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HAMMER KING, LOST SANCTUARY, RAVENFIELD: Konzertbericht – Lindenkeller, Freising – 19.11.2022

Die “Metal Masters”-Konzertreihe kommt an einem verregneten Samstag in den Freisinger Lindenkeller: Vom Headliner HAMMER KING über die Melodic-Thrasher LOST SANCTUARY bis zum melancholischen Düster-Rock RAVENFIELDs verspricht das Line-Up so viel Spaß wie Abwechslung. Keine Frage also, dass wir das Event vor der eigenen Haustür nicht verpassen dürfen.

Gerne würden wir behaupten, dass wir die dreistündige Autofahrt nach Freising eigens wegen der heutigen Auflage der „Metal Masters“-Konzertreihe im hiesigen Lindenkeller auf uns genommen haben. In Wirklichkeit geht es nach dem gestrigen Abstecher zu IN FLAMES nach Ludwigsburg nur zurück in die Heimat – dass sich dort jedoch mit HAMMER KING, LOST SANCTUARY sowie RAVENFIELD endlich wieder ein attraktives Metal-Paket angekündigt hat, versüßt uns natürlich das Nach-Hause-Kommen ungemein.

Dabei ist ein solches Event vor der eigenen Haustür dieser Tage alles andere als eine Selbstverständlichkeit: Das geplante Gastspiel der beiden Haupt-Acts in Aschaffenburg musste wie so viele Shows in diesem Herbst kurzfristig abgesagt werden, weshalb wir durchaus dankbar sind, dass sowohl HAMMER KING als auch LOST SANCTUARY dennoch den Weg nach Süddeutschland auf sich genommen haben.

Vor dem Startschuss erfolgt ein sympathisches Grußwort der Veranstalterin

Dort wartet mit dem Freisinger Lindenkeller immerhin eine wunderbare, gemütliche Location: Am Rande der Innenstadt nehmen wir den kleinen Fußweg nach oben auf den Veitsberg, wo die Veranstaltungsstätte seit Jahrzehnten schon beliebte Anlaufstelle für kulturelle Veranstaltungen jeglicher Art ist. Wir selbst waren viel zu lange nicht mehr hier, obwohl wir im Teenager-Alter vor anderthalb bis zwei Dekaden fast jedes zweite Wochenende im Unterbau des Gebäudes verbrachten.

Wir genießen also den kleinen Nostalgieschub, während wir uns mit den altbekannten Räumlichkeiten neu vertraut machen – allen voran natürlich dem gemütlichen Konzertsaal mit seinen markanten roten Säulen, wo im hinteren Bereich das Merchandising-Angebot der drei Bands schon vor Konzertbeginn zur Shopping-Tour einlädt. Ganz vorne wiederum warten bereits die ersten Fans geduldig auf den Startschuss, welcher schließlich um kurz nach Acht durch ein sympathisches Grußwort der Veranstalterin erfolgt: „Des wird, ihr wisst’s ja selbst, der Hammer!“, heißt es in gepflegtem bayerisch und mit Augenzwinkern in Richtung des Headliners.

RAVENFIELD

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Zunächst allerdings wird’s ein wenig melancholischer, als RAVENFIELD den Abend mit „Faith To Hate“ und ohne große Sperenzchen eröffnen. Kein Intro, keine ausschweifenden Inszenierungen, sondern einfach nur ehrlicher und stellenweise bedrückender Dark Rock stellt das Grundgerüst des Quartetts dar, welches heute ihr aktuelles Album „Pain“ (2022) am Stück präsentieren will.

Trotz kleinerer technischer Probleme lassen sich zum Auftakt weder Band noch Publikum aus dem Konzept bringen. Im Gegenteil: Schon während „Obsession“ klatschen die ersten Anhänger im Takt, bevor RAVENFIELD bei „Circles“ den anfänglichen Schwung dank des rauen Gesangs von Frontmann Polo sowie eines netten Gitarrensolos gekonnt in etwas treibenderes Material mitnehmen können.

Mit der eigenen Fangemeinde im Gepäck wird der Auftritt RAVENFIELDs zur familiären Angelegenheit

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Zugegeben, die Band scheint heute Abend leichtes Spiel zu haben: Mit der eigenen Fangemeinde im Gepäck wird der 55-minütige Auftritt gleichzeitig zu einer familiären Angelegenheit, wenn Polo zwischendurch manche Besucher:innen beiläufig sogar namentlich zu begrüßen weiß. Doch passt das hervorragend in den gemeinschaftlichen Rahmen des heutigen Abends, wo der ehrenvoll ergraute Metalhead Seite and Seite mit dem rockbegeisterten Papa und dessen Nachwuchs die Musik genießen kann.

