BASS´N DRUM mit Virgil Donati, Tomas Haake, THE QUILL, THE FLOWER KINGS u.a.: Stockholm, Club New Life, 30.09.2006

Bassisten und Schlagzeuger (fast) unter sich – Metal, Rock, Jazz und ein Überraschungsbesuch von Vic Firth persönlich!

Unter dem Motto BASS´N DRUM gaben sich kürzlich wieder einmal zahlreiche renommierte Musiker in Stockholm die Ehre. Wie der Name der Veranstaltung deutlich macht, standen Basser und Schlagzeuger im Mittelpunkt. Da ich selber gerne Schlagzeug spiele, beschloss ich nach einem Plattenbörsenbesuch und einem Wiedersehen mit einem befreundeten Musiker ziemlich spontan, dem zweiten (und letzten) Tag der Veranstaltung beizuwohnen.

Als ich kurz vor 19 Uhr aus der U-Bahn-Station trat, wollte ich mich gerade orientieren, als ich bereits gedämpftes Trommeln vernahm. Dem Lärm folgend fand ich alsbald den Veranstaltungsort, einen hohen Saal mit Empore, der mit etwa 300 Leuten bereits gut gefüllt war. Auf der Bühne wurden gerade die Spuren des Openers WIKMAN BYLIN PROYJECTO beseitigt. Entsprechend leerte sich der Saal und füllte sich der Eingangsbereich. Außerdem währte die Ruhe nur kurz. Auf der Empore hatten nämlich zahlreiche Instrumentenhersteller ihre Produkte ausgestellt, auf denen man zwischen den Auftritten nach Lust und Laune herumspielen konnte. Ich war überrascht, wie viele Jugendliche da waren. Nicht wenige trugen Metal-T-Shirts und waren erstaunlich fit auf ihrem jeweiligen Instrument. Nun wundert es mich jedenfalls nicht mehr, dass derart viele hochkarätige Bands aus dem Land der Elche in der Szene aktiv sind.

Auf der Bühne ging es mit der STRANDBERG GROUP weiter, die instrumentalen Jazz bot. Die erste Nummer besaß einige fesselnde Momente. Langsam baute sich das Stück auf und alle Musiker setzten geschmackvolle Akzente. Danach legte die Gruppe um den Bassisten Jan-Olof Strandberg einen Zahn zu. Die Musik wurde dadurch leider monotoner. Zuletzt gab es noch eine kräftige Prise Funk, bei der sich Strandberg mit Gastbassist Etienne Mbappé ein Duell lieferte. Obwohl der Sound ansonsten erstklassig ausgesteuert war, vernahmen meine Ohren nur noch ein schwer identifizierbares Wummern. Anderen Besuchern gefiel es, dem Applaus nach zu urteilen. Ein Stück weit lag der Reiz der Veranstaltung natürlich in der stilistischen Vielfalt, zumal alle Auftritte kurzweilige 50 Minuten dauerten.

In der Umpause gab es anschließend die wohl größte Überraschung des Abends: Einer der Moderatoren (Urban Näsvall von Svensk Musik AB, dem schwedischen Vertreter für Pearl, Sabian u.a.) kam mit einem etwas älteren Mann auf die Bühne, bei dem es sich um niemand anderen als Vic Firth handelte! Auf Urbans Bitte hin erzählte er von seinen Anfängen als Schlagzeugstockhersteller (This will bore you to death.), seinen Erfahrungen als Pauker der Bostoner Symphoniker und dem aktuellen Herstellungsprozess von Vic Firth-Drumsticks. Letzterer ist ausgesprochen aufwändig, weshalb Urban den Vorgang auf Schwedisch wiederholte. Ich verstand zwar (ebenso wie Firth) kein Wort davon, musste aber trotzdem lachen, da die Übersetzung deutlich länger als die Originalantwort ausfiel und von einigen witzigen Gesten unterstützt wurde. Firth selbst legte einen ungemein trockenen Humor an den Tag und outete sich zuletzt sogar (nicht ganz uneigennützig) als Tomas Haake-Fan.

Vic
Vic Firth und Urban Näsvall

Marcus
Marcus Liliequist (THE FLOWER KINGS) nutzte das Instrumental Pioneers Of Aviation für ein Solo.

Danach legten die FLOWER KINGS mit ihrem gewohnt ausladenden Progrock los. Für Roine Stolt (Gitarre, Gesang), Tomas Bodin (Keyboards), Hans Froberg (Gitarre, Gesang, Percussion), Jonas Reingold (Bass) und Marcus Liliequist (Schlagzeug) war es der Auftakt ihrer aktuellen Tour, der als voller Erfolg gewertet werden kann. Trotz der begrenzten Spielzeit spielten Reingold und Liliequist aus gegebenem Anlass jeweils ein Solo, wofür sie erwartungsgemäß reichlich Applaus bekamen. Ansonsten bot die Band mit ihren vertrackten Kompositionen gute Unterhaltung. Gerade bei den epischen Stellen funktionierte die Musik wesentlich besser als auf Platte. Der Gesang ging ein wenig unter, was allerdings wenig störte, zumal mit Pioneers Of Aviation auch ein Instrumental auf der knappen Setlist stand. Für eine Zugabe war leider keine Zeit, obwohl der Jubel einen deutlichen Bedarf signalisierte.

