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DER WEG EINER FREIHEIT: Der Erde Untertan

Mit "Unstille" schlagen die deutschen Black Metal-Durchstarter DER WEG EINER FREIHEIT ihr drittes Kapitel auf, qualitativ atemberaubend wie eh und je, und natürlich wieder fernab von Genreklischees. Immer dieselbe Leier also? Nein, denn DER WEG EINER FREIHEITnähern sich der musikalischen Perfektion, bauen auf "Unstille" die Kontraste aus, liefern ein spannendes, emotionales, brutales und gleichzeitig sanftes Album ab, das abermals von erstaunlicher Weitsicht geprägt ist. Es wird zu einer kleinen Sommertradition, dass wir Gitarrist und Songschreiber Nikita zum Interview, der wieder allerhand zu erzählen hat.

Mit Unstille schlagen die deutschen Black Metal-Durchstarter DER WEG EINER FREIHEIT ihr drittes Kapitel auf, qualitativ atemberaubend wie eh und je, und natürlich wieder fernab von Genreklischees. Immer dieselbe Leier also? Nicht ganz, denn DER WEG EINER FREIHEIT nähern sich der musikalischen Perfektion, bauen auf Unstille die Kontraste aus, liefern ein spannendes, emotionales, brutales und gleichzeitig sanftes Album ab, das abermals von erstaunlicher Weitsicht geprägt ist. Es wird zu einer kleinen Sommertradition, dass wir Gitarrist und Songschreiber Nikita zum Interview bitten, der wieder allerhand zu erzählen hat.

Hallo Nikita, unser drittes Interview, das dritte Mal im Sommer, das dritte Release in drei Jahren. Das nenne ich Kontinuität. Ist das der Zyklus von DER WEG EINER FREIHEIT, in diesem Tempo zu arbeiten?

Ich glaube das hat sich nur zufällig so ergeben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in den letzten Jahren immer genau zum Spätsommer, Herbst und Winter einen Inspirationsschub hatte und in diesem Zeitraum viele Songs geschrieben wurden, die im Frühling aufgenommen wurden und letztendlich im frühen Sommer herausgebracht wurden. Vielleicht zum nächsten Jahr wieder, hehe.

Von einem Album mit dem Titel Unstille erwartet man eine Urgewalt, das muss nicht besonders filigran, nur brachial sein. Eruptiv ist Unstille auf jeden Fall, laut und wild auch, aber auch irgendwie sanft und dabei intelligent. Ich kann mir nicht helfen, ich muss dabei dauernd an die sich selbst regulierende Natur denken, die einfach ihren Gesetzen folgt, Leben und Tod, Ruhe und Sturm vereint. Bin ich auf der richtigen Spur?

Du liegst mit den Kontrasten völlig richtig, genau diese Dynamik zwischen laut und leise, ruhig und aggressiv haben wir versucht auf dem neuen Album auszuweiten. Als Vorbild kann man durchaus die Natur hernehmen oder besser gesagt die heutige Welt, den Lauf der Zeit und den Menschen, der in ihr lebt.

Nach Agonie war nicht zu erwarten, dass ihr so schnell wieder loslegen würdet. Hat dich eine kreative Phase überrascht, vielleicht ausgelöst durch euren neuen Schlagzeuger Tobias?

Durchaus hatte ich eine Art Inspirationsschub nach bzw. sogar noch während dem Release von Agonie. Gut die Hälfte des neuen Albums war schon im Sommer letzten Jahres fertig geschrieben und der Rest setzte sich im Herbst und Winter zusammen, bevor es im vergangenen Februar ins Studio ging, um die Songs aufzunehmen. Tobias war zwar kein direkter Grund für diese überraschende Kreativität, aber er war auf jeden Fall auch ein Antrieb, der uns weiter nach vorne gebracht hat. Er ist einfach ein unermüdliches Arbeitstier, übt jeden Tag wie ein Verrückter und wird immer besser. Da muss man natürlich auch mit den Songs nachziehen.

Tobias hat sich hörbar gut eingelebt bei DER WEG EINER FREIHEIT, sein Spiel ist ebenso sauber und schnell, aber doch ein wenig verspielter, als das von Christian. Denkst du, er hievt euch auf ein neues Level?

Wie gesagt, er legt sich total ins Zeug und hat meiner Meinung nach eine riesige Bandbreite an musikalischem Verständnis. Einen Vergleich zwischen Christian und ihm würde ich aber nicht ziehen.

