Das selbstbewusste Auftreten ist keineswegs unbegründet: Dass BLEED FROM WITHIN sich selbst auf dem Höhepunkt ihres Schaffens sehen, verrät der Titel ihres aktuellen Albums „Zenith“ (2025). Zu hoch stapeln die Schotten dabei keineswegs, wie ein Besuch der aktuellen Europatour belegt. War die Metalcore-Band Ende 2023 noch im Münchner Hansa 39 zu Gast, pilgern diesmal rund dreimal so viele Fans ins Münchner Backstage, um neue Songs und alte Hits zu feiern.
Abrunden soll den Abend ein knackiges Vorprogramm, das mitunter harte Bandagen auffährt. Neben den Newcomern GREAT AMERICAN GHOST sind es vor allem AFTER THE BURIAL, die nach ihrer Pause offenbar wieder Blut geleckt haben.
GREAT AMERICAN GHOST
Als eine seiner derzeitigen Lieblingsbands soll Scott Kennedy den Anheizer später noch vorstellen. Warum es ausgerechnet GREAT AMERICAN GHOST dem BLEED FROM WITHIN-Sänger angetan haben, zeigen die US-Amerikaner sodann am frühen Abend einer durchaus gut gefüllten Halle. Seinen modernen Metalcore intoniert das Quintett brachial und mit dezentem Industrial-Einschlag, lässt melodischen Klargesang aber zumindest phasenweise zu.
Gitarrist Grayson Stewart (NORMA JEAN) mischt „Lost In The Outline” etwa eine leicht schwermütige Note bei, um den markigen Vocals seines Kollegen ein entsprechendes Gegengewicht zu bieten. Shouter Ethan Harrison wiederum greift immer wieder gezielt auf Pitched-Screams zurück, um selbst ein paar melodische Tupfer zu setzen. Vornehmlich aber regiert der Vorschlaghammer, den Harrison in „Alter Of Snakes“ gen Publikum richtet.
Frontmann Ethan Harrison hilft bei der Wall Of Death etwas nach
Weil die Wall of Death aber zunächst keine richtigen Formen annehmen will, stürzt sich der Frontmann gleich selbst ins Getümmel, um die Münchner:innen auf jeweils gegenüberliegende Seiten zu beordern. Es war der Schubser, den das Backstage Werk zu Anfang gebraucht hat, setzt sich das kontrollierte Chaos doch in „Kerosene“ fort. Den vergleichsweise ruhigen Beginn von „Writhe“ begleitet in der Halle ein kleines Lichtermeer, was vielleicht nicht ganz zur vornehmlich rabiaten Atmosphäre passt, aber den Musikern dafür ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zaubert.
Letzteres gilt wohl auch für den Circle Pit im abschließenden „Forsaken“, der keinen Zweifel daran lässt, dass die Münchner Core-Szene heute noch eine ganze Menge Energie im Tank hat. Zu monieren haben wir also eigentlich nur die immer häufiger anzutreffende Unsitte, den fehlenden zweiten Gitarristen durch einen Backing Track zu ersetzen.
GREAT AMERICAN GHOST Setlist – ca. 30 Min.
1. Hymn Of Decay
2. Lost In The Outline
3. Altar Of Snakes
4. Kerosene
5. Echoes Of War
6. Writhe
7. Forsaken
Fotogalerie: GREAT AMERICAN GHOST











AFTER THE BURIAL
Unschuldig sind auch AFTER THE BURIAL diesbezüglich nicht, wobei es beim Quartett aus Minnesota fast schon schwerer wiegt, beschränkt sich doch Trent Hafdahl über 40 Minuten überwiegend auf die Spuren der Rhythmusgitarre. Die interessanteren Passagen abseits des Chuggings kommen dagegen fast ausnahmslos vom Band. Dazu zählen die markant quiekenden Leads von „Behold The Crown“ ebenso wie der Refrain des Bandhits „Lost In The Static“.
