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MORGANA LEFAY: Time Is God

Time Is God! Das ist nicht nur der Titel eines Songs von MORGANA LEFAY, sondern wohl auch die passendste Überschrift für dieses Interview, welches bereits während der Europa-Tour der schwedischen Power-Metaller geführt wurde. Das allmächtige Wirken der Zeit war es nämlich auch, welches die Veröffentlichung dieses Gesprächs so sehr verzögerte. Bereits vor der Veröffentlichung ihres grandiosen Comeback-Albums "Grand Materia" begann die Truppe aus Bollnäs ihre Headliner-Tour durch Europa, die Zuschauerzahlen waren oft enttäuschend. Die Musiker sprachen im völlig überhitzten Tourbus aber nicht nur über ihre Erwartungen an diesen Trip, sondern gaben auch einen Einblick in das interessante Konzept von "Grand Materia" und die Entstehung des Albums.

Time Is God! Das ist nicht nur der Titel eines Songs von MORGANA LEFAY, sondern wohl auch die passendste Überschrift für dieses Interview, welches bereits während der Europa-Tour der schwedischen Power-Metaller im Mai geführt wurde. Das allmächtige Wirken der Zeit war es nämlich auch, welches die Veröffentlichung dieses Gesprächs so sehr verzögerte. Bereits vor der Veröffentlichung ihres grandiosen Comeback-Albums Grand Materia begann die Truppe aus Bollnäs ihre Headliner-Tour durch Europa, die Zuschauerzahlen waren oft enttäuschend. Die Musiker sprachen im völlig überhitzten Tourbus aber nicht nur über ihre Erwartungen an diesen Trip, sondern gaben auch einen Einblick in das interessante Konzept von Grand Materia und die Entstehung des Albums.

Wie ist die Tour bisher gelaufen?

Robin: Ich finde, es ist echt okay. Ich bin ziemlich zufrieden mit allem, auch die Supportbands waren einfach großartig. Es ist wieder ein gutes Tour-Package, da haben wir Glück gehabt. Bis auf die Hitze in diesem Bus ist also alles okay.

Wart ihr nicht ein wenig nervös, nach so einer langen Pause direkt eine Headliner-Tour zu machen?

Charles: Das ist immer eine Sache, bei der man nicht hingehen darf und deswegen nervös werden darf. Es war das Gleiche vor fünf Jahren, als wir die S.O.S.-Tour gemacht haben. Vielleicht wäre es besser gewesen als Supportband auf Tour zu gehen. Wir haben uns dann aber gesagt, dass es eine guter Warm-up für die Sommer-Festivals ist und eine gute Gelegenheit für uns zu sehen, ob das Interesse für uns hier in Europa noch da ist.

Wie war denn das Interesse in den USA? Euer Auftritt auf dem Powerfest in Chicago war ja euer erster Gig in den USA.

Charles: Die Resonanz war großartig. Leute aus ganz Amerika sind dorthin gekommen.

Wieviele Leute waren denn dort?

Robin: Es war ein ziemlich kleiner Veranstaltungsort. Ich habe etwas von 312 Leuten gehört. Es war also ziemlich voll. Ich glaube, der Laden fasste auch nur 300 Leute.

Charles: Ja, aber sie haben das minimal überschritten.

Robin: Es war wirklich ein kleiner Ort, eine Art Kneipe, die sich JJ Kelley´s nennt. DISTURBED haben in dem Laden angefangen. Nette Leute, der Besitzer und auch der Promoter.

Tony, du hast in einem Interview zu S.O.S. gesagt, dass du niemals nach Stockholm ziehen würdest, weil du die Stadt einfach nicht magst. Nun wohnst du doch seit einiger Zeit dort. Hast du dich schon daran gewöhnt?

Tony: Ja, das stimmt. Aber ich musste dann doch dorthin ziehen wegen der Arbeitssituation. Ich wollte einfach nicht immer so weit fahren. Nun muss ich dennoch fahren, aber in die andere Richtung. Aber es macht mehr Spaß zur Probe zu fahren als zur Arbeit. (lacht)

Das neue Album hat stärkere PANTERA-Einflüsse als in der Vergangenheit, besonders was die Gitarrenriffs betrifft. Dadurch erinnert das Ganze ein wenig an FANTASMAGORIA…

Charles: Das ist seltsam, ich frage mich wirklich warum. Gerade gestern habe ich über diese Band namens FANTASMAGORIA gehört… (lacht)

Ihr habt das Album Dimebag Darell gewidmet. Hat sein Tod auch euer Songwriting derart beeinflusst, dass die PANTERA-Elemente stärker zum Tragen kommen, oder war das Songwriting für Grand Materia zu dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen?