Stilistisch gesehen kann ich im Vergleich zu Agonie keine großen Neuerungen erkennen, mir erscheint es so, als ginge es um die Perfektion des Stils. Siehst Du das auch so?

Das haben mit dir schon einige andere Hörer und Redakteure angemerkt und ich denke, das ist auch richtig so. Ich habe nicht krampfhaft versucht, etwas Neues zu machen, weil ich nicht unbedingt darauf aus bin. Ich nehme das, was kommt und im Moment ist es eben das, wonach es klingt. Das kann sich natürlich schnell ändern, aber ich denke einen großartigen Stilwechsel von dem einen aufs andere Album wird es nicht geben.

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Ruhe und Sturm eng beisammen: Das Cover von Unstille symbolisiert eindrucksvoll die Ordnung der Dinge.

Allerdings gibt es doch einige spannende Variationen auf Unstille – einige Songs sind länger und komplexer, aber dennoch sehr kompakt geschrieben. Das klingt wie eine natürliche Evolution im Betracht auf Songs wie Der stille Fluss oder Posthum, die ja doch einen recht straighten Aufbau hatten. Ist das einfach eine Art, musikalisch zu wachsen?

Ja, wenn ich einen neuen Song schreibe, mache ich mir über dessen Ausrichtung am Anfang keine großen Gedanken. Ein Song entwickelt sich selbst und mit ihm die Stimmung und Richtung, in die es geht. Das kann ich vorher gar nicht genau sagen, wobei man natürlich immer aufpassen muss, dass es am Ende nicht zusammengewürfelt klingt. Daher freut es mich immer, wenn die Leute auch bei unseren längeren Stücken vom Aufbau gebannt und nicht gelangweilt sind.

Zeichen, Vergängnis und Zerfall, die drei großen Epen von Unstille sind mit viel Dynamik ausgestattet, haben ein paar ruhige Momente dabei, so dass es hier und da ein wenig nach Post Rock klingt. Manche finden, das sei inzwischen ausgelutscht, manche finden das gar untrue. Ist das für euch einfach nur ein Stilmittel, eine Hilfe, um so lange Songs überhaupt nachvollziehbar bleiben zu lassen?

Post-Rock ist mittlerweile schon fast zu einem Schimpfwort geworden, vielleicht weil es außer viel Delay und Hall nichts weiter als ein paar Töne braucht, um daraus einen schön klingenden Song zu machen. Es kann natürlich noch viel mehr und es gibt freilich auch hier wieder Bands, die das beherrschen und gut machen. Und es gibt Bands, die es eben nicht so gut können – vielleicht zu viele, was das Genre wiederum überflutet, unüberschaubar und nur Trend-bezogen macht. Mir macht es aber Spaß, solche Elemente in die Musik einzubauen, vor allem in Parts oder Momenten, die es einen eher nicht erwarten lassen. Das lockert die Musik einfach etwas auf und passt in meinen Ohren gut zusammen.

Daneben gibt es auch mit Lichtmensch eine sehr brutale Nummer zu hören, die ziemlich dissonant und böse ist, und auch Zu Grunde ist ein heftiges Stück. Mir erscheint es, als würde die Schere von den bösen und den epischen Songs ein wenig auseinander klappen. Wird es da irgendwann schwierig, den Gesamteindruck des Albums zu behalten?

Kontraste zu schaffen, war uns wie gesagt wichtig, beziehungsweise wird immer ein Bestandteil unserer Musik sein. Das macht sie interessant und dynamisch, weshalb wir neben den soften Klängen auch umso härtere Stücke geschrieben haben. Ich denke auf Unstille ist uns dieser Spagat noch gelungen, wie es in Zukunft aussieht, kann ich natürlich nicht sagen. Ich denke einfach wird es nicht sein, die Extreme noch weiter auszuloten, aber ohne wird es natürlich mit der Zeit auch langweilig.

Die Songs klingen jedenfalls alle sehr homogen und sind in sich stimmig. Das klingt nicht, als hättest du verkrampft Riff an Riff gepackt, sondern wärst planvoll vorgegangen, mit einer Grundidee, wie der Song werden soll und dann die Riffs dazu geschrieben?