Weil es im Backstage stimmungstechnisch aber trotzdem schon ab „In Flux“ gut zur Sache geht, fällt es uns – trotz bitteren Beigeschmacks – bald leichter als gedacht, dieses Manko größtenteils auszublenden. Belohnt werden wir dann mit einer soliden und durchaus kraftvollen Performance, die bewährtes Material à la „Exit, Exist“ ebenso umfasst wie die neue Single „Hum From The Hollow“, wo der Djent-Einfluss hörbar zum Tragen kommt.
AFTER THE BURIAL-Sänger Anthony Notarmaso wird für einen kurzen Moment sogar nostalgisch
Von Circle Pit bis Crowdsurfer ist natürlich all das vorhanden, was eine lebhafte Metalcore-Show ausmacht, wobei Frontmann Anthony Notarmaso aller Härte zum Trotz auch ganz anders kann. Dem jungen Fan in der ersten Reihe schenkt er im Tausch gegen ein (selbstgemaltes?) Bild die gedruckte Setliste der Band und sieht sich zugleich an seine eigene Kindheit erinnert, als ihn sein Vater früh mit auf diverse Konzerte nahm.
Den damals aufkeimenden Wunsch, irgendwann selbst auf der Bühne zu stehen, hat sich Notarmaso längst erfüllt, nur den Lichtschalter müssen AFTER THE BURIAL offenbar noch finden. Wenn das schwarze Leinen über dem Drumkit des Headliners prominenter in Szene gesetzt wird als die Musiker selbst, sollte man über einen Personalwechsel am FOH nachdenken.
AFTER THE BURIAL Setlist – ca. 40 Min.
1. In Flux
2. Exit, Exist
3. Behold The Crown
4. Hum From The Hollow
5. Lost In The Static
6. Death Keeps Us From Living
7. Collapse
BLEED FROM WITHIN
Als um halb zehn Ali Richardson im Deutschlandtrikot sein erhöht positioniertes Kit erklimmt, ist die Stimmung im Backstage bereits nahe dem Siedepunkt. Zusätzliche Sympathiepunkte sind dem Drummer durch die Wahl des Outfits selbstverständlich dennoch gewiss. Dreidimensionale Stacheln rahmen sein Podest links und rechts ein – der Verweis auf das Albumcover mit seinem gezackten Haupt scheint wie ein Wink mit dem Zaunpfahl: Selbstverständlich steht heute alles im Zeichen der aktuellen Platte „Zenith“ (2025), die etwas über die Hälfte des Sets ausmachen soll.
Den Münchner:innen scheint es derweil völlig einerlei, ob die Band nun den brachialen Opener „Violent Nature“, das bissige „Sovereign“ oder eine ältere Abrissbirne wie „Crown of Misery“ – der einzige Song aus „Era“-Zeiten (2018) – zum Besten gibt. Dass der Groove der unterschiedlichen Tracks oftmals in eine ähnliche Kerbe schlägt, trägt sicherlich sein Übriges dazu bei: Mitreißend ist der Sound BLEED FROM WITHINs dadurch garantiert, sodass es im Pit stets alle Hände voll zu tun gibt.
Frontmann Scott Kelly bedankt sich bei jedem einzelnen Crowdsurfer per Handschlag
Gleiches gilt für die Security im Fotograben, die ab dem dritten Stück immer mit wachsamem Auge Richtung Publikum die zahlreichen Crowdsurfer zurück auf den Boden der Tatsachen holen muss. Keine einfache Aufgabe heute Abend, da es sich Shouter Scott Kelly offenbar zur Mission gemacht hat, sich bei jedem Einzelnen per Handschlag zu bedanken. Publikumsnah zeigt sich der Frontmann auch zwischen den Stücken, indem er nicht nur offen seine Dankbarkeit kundtut, sondern bisweilen sichtlich überwältigt wirkt ob des Trubels zu seinen Füßen.
Durchschnaufen darf Kelly selbst allerdings nur während des Schlagzeugsolos, in welches das starke „Night Crossing“ fließend überleitet. Die Einzeldemonstration ist tatsächlich kurzweiliger als zunächst von uns befürchtet und endet theatralisch mit einem Kuss auf das Wappen der deutschen Nationalmannschaft. Ein kleiner Showmann ist wohl auch an Ali Richardson verloren gegangen.