Robin: Es ist nicht wirklich eine Widmung, aber in Gedenken an ihn, weil er wirklich viele Leute beeinflusst hat, nicht nur uns.

Peter: Sogar Elvis! (lacht)

Robin: Nein, er war einfach ein großartiger Musiker, und es ist traurig für die gesamte Metalszene oder die Musikszene allgemein, dass so etwas passiert ist. Es ist ein großer Verlust.

MORGANA
Peter hat den Besitzer des Studios an den Rand des Wahnsinns getrieben. – Charles Rytkönen über die Aufnahmen zu Grand Materia.

Abgesehen von dem stärkeren PANTERA-Einfluss habe ich den Eindruck, dass Grand Materia sowohl härter als auch melodischer als die vorherigen Alben ausgefallen ist, aber beide Qualitäten zeigen sich zur gleichen Zeit und sind sehr gut ineinander verwoben. Ist das einfach so passiert, oder war es eine bewusste Entscheidung, beide Extreme weiter auszuloten?

Charles: Das ist einfach so entstanden. Es ist immer so gewesen, wenn wir Alben aufgenommen haben. Wir haben niemals eine Vision oder einen Plan gehabt, dass ein Album auf eine bestimmte Weise klingen sollte, zumindest nicht von meiner Seite aus. Ich weiß nicht, was Peter sich gedacht hat oder Tony, als er seine Songs geschrieben hat. Aber meiner Meinung nach ging es immer nur darum, gute Musik zu machen, und ich glaube, wir alle teilen diese Denkweise.

Grand Materia hat einen deutlich besseren Sound als alle anderen mir bekannten Aufnahmen, die im Soundcreation-Studio entstanden sind. Gibt es dort neues Equipment oder hattet ihr einfach mehr Zeit?

Charles: Wir hatten einiges an neuem Equipment. Aber ich glaube, dass besonders Peter den Besitzer des Studios an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Er hat ihn quasi über seine eigenen Grenzen gebracht. Denn Peter hatte eine Vision über den Sound, und sie haben hart daran gearbeitet, diesen Sound zu erreichen, mit vielen geheimen Tricks. (lacht)

Peter: Wir haben wirklich viel über Frequenzen und so weiter nachgedacht und härter daran gearbeitet, den angestrebten Sound zu erreichen.

Charles: Und wir haben die Kontrolle behalten während des ganzen Prozesses von der Aufnahme über den Mix bis zum Mastering.

Das Mastering wurde also auch im gleichen Studio gemacht?

Peter: Genau, und von den gleichen Leuten.

Viele Leute sind der Meinung, das Mastering sollte nicht im gleichen Studio und von den Leuten gemacht werden, die die Aufnahme und den Mix gemacht haben.

Charles: Wir sind nicht der Meinung, weil wir die Kontrolle behalten wollen. Wir haben die Aufnahmen auch zu einem anderen Mastering-Studio geschickt, und es kam zurück und war totaler Müll.

Peter: Nun gibt es ungefähr zehn verschiedene Masters. Wir konnten nun auch zu Freunden von uns gehen und es uns auf den unterschiedlichsten Stereoanlagen anhören.

Habt ihr denn zwischen dem Mix und dem Mastering einige Zeit vergehen lassen, um eure Ohren wieder frei zu machen?

Charles: Nur ein paar Stunden. Wir sind quasi direkt vom Mix zum Mastering übergegangen und haben nicht versucht, zunächst etwas Abstand zu gewinnen.

Es hat mich mindestens fünf oder sechs Durchgänge gekostet, bis die neuen Songs wirklich ihre volle Wirkung erzielten. Zunächst war es für mich nur ein typisches MORGANA LEFAY-Album, aber eben nichts Besonderes. Mittlerweile halte ich es für ebenbürtig zu Maleficium. Seht ihr die Gefahr, dass die Leute heutzutage sich einfach nicht mehr die Zeit nehmen, sich so intensiv mit einem Album auseinanderzusetzen?

