HEALTH live in München 2024

HEALTH, GOST, ZETRA: Konzertbericht – Backstage Halle, München – 24.10.2024

Auf einer HEALTH-Show ist theoretisch alles möglich – so zumindest verstehen wir die Werbekampagne der Experimental-Rock-Band auf ihren Sozialen Kanälen. Wir finden an einem herbstlichen Donnerstagabend heraus, welche Überraschungen das Münchner Publikum im hiesigen Backstage erwarten.

„Experience HEALTH.“ – Das Motto, mit dem die US-Amerikaner in den Sozialen Medien ihre Live-Shows bewirbt, hat uns vor allem eines gelehrt: Von Xylophon bis zum Nintendo 3DS dürfen wir auf Konzerten der Formation mit wirklich allem rechnen. Tatsächlich ist es aber weniger die selbstironische Art, sondern der ureigene Genre-Mix des Trios, der uns an diesem Donnerstag ins Münchner Backstage lockt.

Irgendwo zwischen Industrial, Electronica und Noise könnte man den Katalog der Experimental-Rock-Band verorten, die damit ein entsprechend buntes Publikum anspricht: Vertreten sind so ziemlich alle Altersklassen und alternativen Szenen, die sich sonst im beliebten Kulturzentrum die Klinke in die Hand geben – natürlich vorwiegend wegen des Headliners, doch heute gewiss auch, um das passend bestückte Vorprogramm aus GOST und ZETRA unter die Lupe zu nehmen.


ZETRA

ZETRA live in München 2024

Aus nächster Nähe zu empfehlen ist das zumindest im Falle ZETRAs nur eingeschränkt. Da das Duo sein komplettes Set auf zwei Podesten am vorderen Bühnenrand bestreitet, dürfte in der ersten Reihe die Genickstarre vorprogrammiert sein. Wobei es im Umkehrschluss aus der Distanz leider ohnehin nicht viel zu sehen gibt: Die beiden geheimnisvollen Figuren stehen fast den kompletten Auftritt über im Dunkeln, während die Scheinwerfer in ihrem Rücken immerhin ein wenig Farbe einstreuen. Schade ist das vor allem, da so die stimmigen Bühnenoutfits mitsamt Corpsepaint in den Hintergrund rücken – ein wenig Schwarzlicht könnte hier Wunder helfen.

Dafür erreichen ZETRA uns auf anderen Kanälen umso direkter: Musikalisch ist das Gothic-/Synth-Rock-Gespann überraschend breit aufgestellt, wenn sanfter Gesang und Shoegaze-Vibes in „Shatter The Mountain“ oder „Starfall“ vorsichtige Parallelen zu ASTRONOID ziehen und „Holy Malice (Annabel)“ etwas Gothic-Flair einstreut. Wenngleich auf der Bühne selbst wenig passiert, reicht die sichtbare Hingabe der beiden Musiker an Gitarre und Synthesizer völlig aus, um auch uns schnell in den Bann zu ziehen. So wie auf den Brettern verliert sich auch das Backstage schnell in den Klängen von Stücken wie „Gaia“, bis schließlich „Sacred Song“ mit seinen punktuell eingestreuten Blast Beats unserem entrückten Dahinschwelgen ein unerwartetes, doch gleichzeitig konsequentes Ende bereitet.

Fotogalerie: ZETRA


GOST

GOST live in München 2024

Eine vollständige Ruhepause bekommt die Lichtanlage der Backstage Halle im Anschluss, da GOST überraschenderweise auf eine eigenhändig mitgebrachte Lösung setzen. Ausschließlich durch die am Boden platzierten LED-Röhren in Szene gesetzt, erstrahlen die beiden Musiker mal in weißem, mal in rotfarbenem Schein. Was zunächst wie Minimalismus wirkt, passt durch die dramaturgische Abstimmung der Farbeffekte aber überraschend gut zum drängenden wie unnachgiebigen Set des Produzenten, der sich für die Tour Unterstützung in Form eines Live-Bassisten ins Boot geholt hat.

Während also zu unserer Linken pausenlos die lange Mähne durch die Luft wirbelt, beschwört Mastermind James Lollar hinter seinem Pult eine Vielzahl rastloser, doch immer auch tanzbarer Rhythmen. Dabei sorgt der Mann an den Reglern höchstselbst für die richtige Stimmung, indem er sich etwa kurzzeitig hinter seinem Heiligtum hervorwagt, um die Zuschauer:innen wahlweise anzufeuern oder ihnen für die lautstarke Rückmeldung zu danken.

GOST verwandeln die Backstage Halle in einen kleinen ominösen Nachtclub

GOST live in München 2024

Das alles selbstverständlich, ohne auch nur ein Wort zu verlieren: Was GOST an Publikumsdialog fehlt, macht die mysteriöse Gestalt in Lederjacke und Skelettmaske mit ausdrucksstarker Gestik wett. Rund 40 Minuten lang währt die akustische Dauerattacke, die sich zwischen spacigen Rhythmen und melodischen Akzenten auch nicht vor schwarzmetallischen Tupfern („Widow Song“, „Prophecy“) scheut. Die zwischendurch gesampelten Vocals bleiben eine Ausnahme im Soundbild des Projekts, treffen aber in atmosphärischer Hinsicht den Nagel auf den Kopf. Nicht ohne Grund wähnen wir uns im Blitzlicht inmitten der dröhnenden Bässe plötzlich in einem kleinen schwitzigen Nachtclub, wie wir ihn sonst nur aus Film und Fernsehen kennen. Öfter mal was Neues!