Uns holen RAVENFIELD derweil mit ihrer nachdenklichen Ader ins Boot, die in „Monster“ oder „Autumn“ gesanglich wie instrumental immer wieder frappierend an END OF GREEN erinnert. Insbesondere Letzteres schwirrt uns mit seinem doomig-getragenen Flair und der ausdrucksstarken Gesangslinie selbst dann noch im Kopf herum, als das Quartett sich ein wenig später – und nicht ohne den geforderten Zugabenwunsch zu erfüllen – bereits wieder vom Freisinger Publikum verabschiedet hat.

Fotogalerie: RAVENFIELD

LOST SANCTUARY

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Die Crew im Lindenkeller ist heute flott unterwegs: Keine zwanzig Minuten später starten LOST SANCTUARY in ein abwechslungsreiches Set, für das wohl selbst die Umschreibung „gelebte Spielfreude“ eine Untertreibung darstellt. Obwohl es vor der Bühne zwar belebt, aber gemessen an der Hallengröße nicht unbedingt gedrängt zugeht, brennt das gut gelaunte Quartett ein wahres Feuerwerk ab.

Klar, der energiegeladene und oft in hohem Tempo runtergezockte Melodic Thrash / Power Metal-Mix ist nach den gefassten RAVENFIELD ein Kontrastprogramm, wie es im Buche steht. Doch selbst ohne diesen Gegenentwurf im Hinterkopf wirkt die Performance der Band unglaublich ansteckend. Dass das Schlagzeug anfangs arg dominant aus den Boxen schallt und im RAINBOW-Cover „Wolf To The Moon“ die PA abermals kurzzeitig Zicken macht, fällt bei so viel Leidenschaft folglich kaum noch ins Gewicht.

Mit Herzlichkeit und Spielfreude ziehen LOST SANCTUARY die Freisinger auf ihre Seite

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Vor allem Frontmann Dan Baune ist das Grinsen offenbar ins Gesicht gemeißelt, während er über die Bühne turnt und eine Grimasse nach der anderen zieht. Durch seine bodenständige und unwiderstehlich sympathische Art zieht der Sänger und Gitarrist die Freisinger schnell auf seine Seite, egal ob es mit den flotten Melo-Thrashern „Open Your Eyes“ und „Temple Of Fear“ schnurstracks nach vorne geht oder für „Unholy“ die siebensaitige Gitarre gezückt wird. Hier lässt sich das Publikum gar zum vorsichtigen Mitsingen verleiten, nachdem das verspielte Instrumental „Jigsaw’s Revenge“ von Gitarrist Oli Rossows Solo-Album kurz zuvor für ein paar offene Münder gesorgt hatte.

Bei so viel Herz und natürlich Herzlichkeit nehmen wir Baune zudem glaubhaft die Theatralik ab, mit welcher er ab und an seine Gesangszeilen zu zelebrieren weiß. Ein Charakterzug, den überdies auch die Zuschauerschaft zu schätzen weiß: Dem Wunsch nach einem weiteren Stück Musik kommen LOST SANCTUARY gerne nach. Das BLACK SABBATH-Cover „The Mob Rules“ wird im Anschluss mit vereinzelten Jubelschreien aufgenommen – es geht offenbar auch heute Abend nichts über einen guten, alten Klassiker.

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LOST SANCTUARY Setlist – ca. 60 Minuten

1. The Arconite
2. Wolf To The Moon (RAINBOW-Cover)
3. Open Your Eyes
4. Jigsaw’s Revenge
5. Unholy
6. No Man’s Land
7. Temple Of Fear
8. Master Of Your
9. Lost Sanctuary
10. Arise
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11. The Mob Rules (BLACK SABBATH-Cover)

Fotogalerie: LOST SANCTUARY

HAMMER KING

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Wir haben bereits eine leise Vorahnung, was uns nun bevorstehen wird: Ein bisschen Pathos, ein bisschen Theatralik gehören für HAMMER KING zum guten Ton; davon konnten wir uns zu später Stunde auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE OPEN AIR überzeugen. Die entsprechende Inszenierung soll auch im Lindenkeller nicht fehlen, wo bereits zwei schicke Banner sowie eine Replik der namengebenden Streitwaffe von der bevorstehenden Ankunft der Gesandtschaft “aus Saint-Tropez” kündet.

Selbige lässt dann auch nicht allzu lange auf sich warten, als zu den Klängen des Band-Intros ein kapuzenbewehrter Gefolgsmann den übergroßen Hammer wie eine Reliquie präsentiert, bevor die vier Musiker mit „Awaken The Thunder“ zur Schlacht blasen. In passendem Outfit und mit Kriegsbemalung im Gesicht erwecken die Mannen um Sänger und Gitarrist Titan Fox zunächst einen martialischen Eindruck, den Bassist Günt von Schratenau allerdings schnell durch seine verspielte Mimik wegzuwischen vermag. In der Tat dürfte es bis zum Ende des Abends kaum noch eine Kameralinse im Saal geben, für welche er im Verlauf der Show nicht die eine oder andere Fratze gezogen hat.

