem inszenierten Fehlstart und gleich zwei verschiedenen Intros ein wenig an der Nase herumführen möchte. Mit Erfolg: Der bewährte Opener „Ghost Division“ erwischt uns tatsächlich plötzlich und unvermittelt, als laute Explosionen die Bühne säumen und der treibende Track die Show binnen Sekundenbruchteilen von null auf 100 katapultiert. Dabei zeigen sich SABATON so gut gelaunt und motiviert wie eh und je. Kaum vergeht ein Moment, wo Gitarrist Tommy Johansson und Sänger Joakim Broén kein breites Grinsen ins Gesicht gemeißelt ist.

SABATON zeigen sich trotz der Dimension ihrer Show nahbar und kameradschaftlich

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Letzterer nimmt ob des herzlichen Empfangs der Müncher:innen gar für einen Moment die charakteristische Pilotenbrille ab, um die vorderen Reihen von Angesicht zu Angesicht zu grüßen; das ist so sympathisch wie das Stageacting des Quintetts energiegeladen. Wobei die Schweden trotz aller Inszenierung immer die Zeit für ein paar Späßchen zu finden scheinen: So bewerfen Johansson und Kollege Chris Rörland ihren Frontmann in „Bismarck“ mit dutzenden Plektren, während später im Zugabenblock Drummer Hannes van Dahl in übrig gebliebenen Flitter-Schnipseln gebadet wird.

„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, heißt es so schön. Doch SABATON bringen heute bereits selbst einen Orkan nach München: Die Resonanz fällt bei der treuen Fangemeinde daher umso heftiger aus. Unter meterhohen Flammensäulen recken sich den Skandinaviern in Bismarck die Fäuste entgegen, wohingegen im flotten „Into The Fire“ vor der Bühne schnell etwas Bewegung einkehrt. Die Hingabe, mit welcher die Anhänger:innen der Band heute ihre Bewunderung ausdrücken, scheint bisweilen grenzenlos – ein Umstand, der für SABATON dennoch nicht selbstverständlich scheint. Den langen Weg von den Anfängen bis zur ausverkauften Olympiahalle wird Gründungsmitglied Pär Sundström später noch in bescheidener Art und Weise erläutern, bis dahin jedoch zeigen sich die Musiker trotz der Dimension ihrer Show nahbar und kameradschaftlich.

SABATON haben ihr Repertoire an showtechnischen Einlagen nochmals erweitert

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Vor allem Joakim Brodén sucht zwischen den Songs immer wieder den Dialog mit dem Publikum, das natürlich der Versuchung nicht widerstehen kann, den Sänger bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Trinken aufzufordern. Die Rufe nach „Noch ein[em] Bier“ sind über die Jahre zu einer Art Running Gag geworden, den SABATON mittlerweile sogar in ihre Show integriert haben: Ein eigens beauftragter Komparse im Greisenkostüm sorgt unter tosendem Applaus verlässlich für Nachschub.

Dabei ist Bierbote „Andi“ eigentlich nur eine Fußnote in dieser makellos inszenierten Performance. Im Vergleich zur Vergangenheit hat das Quintett ihr Repertoire an showtechnischen Einlagen nochmals erweitert: Neben zahlreichen Flammenwerfern in Tracks wie „Into The Fire“, „Bismarck“ oder dem in Landessprache vorgetragenen „Carolus Rex“ setzen SABATON zwischendurch auf Kunstschnee („Soldier Of Heaven“), eine abgefeuerte Panzerfaust („Ghost Division“) und ein Keyboard im passenden Flugzeug-Look für das aufrüttelnde „The Red Baron“, bei dem gar ein Moshpit losbricht.

In den besten Momenten erteilen uns SABATON eine audiovisuelle Lektion in Geschichte

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Das inszenatorische Highlight ist aber erst durch den unterstützenden Einsatz einiger Schauspieler möglich, die selbst aus dem eher unspektakulären „Father“ ein kleines Erlebnis machen. Während SABATON den düsteren und schwermütigen Song darbieten, entfaltet sich auf der Bühne die Geschichte des Nobelpreisträgers Fritz Habers, dessen Beitrag während des Ersten Weltkriegs den Einsatz von Giftgasen ermöglichte: Die Folgen erläutern uns die Schweden unmittelbar darauf in „Attack Of The Dead Men“, wo Sänger Joakim Brodén in Gasmaske und mit Sprühkanone ausgerüstet vom tragischen Einsatz der chemischen Waffe berichtet.

Gerade in diesen Augenblicken gelingt SABATON der Spagat zwischen bombastischem Event-Entertainment und hinreichend respektvoller Auseinandersetzung mit der Grundthematik durchaus – so man denn die Kulisse aus 15.000 frenetisch feiernden Fans ausblenden kann. Anders als im geschmackvoll vorgetragenen MOTÖRHEAD-Cover „1916“ scheint die Distanz dagegen abhanden zu kommen, wenn Brodén in „Stormtroopers“ mit Mantel und Schrotflinte bewaffnet über die Bühne stolziert, um im Schatten der Flammen versprühenden Komparsen die Effizienz der besungenen Spezialeinheiten zu bejubeln.

Ohne ein paar Klassiker zum Schluss lassen SABATON die Müncher:innen nicht nach Hause gehen

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Nachsehen wollen wir das SABATON aber letztendlich dennoch, schließlich plädiert die Ballade „Christmas Truce“ gegen Ende unter sanftem Schneefall auf ein brennendes Klavier für Frieden zwischen den Fronten, während rot-grüne Papierschnipsel auf die Arena niederrieseln. Dass ein solch besinnlicher Moment aber leider nie für die Ewigkeit ist, wissen zu diesem Zeitpunkt nicht nur wir. Denn natürlich lassen uns die derzeitigen Könige des Power Metal nicht ohne ein paar Klassiker nach Hause gehen: Zum Abschluss verlangen „Primo Victoria“ und „Swedish Pagans“ noch einmal nach den letzten Energiereserven der bayerischen Landeshauptstadt. Dort springt die Menge also nochmals fleißig mit, versucht sich zwischendurch an einer Wall of Death und singt selbstredend mit der Gitarre um die Wette.

Fehlt also nur noch das obligatorische „To Hell And Back“, wo im Pit sogar die Polonaise ihre Rückkehr feiert. SABATON danken den Einsatz mit strahlenden Gesichtern und warmen Worten, bevor sich die Band nach rund 100 Minuten endgültig aus München verabschiedet. Was bleibt, ist eine letzte Botschaft, die als Teil des finalen Flitterregens in Form von Flugblättern sanft in die Arena fällt: „The Great War Is Over!“, steht darauf geschrieben, „…But War Never Ends!“ Mahnende Worte zum Abschluss und ein wenig Werbung in Eigensache: Das Kapitel des Großen Kriegs mag nun abgeschlossen sein, doch die Geschichte der schwedischen Metal-Größe geht natürlich weiter. Entertainment und Ernsthaftigkeit – bei SABATON gibt es das Eine nicht ohne das Andere.

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SABATON Setlist – ca. 100 Minuten

1. Ghost Division
2. Bismarck
3. The Last Stand
4. Into The Fire
5. Carolus Rex
6. Winged Hussars
7. Sarajevo
8. Stormtroopers
9. 1916
10. Soldier Of Heaven
11. Dreadnought
12. The Red Baron
13. Father
14. The Attack Of The Dead Men
15. Christmas Truce
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16. Primo Victoria
17. Swedish Pagans
18. To Hell And Back

Fotogalerie: SABATON

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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