HÖWLER: See you in the pit!

Die Costa Rica Thrasher HÖWLER haben sich schon mit ihrem dritten Album “No More Circus!” kurz auf meinem Radar gezeigt. Mit ihrem vierten Album “Descendants Of Evil” hat die Band nun ein weiteres starkes, von klassischem Bay Area-Thrash beeinflusstes Album abgeliefert. Wie die Szene in Costs Rica so ist und weshalb es fast ein Dutzend Umbesetzungen auf dem Drumhocker der Band gab, verraten uns Sänger Charlie und Bassist Fucas im Email-Interview.

Hey, Leute! Wie geht es euch?

Charlie (Carlos Diaz, Gesang): Hi Daniel! Wir sind sehr aufgeregt wegen dieses Interviews und der Veröffentlichung von “Descendants Of Evil“.

Glückwunsch zur Veröffentlichung eures vierten Albums “Descendants Of Evil”. Das Album gefällt mir sehr gut und ist eines der stärksten Thrash-Alben, die ich dieses Jahr gehört habe.

Charlie: Danke dir, das wissen wir zu schätzen.

Seid ihr denn bisher mit den Reaktionen der Fans und der Medien zufrieden?

Charlie: Auf jeden Fall! Dank unserer Plattenfirmen haben wir es geschafft, mehr Aufmerksamkeit von diversen Medien zu bekommen, welche das Album dann auch sehr hoch bewertet haben. Außerdem haben wir in den sozialen Medien gesehen, dass das Album den Leuten sehr gut gefällt.

Ihr seid deutlich von klassischen Bay Area Thrash Metal-Bands beeinflusst. Ich höre sehr viel EXODUS und TESTAMENT in eurem Sound. Welche Bands und Alben waren der größte Einfluss für euch?

Fucas (José Mora, Bass): Unsere größten Einflüsse sind all die größten Metalbands aller Zeiten. Ich kann dir ein paar Beispiele geben wie JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH, IRON MAIDEN oder MOTÖRHEAD… Aber was wir wirklich die ganze Zeit im Kopf haben, sind Bands wie METALLICA, MEGADETH, EXODUS, SLAYER, METAL CHURCH, ANNIHILATOR oder PANTERA.

Was haltet ihr von der deutschen Thrash Metal-Szene?

Fucas: Die deutsche Szene war von Beginn an ziemlich wütend. Deutscher Thrash ist üblicherweise ziemlich schnell und rabiat, wir lieben das.

Thrash war immer das politischste aller Heavy Metal-Subgenres. Auch ihr singt über Themen wie Umweltzerstörung oder Machtmissbrauch. Welche bestimmten Themen sind euch besonders wichtig?

Charlie: Wir decken eine Menge Themen ab, hauptsächlich solche, bei denen es um Politik und soziale Dynamiken geht. Wir versuchen anzuprangern, was wir als falsch empfinden, unter anderem eben Umweltzerstörung und Machtmissbrauch. Der Gedanke dahinter ist, dass die Menschen aufwachen, soweit das möglich ist, realisieren, was falsch läuft und diese Dinge bekämpfen, um uns als Gesellschaft zu verbessern.

Der Text von “The New World Disorder” enthält die Phrase “Annuit coeptis, go fuck yourself!”. Das bezieht sich direkt auf die USA. Worum genau geht es in dem Song?

Charlie: Es ist kein Angriff, der Song ist eher eine Art Verhöhnung oder Parodie auf Verschwörungstheorien und die uralte Geschichte, welche uns seit der Kindheit durch die Bibel erzählt wird, nach der der Teufel die Wurzel allen Bösen ist, dabei ist das Böse eine Eigenschaft des Menschen. Darüber hinaus geht es in dem Song um Menschen mit globaler Macht, welche die Massen kontrollieren, um ihre Ambitionen zu befriedigen und immer reicher werden auf Kosten anderer. Dies sind die Menschen, die ihre Bosheit auf das höchtsmögliche, undenkbare Level gebracht haben.