Robin: Ich glaube nicht. Ich höre nicht auf diese Art und Weise. Wenn ich ein Album kaufe, dann packt mich vielleicht ein Song von Anfang an, und dann hört man sich das ganze Album öfter an. Diese Art von Alben hat ein längeres Leben, man kann sie sich jahrelang anhören. Mein Lieblingsbeispiel ist Master Of Puppets von METALLICA, es ist ein unsterbliches Album, das immer besser wird.

Charles: Ich glaube, dass Leute, die auf diese Art von Musik stehen, einem Album mehr als eine Chance geben.

MORGANA
MORGANA LEFAY erzählen die Geschichte von Grand Materia nicht aussschließlich durch die Songtexte, sondern in erster Linie in Form der im Booklet abgedruckten Prosa: Wir sehen es so, als ob man ein Buch hat, und sehen die Songs als Illustrationen der Geschichte, und nicht so sehr als Teil der Geschichte.

In vergangenen Interviews habt ihr oft gesagt, dass ihr ziemlich faul seid und Zeitdruck benötigt, um eure Alben anzugehen. Ihr habt die Songs und besonders die Texte oft erst sehr kurz vor dem Studiotermin fertiggestellt. Nun hattet ihr längere Zeit kein Label und somit auch keinerlei Druck, sondern sehr viel Zeit. Habt ihr diese genutzt oder doch wieder bis zur letzten Minute gewartet?

Charles: (lacht) Wir haben dreieinhalb Jahre lang gewartet, und haben die letzten eineinhalb Jahre sehr hart gearbeitet. Wir haben also vor eineinhalb Jahren mit der Produktion des Albums begonnen.

Robin: Und das Label hat im Grunde auch keinerlei Druck ausgeübt. Als wir den Vertrag unterschrieben haben, kannten sie keinen der neuen Songs. (lacht) Sie hatten volles Vetrauen in uns, dass es ein gutes Album werden würde.

Es war also eine ganz andere Herangehensweise als bei den anderen Alben…

Charles: Ja, es war wirklich ein gutes Gefühl, keinem Druck ausgesetzt zu sein.

Kommen wir auf die Texte von Grand Materia zu sprechen. Es handelt sich um ein Konzeptalbum, welches die Legende des Alchemisten Nicholas Flamel zum Thema hat, der im 14. Jahrhundert gelebt hat. Seid ihr in den bisherigen Interviews schon mal gefragt worden, ob ihr durch das Lesen von Harry Potter zu diesem Konzept inspiriert worden seid?

Charles: Ich weiß natürlich darüber Bescheid. Nicholas Flamel ist einfach eine interessante Person, und er ist eine natürliche Person. Als wir letzte Woche mit ihm gesprochen haben, war er wirklich überrascht über seinen gestiegenen Bekanntheitsgrad. (lacht)

Aber der Harry Potter-Scherz kam noch nie auf…

Charles: Nein, es gab, glaube ich, einen Kommentar von jemandem in unserem Messageboard, aber ansonsten nicht.

Tony: Er wird auch noch in anderen Büchern erwähnt.

Zum Beispiel in einem Roman von Dan Brown.

Charles: Ja, davon haben wir auch im Nachhinein erfahren. Aber die Geschichte hat viel mehr als nur diese Person, sie hat eine tiefere Bedeutung.

Bei S.O.S. hatte der Hörer nur die Texte der einzelnen Songs, um die Geschichte zu verstehen. Diesmal gibt es im Booklet zwischen den Songtexten ausführliche Prosa-Passagen aus der Sicht von Nicholas Flamel. Hattet ihr diesmal einfach keine Lust, die Geschichte in jedem Interview erklären zu müssen? S.O.S. war ja für viele Leute ziemlich verwirrend.

Charles: Grand Materia wird vermutlich für einige Leute auch verwirrend sein, weil es einen tieferen Sinn hat. Aber die Sache ist die, dass es wirklich eine Geschichte zum Lesen ist, zusätzlich zur Musik. Wenn man also nur das Konzept in den Songtexten hat, ist es schwieriger, alles zu erklären. Dies ist eine gute Art, ein Konzeptalbum zu machen.

Robin: Und wir sehen es so, als ob man ein Buch hat, und sehen die Songs als Illustrationen der Geschichte, und nicht so sehr als Teil der Geschichte.

Die Geschichte kann also auch für sich selbst stehen…

Charles: Definitiv.