HAMMER KING sind von der ersten Sekunde an in ihrem Element

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Einen besseren Start können wir uns also kaum wünschen, vor allem da der etwas basslastige Mix schon beim eingängigen „Invisible King“ vom aktuellen Studioalbum „Kingdemonium“ (2022) deutlich balancierter ausfällt. Wo also HAMMER KING von der ersten Sekunde an in ihrem Element sind, braucht das sonst gut aufgelegte Publikum noch einen Moment länger: Die von Titan Fox geforderte Unterstützung in „Hammerschlag“ fällt zunächst noch zögerlich aus, gewinnt aber im Verlauf des Stücks allmählich an Kraft. Das Eis scheint aber spätestens in „Baptized By The Hammer“ gebrochen und das nicht nur, weil der Frontmann hier mit kraftvollem Falsettgesang auch stimmlich beeindruckt.

In den vorderen Reihen wird alsbald unermüdlich getanzt, egal ob nun mit dem schmissigen „Last Hellriders“ und dem starken „Pariah Is My Name“ schnelleres Material dargeboten wird oder in Gestalt des epischen „Atlantis (Epilogue)“ die hymnische Seite der Band zum Zuge kommt. Das ist bisweilen sogar so packend und kurzweilig, dass wir gerne über die teils einstudierten Ansagen hinwegsehen, die wir in gleicher oder ähnlicher Form bereits vor einigen Monaten gehört haben. Dank des längeren Sets kommen wir indes neben ein paar flachen Witzen zusätzlich in den Genuss einiger netter Anekdoten: So erfahren wir nicht nur nebenbei die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens („Live Long, Die Nasty“), sondern auch wie HAMMER KING zur einzigen Metal-Band wurden, deren Musik im Petersdom gespielt wurde.

Mit einem Mix aus Professionalität und sichtbarem Spaß an der Sache können HAMMER KING einen Club wie den Lindenkeller im Handumdrehen für sich gewinnen

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Das passende Riff schüttelt Gitarrist Gino Wilde aus dem Handgelenk, so dass die Show mit dem Klassiker „I Am The Hammer King“ auf einem Hoch endet. Zumindest kurzzeitig, denn ganz fertig ist die Formation mit der Domstadt offenbar noch nicht: „Kingdom Of The Hammer King“ setzt als erste Zugabe da an, wo man kurz zuvor aufgehört hatte, und zeigt eine Band, die zwischen Professionalität und aufrichtigem Spaß an der Sache einen Club wie den Lindenkeller im Handumdrehen für sich gewinnen kann.

Vielleicht sind wir auch deshalb so überrascht, dass der Auftritt HAMMER KINGs mit dem anschließenden „The Hammer Is The King“ um Punkt zwölf so abrupt endet – als hätte uns die Band eigentlich noch eine letzte Botschaft mit auf den Weg geben wollen. Und obwohl wir dieses Gefühl nicht ganz abschütteln können, findet das „Metal Masters“ im Lindenkeller wenige Augenblicke später doch zu einem ganz anderen, denkwürdigen Schlussmoment: Gemeinsam mit dem Publikum und den Musikern von RAVENFIELD sowie LOST SANCTUARY intonieren HAMMER KING als Krönung ein kleines Geburtstagsständchen für Mit-Organisator Klaus, der mittlerweile sein 60. Jubiläum feiern durfte.

Mit nur einem verschmitzten Satz bringt Sänger Titan Fox die Stimmung des Abends auf den Punkt

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Auch das passt letzten Endes zum familiären Charakter des Events, welches zwar direkt vor unserer Haustür stattfand, für das wir aber gern auch einen längeren Fahrtweg in Kauf genommen hätten. Oder um es abschließend mit den Worten Titan Fox‘ zusammenzufassen, der sich am heutigen Abend als Entertainer mit einem unwiderstehlichen Schenkelklopfer sogar selbst übertroffen hatte: „Tonight, the king is Freising!“

HAMMER KING Setlist – ca. 80 Minuten

1. Awaken The Thunder
2. Invisible King
3. Hammerschlag
4. Baptized By The Hammer
5. King Is Rising
6. Last Hellriders
7. Pariah Is My Name
8. Atlantis (Epilogue)
9. Live Long, Die Nasty
10. The King Is A Deadly Machine
11. I Am The King
12. I Am The Hammer King
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13. Kingdom Of The Hammer King
14. The Hammer Is The King

Fotogalerie: HAMMER KING

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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