Im letzten Song “Live to party, party to live” gibt es die Zeile “I want to go back to PANTERA forming musicians of the new era.”. Freut Ihr euch über die PANTERA-Reunion oder den PANTERA-Tribute, wie auch immer sie das nun nennen? Würdet Ihr euch das ansehen, wenn Ihr die Chance dazu hätten?

Fucas: Ja, wir freuen uns darüber! Es ist wahr, dass Dimebag und Vinnie der Nukleus und der wichtigste Teil für PANTERAs Musik waren. Für mich ist diese Reunion eine Art Tribut und niemand anderes als Zakk Wylde, Dimebags bester Freund, könnte ihm besser Tribut zollen. Wir sind also ziemlich glücklich darüber.

In dem Song gibt es auch ein paar Zeilen über Gras, Alkohol und andere Drogen. Wie sehr lebt ihr Jungs den Rock’n’Roll Lifestyle?

Fucas: Manchmal ja, manchmal nein, es ist wichtig, die richtige Balance zu haben. Der Song reflektiert einen Lebensstil eines großen Teils der Metal-Szene, aber natürlich ist es keine Regel, die man befolgen muss oder etwas, was man verallgemeinern kann.

Charlie: Ich muss ergänzen, dass Gonzalo und ich die mit dem gesunden Lebensstil in der Band sind. Wir trinken keinen Alkohol oder nehmen sonstige Substanzen zu uns.

Das Artwork von Dan Goldsworthy ist eine schöne Verbeugung vor den klassischen Ed Repka-Covern Es erinnert mich an eine Mischung aus “Think This” von TOXIK und “Rust In Peace” von MEGADETH. War das die Richtung, in die Ihr wolltet?

Charlie: Wir haben Dan für die Gestaltung des Covers den Kontext des Albums erklärt, die Texte gegeben und unsere musikalischen Einflüsse genannt und ihm ansonsten kreative Freiheit gelassen. Am Ende hat er dieses großartige Ergebnis abgeliefert. Das hier hat er dazu auf Facebook geposted:

“I was asked to do this one the week the Russian-Ukrainian war kicked off, and geopolitically the world was feeling a little bit like it did 30-odd years ago during the tail end of the Cold War. As such I wanted to do something a little bit ‘Rust In Peace for 2022’. Lots of Easter eggs and bleakly amusing little details in this one”.

“The table perspective and eye are meant to form an all seeing eye/annuit coepsis illusion. Then the reflections have devil horns too”.

Was sind eure Top 5 Ed Repka-Cover?

Fucas: Das sind so viele, aber ich kann auf jeden Fall alles nennen, was er für DEATH und MEGADETH gemacht hat.

Ihr habt eure ersten beiden Alben ohne Label veröffentlicht, komplett in Eigenregie. Seit eurem dritten Album “No More Circus!” arbeitet ihr mit dem deutschen Label Ragnarök Records zusammen. Wie seid ihr mit ihnen in Kontakt gekommen und wie sehr hat euch die Zusammenarbeit als Band weitergebracht? Was war die größte Veränderung für euch?

Fucas: Die größte Veränderung war, dass wir unsere Musik in Gegenden verbreiten konnten, in denen uns das vorher nicht möglich war. Wir sind mitten in der Pandemie mit ihnen in Kontakt gekommen. Zu der Zeit war fast niemand in der Lage, mit uns zu arbeiten, aber sie haben es getan. Seitdem haben wir eine nennenswerte Menge an CDs verkauft und das ist sehr gut für uns.

Das Schweizer Label Doc Gator Records macht die Vinyl-Auflage von “Descendants Of Evil”. Es ist euer erstes Album, welches auf Vinyl erscheint. Wie wichtig ist das für euch persönlich?

Fucas: Ja, das ist unser erstes Vinyl. Das ist schon wichtig für uns und weckt Erinnerungen, weil wir alle mit Vinyl aufgewachsen sind. Wir lieben den Sound von Musik auf Vinyl und freuen uns daher wirklich sehr darüber!

Ich habe mir auch eure älteren Sachen angehört und denke, dass ihr gerade in Hinblick auf die Produktion mit den letzten beiden Alben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht habt.