THE QUILL hatten es mit ihrem geradlinigen Hardrock wesentlich schwerer. In einem unbestuhlten Saal hätte sich die Spielfreude sicher leichter von der Band auf das Publikum übertragen. Musikalisch und optisch fiel das Quartett mit seiner traditionellen Rockshow an diesem Abend ziemlich aus dem Rahmen. Während man sonst oft über Frickeleinlagen und unnötige Soli schimpft, standen hier gerade diese spieltechnischen Aspekte im Vordergrund, von denen eine bodenständige Kapelle wie THE QUILL relativ wenig zu bieten hat. Sänger Magnus Ekwall besitzt zweifellos eine starke Rockröhre. Die restliche Band blieb ebenso wie das Songmaterial aber unauffällig. Das kurze Schlagzeugsolo hatte Alibicharakter und konnte nicht verhindern, dass zahlreiche Plätze frei blieben bzw. wurden. Da einige Fenster geöffnet waren, hörte man schließlich auch draußen noch gut! Man musste ja seine Energie für den nächsten Programmpunkt aufsparen…

THE
THE QUILL gaben sich spielfreudig, obwohl das sitzende Publikum nur zögerlich mitging.

…Tomas Haake und Dick Lövgren von MESHUGGAH. Marco Soccoli von Vic Firth beschloss seine Ankündigung stilecht mit den Worten: I wanna see a mosh pit here! Dazu kam es zwar nicht, von der Publikumsresonanz her, war die Thrash-Rhythmusgruppe jedoch klar die Hauptattraktion des Abends. Angesichts der bereits erwähnten Nachwuchsfraktion im Publikum machte auch Rachendrachens Pädagogikvorschlag auf einmal Sinn. Einige Zuhörer spielten präzise Luftschlagzeug mit, während hier und dort gebangt wurde. Die Mehrheit der Anwesenden lauschte einfach nur gebannt dem Rhythmusinferno auf der Bühne. Das Bassspiel von Lövgren war eher Beiwerk. Haake drosch derweil wie ein Berserker auf sein Kit ein. Gleichzeitig spielte er präzise wie ein Uhrwerk die wirren Takte der Stücke. Zwischendurch gab es auch ein brachiales Solo und ein paar kurze Ansagen. Am reizvollsten waren aber eindeutig die Liedskelette und der ungewohnte Umstand, diese in einer Umgebung ohne Moshpit zu erleben.

Tomas
Tomas Haake-Suchbild (Tipp: Er trägt einen roten Kopfhörer.)

Die folgende Umbaupause nutze der ausgesprochen unterhaltsame Moderator Daniel Bingert, um HAMMERFALL-Bassisten Magnus Rosén auf die Bühne zu holen, der Glücksfee im Rahmen einer Verlosung spielte. Der glückliche Gewinner bekam einen von Magnus´ Bässen überreicht. An dieser Stelle wurde einmal mehr deutlich, dass die Veranstaltung nicht nur Konzert und Firmenwerbung war, sondern auch die Freude am Musizieren und das gemütliche Miteinander gelebt wurden. Dazu passen auch die Worte von Vic Firth und Marco Soccoli, die beiden bemerkten, dass derartige Events sonst fast nirgendwo stattfinden würden.

Magnus
Magnus Rosén, der glückliche Gewinner und Daniel Bingert

Gegen Mitternacht begannen die beiden PLANET X-Recken Virgil Donati und Rufus Philpot mit ihrer Rundreise durch die Welt der krummen Takte. Sie wurden ihrer Headlinerrolle mühelos gerecht, wenngleich es eine Weile dauerte, bis das Publikum richtig munter wurde. Zuvor stand der filigrane Progressive Metal (z.B. Dog Boots) noch im Schatten der Brechstangenschmiede aus dem Hause MESHUGGAH. Philpot und Donati gaben zu den meisten Stücken eine kurze Einführung, wodurch die instrumentale Musik besser erfassbar wurde. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich mit offenem Mund auf Donatis beneidenswert präzise Spieltechnik starrte. Den anwesenden Schlagzeugern dürfte es ähnlich gegangen sein. Auch die Bassisten konnten staunen, was Philpot mit seinem Instrument alles anstellte. Die Musik klingt auf CD nicht besonders aufregend. Live und fast zum Greifen nah zog sie das (überwiegend aus Schlagzeugern bestehende) Publikum jedoch in ihren Bann. Mit phänomenaler Virtuosität bearbeitet Donati die Felle und Becken. Zwischendurch streute er auch ein paar ruhigere etudenhafte Fragmente ein, die für meine Ohren eine willkommene Verschnaufpause darstellten. Selbst hierbei spielte Donati aber noch verschachtelte Rhythmen und ausgeklügelte Fills. Als nach Alien Hip-Hop Schluss war, bereute ich schon fast, dass ich nicht schon am Vortag vor Ort gewesen war. Denn das Programm war tatsächlich einzigartig und eine interessante Abwechslung zum sonstigen Tourbetrieb.

Virgil
Virgil Donati setzte mit seinem atemberaubendem Schlagzeugspiel einem gelungenen Programm die Krone auf.

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