Fotogalerie: GOST


HEALTH

HEALTH live in München 2024

Dass Headline-Shows die schönsten aller Auftritte sind, erklärte uns noch im Frühjahr die finnische Nu-Metal-Band BLIND CHANNEL im Interview. Wie sehr sich das heute für HEALTH bewahrheiten soll, ist schon in den Minuten vor Showbeginn abzusehen: Selbst die letzten Lücken werden in den vorderen Reihen nun zielsicher geschlossen, um mit dem Einmarsch des Trios schließlich alle Dämme brechen zu lassen.

Es ist in vielerlei Hinsicht das komplette Kontrastprogramm zum Gastspiel im vergangenen Winter, als HEALTH als Support-Act der Durchstarter SLEEP TOKEN im ausverkauftem Zenith vor fremdelndem Publikum standen. Davon ist in der kuscheligen Backstage Halle rein gar nichts zu spüren – im Gegenteil: Spätestens als Bassist John Famiglietti sich seiner Katzenohren entledigt, indem er den Haarreif mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk in die Menge segeln lässt, erreicht die dortige Euphorie einen Pegel, der fast schon regelrechter Hingabe gleicht.

HEALTH setzen auf eine abwechslungsreiche wie stimmige Lightshow

HEALTH live in München 2024

Getanzt wird folglich in nahezu allen Ecken des Clubs, wobei der gute Soundmix selbst die härteren Klänge von „CRACK METAL“ gut in Szene zu setzen weiß. Es darf also auch das Haupthaar geschüttelt werden, wie Famiglietti am Tieftöner so bereitwillig vormacht. Muss der umtriebige Musiker nicht gerade die Knöpfe am Soundpult bedienen, so ist er in aller Regelmäßigkeit am vorderen Bühnenrand zu finden, wo er wahlweise den Kontakt zu den Fans sucht oder gerne auch mal eine dramatische Pose einnimmt.

Zum Mikro greift der Musiker im Noise-Ausbruch „Zoothorns“, dessen Chaos so etwas wie eine erste Zäsur setzt, bevor „STONEFIST“ wieder in geregelte Bahnen überleitet. Hier und im stampfenden „FUTURE OF HELL“ streichelt der helle Gesang Jake Duzsiks unser Gemüt, während das instrumentale Gerüst teils roh und teils hektisch harte Kontraste setzt, die wiederum von einer abwechslungsreichen wie stimmigen Lightshow untermalt werden.

Mit einem crowdsurfenden Hai hat nicht einmal HEALTH-Sänger Jake Duzsik gerechnet

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Die Rahmenbedingungen lassen also wenig zu wünschen übrig, weshalb die angeteaserte „HEALTH Experience“ auch in München beste Voraussetzungen genießen kann. Dass diese alle möglichen Überraschungen umfassen kann, haben wir ja bereits dargelegt, einen crowdsurfenden Hai hatte aber nicht einmal Jake Duzsik auf dem Schirm. Sogar dem sonst so wortkargen und ernst wirkenden Sänger huscht beim Anblick des kostümierten Fans ein Lächeln übers Gesicht. Davon wolle er mehr sehen, lässt er wenig später wissen, nur um mit den umjubelt aufgenommenen „DEMIGODS“ und „Major Crimes“ direkt die ersten Anreize zu setzen.

Zwar bleiben weitere Raubfisch-Sichtungen zunächst aus, dafür hat sich neben den sporadisch filmenden Smartphones auch eine PS-Vita-Konsole ins Publikum geschlichen, welches erst zum zurückgenommenen „UNLOVED“ die Hüften kreisen lässt und bald nach dem melancholischen „ASHAMED“ selbst das proggige „WE ARE WATER“ geradezu enthusiastisch in Empfang nimmt.

Eine freundschaftliche Umarmung zum Abschluss gehört bei HEALTH zum guten Ton

HEALTH live in München 2024

Dass HEALTH anschließend nach „FEEL NOTHING“ schon das Finale ausrufen, trifft uns tatsächlich etwas unvorbereitet: Etwas mehr als eine Stunde stehen die US-Amerikaner am Ende auf der Bühne, die sie aber nicht ohne einen letzten Hit verlassen: „DSM-V“ sei nochmal zum Ausrasten gedacht, so die Botschaft, die selbstredend nicht ungehört bleibt. Inmitten der springenden Backstage Halle, zieht plötzlich auch der überraschend freundlich dreinblickende Hai wieder seine Bahnen.

Bisswunden befürchten muss glücklicherweise niemand, Körperkontakt ist dagegen im Zentrum nicht ausgeschlossen: Denn statt einer Zugabe gibt es freundschaftliche Umarmungen von Bassist John Famiglietti, der nach Ende des Sets sodann den direkten Weg in die Menge sucht, um sich für den unermüdlichen Einsatz der Fans zu bedanken. Wir sind ehrlich: Gerechnet haben wir mit diesem sympathischen Abschluss nicht, obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten. Denn wenn uns HEALTH vorab eines gelehrt haben, dann ja wohl, dass auf ihren Konzerten wirklich und ohne Ausnahme alles möglich ist.

Fotogalerie: HEALTH

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter: Backstage Concerts GmbH