Fucas: Ja, das stimmt. Während der ersten beiden Alben haben wir noch gelernt, wie wir unsere Gefühle durch Musik ausdrücken. Seit “No More Circus!” haben wir eine Menge gelernt und haben die richtigen Leute für den Mix gefunden, was ein sehr wichtiger Teil des Ganzen ist.

Eure Songs sind seit “No More Circus!” auch kürzer und kommen besser auf den Punkt. Würdest du sagen, dass ihr seitdem euren Sound gefunden habt?

Fucas: Ja, das ist genau, was ich meinte. Das war die Zeit, in der wir als Band unseren Weg gefunden haben.

Wie ist die Szene in Costa Rica und den benachbarten Ländern? Welche Bands könnt ihr empfehlen und wie ist die Szene-Infrastruktur was Clubs, Labels und Festivals angeht?

Charlie: In Costa Rica und den Nachbarländern ist vor allem traditionelle Latin-Music und tanzbare Rhythmen vorherrschend. Trotzdem gibt es eine große Anzahl an Metalheads. Die Konzerte großer, internationaler Bands sind gut besucht. Tatsächlich ist es ein gutes Geschäft für die diese Bands und die Produzenten.

Es gibt große, gut ausgestattete Veranstaltungsorte, aber die sind teuer und werden generell für internationale Konzerte genutzt. Für lokale Konzerte gibt es diverse Bars mit akzeptablen Bedingungen, aber die Optionen sind eingeschränkt. Was Labels angeht, so gibt es in Mittelamerika seit Jahren keine. Die nächsten sind in Mexiko und Brasilien.

Und was Festivals angeht, so gibt es in verschiedenen Ländern kleine Festivals, aber das am meisten erwähnenswerte ist wegen seiner Größe und Professionalität wohl das MEGAMETAL in Honduras, bei dem wir sehr wahrscheinlich 2023 spielen werden. Und in Mexiko gibt es diverse, international bekannte Festivals, bei denen wir gerne spielen würden.

Einige Bands wären CHEMICIDE, DEKONSTRUKTOR, NOSTOC, TROBEROTH, ACERO, MANTRA, PNEUMA, DEZNUKE, SLAVON, ROTTEN SOULS, ZYANIDE, ABÄK und viele mehr.

Wie viele Leute kommen, wenn ihr ein lokales Konzert spielt?

Charlie: Wie schon gesagt, die internationalen Konzerte sind voll. Bei lokalen Bands sieht die Sache allerdings anders aus. Seit einigen Jahren ist es schwierig, mehr als hundert Leute bei einem Konzert zu ziehen. Ich denke, es liegt teilweise daran, dass die neue Generation nicht mehr so an Metal interessiert ist und die älteren zu beschäftigt sind, um auf Konzerte zu gehen. Davon abgesehen haben die traditionellen Medien, also Radio, Fernsehen und Zeitungen bis auf einige wenige Ausnahmen kein Interesse daran, etwas über Metalbands zu schreiben.

Wie ist Costa Rica mit der Pandemie umgegangen? Gibt es bei euch noch Einschränkungen?

Charlie: Während der ersten zwei Jahre der Pandemie gab es starke Einschränkungen und es konnten keine Konzerte stattfinden. Wir haben 2021 ein oder zwei Konzerte gespielt, aber 2022 wurden die Einschränkungen mit dem Regierungswechsel zurückgenommen und es fanden wieder “normale” Konzerte statt, wenn auch mit weniger Publikum als vorher.

Höwler 2022 – (c) Gonzalo Quirós

Von dem ausgehend, was ich bei Wikipedia gelesen habe, scheint Costa Rica ein recht guter Platz zum Leben in Mittelamerika zu sein. Ihr habt eine stabile Demokratie und deckt euren kompletten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen. Zumindest was letzteres angeht, sind wir davon in Europa noch weit entfernt. Was ist das beste daran, in Costa Rica zu leben und was ist weniger gut?

Charlie: Das Beste ist die offensichtliche Freiheit, die wir haben. Es gibt keine bewaffneten Streitkräfte, die unsere Bewegungsfreiheit einschränken, wir können also zumindest theoretisch frei ausdrücken, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Außerdem leben wir in einem natürlichen Paradies mit wunderschönen Landschaften und Energie ist billig.