Als ich zum ersten Mal hörte, dass der Song Sangreal nur auf der Vinyl-Version veröffentlicht werden sollte, hatte ich die Befürchtung, Besitzern der CD würde ein wichtiger Teil der Geschichte fehlen. Das war aufgrund er im Booklet enthaltenen Geschichte wohl unbegründet.

Charles: Genau. Sangreal ist bloß so etwas wie eine Nebenhandlung, es hat keinen Einfluss auf den roten Pfaden, und was dort passiert, wird auch im Booklet erwähnt.

Robin: Eine Idee dahinter, diese Geschichte zu machen, war, dass wir dem Hörer etwas mehr geben wollten als bloß ein neues Album, so dass man durch den Kauf des Produktes nicht nur die Musik bekommt, sondern auch eine tolle Geschichte.

Habt ihr darüber nachgedacht, ein richtiges Buch dazu zu veröffentlichen?

Charles: Vielleicht. In meinem Kopf existieren noch etwa fünfhundert weitere Seiten. Ich habe mit meinem Bruder ein bisschen darüber gesprochen. Aber wir haben schon darüber geredet, Bücher zu schreiben, als wir noch klein waren…

Peter: Da kommen wir also zurück zu der Sache mit der Faulheit… (lacht)

Es gibt auf Grand Materia einige Verweise auf alte Songs. In My Funeral Is Calling etwa die Zeile A dead man lives – a living man dies aus Knowing Just As I, ebenso die Phrase knowing just as I im Song Blind. Sind die gefallenen Engel, welche in Angel´s Deceit erwähnt werden, die gleichen, auf die ihr euch in Knowing Just As I bezieht?

Charles: Vielleicht. Das ist eine sehr interessante Frage. Ich kann dir sagen, dass es auf verschiedenen Alben, die wir gemacht haben, eine Reihe von Songs gibt, die eine Verbindung zu anderen Texten von anderen Alben haben.

Allgemein gibt es einige wiederkehrende Themen und Textphrasen, die auf all euren Alben vom Anfang bis zur Gegenwart wie ein roter Faden auftauchen, wie etwa die gefallenen Engel, die Zeit…

Das
Die Zeit ist bei MORGANA LEFAY allgegenwärtig – nicht nur in den Texten, sondern auch in den Cover-Artworks.

Charles: (lacht) Ja, mit der Zeit ist es so eine Sache. Als wir die Texte durchgegangen sind, sahen wir time, time, time, time… time, time, time.

Auch das geheime Wissen und die Inquisition kommen immer wieder vor. Es gibt aber keinen Metaplot, ihr kommt einfach jedesmal aufs Neue auf diese Dinge zurück, oder?

Charles: Ja. Die Zeit ist faszinierend. Time is God. Die Zeit war und die Zeit wird immer sein. Sie ist somit auf eine Art allmächtig.

Robin: Wir sind aber alle keine religiösen Leute. Spirituell vielleicht, aber nicht im religiösen Sinne.

Kann man sagen, dass Helena P. Blavatskys The Secret Doctrine die lyrische Hauptinspiration ist? Das Werk wird im Booklet von Grand Materia zitiert, ihr habt einen gleichlautenden Albumtitel…

Charles: Ja, ich habe viel von ihr gelesen. Ich habe The Secret Doctrine einige Male gelesen, und es gibt immer noch Dinge, die sind zu tief, um sie zu verstehen.

Es wird gesagt, dass Nicholas Flamel einen Weg gefunden haben soll, aus Quecksilber Gold zu machen, und dass dies nur möglich gewesen sei, weil er keine habgierige Person war, sondern von dem Gold Krankenhäuser gebaut haben und den Armen geholfen haben soll. In eurer Geschichte betont ihr, dass es bei Grand Materia darum geht, etwas über sein eigenes Wesen herauszufinden und nicht um materielle Dinge. Es scheint für euch also mehr zu sein als nur eine nette Geschichte, etwas, das eine tiefere Botschaft beinhaltet, wie du ja auch schon vorhin erwähnt hast.

Charles: Ja, die Sache ist die, dass man kein Gold erschaffen kann aus Blei oder Quecksilber. Oder vielleicht kann man es. Aber was man machen kann, ist etwas Tieferes dahinter zu entdecken. Es geht nicht darum, Metall in Gold zu verwandeln, sondern eher darum, sich selbst in etwas anderes zu verwandeln, die Wahrheit über sich herauszufinden, höhere Wissensebenen zu erreichen. Und das kann, metaphorisch gesehen, auch Gold sein.

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