BLEED FROM WITHIN legen Wert auf Authentizität
Was BLEED FROM WITHIN aber grundsätzlich auszeichnet, ist das Zusammenspiel der beiden Gitarristen Craig „Goonie“ Gowans und Steven Jones, wobei ersterer nicht nur in „Levitate“ ein hörenswertes Solo beisteuert. Die per Backing Track beigesteuerten Streicher dienen wie die sonstigen Synthesizer vorwiegend der Unterstützung, legt die Band doch sonst großen Wert auf Atuhentizität: Die Akustikgitarren in „Edge Of Infinity“ bedient das Duo beispielsweise noch selbst.
Zwischen eingängigen Refrains à la „A Hope In Hell“ oder „I Am Damnation“, welchen Jones mittels kraftvoller Singstimme Nachdruck verleiht, und todsicheren Live-Granaten wie „God Complex“ nehmen sich BLEED FROM WITHIN überdies die Zeit für ihre experimentelle Seite. Daher darf auch das staubig-sludgige „Dying Sun“ seinen Moment im Rampenlicht genießen, während Sänger Scott Kelly aus dem Publikum eine Deutsch-Schottische-Hybridflagge entgegennimmt.
Bei BLEED FROM WITHIN siegt heute das Miteinander
Die Botschaft ist eindeutig: Selbst wenn man im wütenden „Stand Down“ noch verbissen die Fäuste erhoben hat, siegt im Backstage Werk heute das Miteinander. Symbolisch wirkt daher auch der kurze Gastauftritt Ethan Harrisons (GREAT AMERICAN GHOST), welcher in „Hands Of Sin“ die zweite Strophe übernehmen darf. Einen draufsetzen können BLEED FROM WITHIN zu diesem Zeitpunkt nur noch mit ihrem größten Hit. „The End Of All We Know“ singt die bayerische Landeshauptstadt nicht nur in gewaltiger Lautstärke mit, auch der Circle Pit beschleunigt nochmal um einige Umdrehungen zusätzlich pro Minute.
Nachdem sich Sänger Scott Kelly hier mit dem Smartphone eines Fans kurz als Kameramann versucht hatte, will er zum Abschluss der Anhängerschaft die besten Motive gleich selbst liefern: Im finalen „In Place Of Your Halo“ zieht es den Musiker über die Absperrung, um auf den Schultern und Händen der Meute die letzten Worte in die Nacht zu brüllen.
BLEED FROM WITHIN spielen im Münchner Backstage ihren bislang größten Headline-Gig
Nach 80 Minuten sind nicht nur wir sichtlich bedient: So viel Einsatz lässt selbst die motivierteste Fangemeinde sichtlich erschöpft zurück. Zufrieden scheint man in München dennoch, und zwar vor wie auf der Bühne. Nicht ohne Grund erklärte schließlich GREAT AMERICAN GHOST-Fronter Ethan Harrison zu Beginn des Abends, dass das Backstage Werk für zahllose Metal-Bands auf dem Planeten ein absolutes Traum-Venue sei.
Weshalb ist schnell erklärt: Eine lebhaftere Atmosphäre wie dort ist bei Shows dieser Größenordnung selten anzutreffen. Dass BLEED FROM WITHIN ihren bislang bestbesuchten Headline-Gig also ausgerechnet an Ort und Stelle feiern durften, ist sicherlich die Kirsche auf der Sahnetorte für eine Band, die sich völlig zu Recht auf dem derzeitigen Höhepunkt ihres Schaffens befindet.
BLEED FROM WITHIN Setlist – ca. 80 Min.
1. Violent Nature
2. Zenith
3. Sovereign
4. I Am Damnation
5. Stand Down
6. A Hope In Hell
7. Crown Of Misery
8. Levitate
9. Night Crossing
10. Dying Sun
11. God Complex
12. Hands Of Sin
13. Edge Of Infinity
14. The End Of All We Know
15. In Place Of Your Halo
Fotogalerie: BLEED FROM WITHIN











Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)