Die negative Seite ist Korruption – wie in den meisten lateinamerikanischen Staaten und Entwicklungsländern. Costa Rica ist ein Land mit einer der höchsten Steuerbelastungen und trotzdem kommt von diesem Geld nichts bei den Investitionen in Bildung, Gesundheit, Sozial- oder Kulturprogrammen an. Dadurch ist hier alles sehr teuer und es ist schwierig, an bestimmte Waren ranzukommen wie zum Beispiel musikalisches Equipment.

Costa Rica spielt bei der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft der Herren in Katar. Schaut Ihr euch die Spiele an und was sind eure Gedanken zu diesem Turnier?

Charlie: Generell sind wir alle nicht all zu sehr an Fußball interessiert, wir haben aber einige der Spiele gesehen. Wir hatten nicht allzu große Hoffnung für die Nationalmannschaft, da es keine adäquate Vorbereitung gab und unsere nationale Liga eher mittelmäßig ist.

Ihr hattet vor allem in den ersten Jahren einen ganzen Haufen Line Up-Wechsel. Speziell der Drummer-Posten scheint bei euch eine eher schwierige Position zu sein, denn Leyner ist bereits euer neunter Schlagzeuger. Was waren die hauptsächlichen Gründe für all die Line Up-Wechsel?

Charlie: Tatsächlich haben wir schon elf Schlageugerwechsel hinter uns, denn Adrián Loría war zweimal in der Band und nun ist Gonzalo der zehnte und letzte Schlagzeuger, denn wir sind uns sicher, dass er der richtige Mann ist. Gonzalo hat die Qualitäten, welche diese Band braucht, sowohl was Technik als auch Ausführung angeht, aber auch was die Bandchemie und Ideologie angeht. Er fühlt sich den Zielen verbunden, die wir uns als Band gesetzt haben und das ist genau das, womit wir in all den Jahren zu kämpfen hatten. Einige der Schlagzeuger haben diese Voraussetzungen nicht erfüllt und die Entwicklung der Band wurde dadurch ausgebremst

Ein Interessanter Fall ist der von Josué Pazos. Er kam in die Band, als wir uns 2013 mit INHALER zusammengeschlossen haben, hatte allerdings Herzprobleme und musste die Band verlassen, um auf ein Herz-Transplantat zu warten. Das war sehr schade, es geht ihm aber inzwischen gesundheitlich sehr gut, hat aber mit Musik nichts mehr zu tun.

Ich vermute mal, Ihr habt neben der Band alle reguläre Jobs. Gibt es dennoch die Hoffnung, euch irgendwann mal in Europa zu sehen?

Charlie: Wir haben alle Vollzeit-Jobs, es ist leider nicht möglich in einem Land wie Costa Rica von der Musik zu leben. Und durch diese Jobs und auch unsere Familien – drei von uns haben Kinder – sind die Möglichkeiten zu reisen natürlich limitiert. Wir sparen allerdings unentwegt und planen sehr gut für internationale Touren, das ist also kein Hindernis. Wir haben Pläne, bald nach Europa zu kommen. Wir haben einige Kontakte und werden das bald umsetzen.

Was wäre euer Traum-Line Up für eine Tour, auf der Ihr spielt?

Fuca: Das ist eine schwierige Frage. Mein Traum wäre es, in der Bay Area zusammen mit einigen der wichtigsten Bands der neuen Old School Thrash Metal-Welle von heute zu spielen. Außerdem wäre es großartig, wenn wir irgendwann mal als Opener für METALLICA oder MEGADETH spielen könnten.

Das war es, Ihr habt es ans Ende des Interviews geschafft. Vielen Dank für eure Zeit. Die letzten Worte gehören euch!

Charlie: Wir sind sehr dankbar für diese Gelegenheit, unser Schaffen mehr Leuten näher zu bringen. Wir hoffen, Ihr genießt unsere Musik und dass wir uns bald auf der Bühne sehen, ob wir in euren Ländern spielen oder ihr zu uns kommt. See you in the pit!

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