Ehrlich gesagt ist es eher andersrum. Ich bin wie gesagt niemand, der Songs plant oder versucht eine gewisse Richtung vorzugeben. Dass es so homogen klingt, mag vielleicht daran liegen, dass das Material nach wie vor nur aus einer Feder stammt.

Wie lief das Songwriting eigentlich an sich ab? Ihr wohnt alle mittlerweile etwas verstreut, war es also wie früher, als Christian noch dabei war. Kannst Du am besten und schnellsten alleine arbeiten? Ein schöpferischer Einzelgänger, sozusagen?

Ja, so kann man das sagen. Es macht natürlich Spaß mit anderen Leuten zusammen Musik zu machen und daraus Songs entstehen zu lassen, aber ich habe mir nun angewöhnt, das ganze alleine zu machen. Mich erfüllt das genauso, und wenn meine Kollegen vom Material begeistert sind, freut mich das natürlich auch. Falls nicht, wird noch herumgeschraubt, eine gewisse Demokratie herrscht bei uns schon. Jeder muss zufrieden sein und von jedem kommt hier und da eine Idee oder ein Einwand. Bisher hat diese Arbeitsweise gut funktioniert, weshalb es keinen Grund gibt, das über kurz oder lang zu ändern.

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Post-Rock ist mittlerweile schon fast zu einem Schimpfwort geworden. Gitarrist Nikita (Mitte) trennt aber offensichtlich die Spreu vom Weizen und baut verarbeitet nur gute Einflüsse des Genres in seinen Black Metal-Songs.

Es gibt eine limitierte Box mit einer 7-Single als Bonus. Sind die enthaltenen Songs Ausschusswaren von den Aufnahmen, oder doch Dub Step-Remixe?

Keins von beidem, hehe. Beide Songs sind relativ alt, ungefähr aus dem gleichen Zeitraum, in dem das Debüt geschrieben wurde, beziehungsweise kurz danach. Wacht hätte seinen Platz fast zusammen mit den anderen sechs Stücken des neuen Albums gefunden. Wir fanden es aber sinnvoller, die neuen Stücke für sich stehen zu lassen und diesen Song extra und nicht als festen Bestandteil des Albums herauszubringen. In die Weiten war nach Spätsommer und Aurora das dritte Instrumental, das ich damals geschrieben habe und passte einfach noch perfekt zu Wacht auf die Bonus-7.

Aufgenommen habt ihr in eurer Heimatstadt Würzburg, das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen. Habt ihr euch gedacht: Warum nach Hamburg, wenn die Leute hier das auch können?

Wir haben bei diesem Album von vornherein gesagt, dass wir die ganze Produktion selbst in die Hand nehmen wollen. Wir hätten dafür natürlich wieder nach Hamburg oder in irgendein anderes Studio gehen können, aber ich habe mich eben erstmal hier in Würzburg umgeschaut und bin auf ein gut ausgestattetes Studio gestoßen, mit dessen Besitzer ich sehr gut klarkomme und mittlerweile auch bei anderen Projekten zusammenarbeite. Wir hatten eine große Auswahl an Technik, Mikrofonen, Preamps, und so weiter und konnten uns so viel Zeit lassen wie wir wollten. Wir mussten lediglich einen Tagessatz für die Studio-Miete zahlen und haben größtenteils alleine am Album gearbeitet. Da wir keinen Produzenten oder Techniker bezahlen mussten, war das Budget- und dadurch Zeittechnisch auf jeden Fall um einiges entspannter.

Einzig der Schlagzeugsound ist mit etwas zu steril. Das ist ein recht herber Kontrast zu den emotional klingenden Gitarren. Empfindet ihr das anders?

Ich finde Unstille ist ein eher härteres Album geworden, da muss der Sound natürlich auch mithalten können. Du hast schon Recht, dass dadurch die Drums etwas steril klingen, aber sie fügen sich meiner Meinung nach dennoch gut im Gesamtbild ein.

Die Texte liegen mit nicht vor, aber Titel wie Zerfall, Vergängnis und Zu Grunde klingt, als würde es um den Tod gehen. Was sind die Themen, die ihr auf Unstille behandelt?

Das Album beschreibt hauptsächlich den Wandel, die Veränderung – den Liedtiteln nach natürlich auch den Abschied von etwas, sei es eine Person, etwas Materielles oder ein Gedanke oder Gefühl. Das zentrale Thema bei Unstille, wie auch bei einigen unserer älteren Songs, ist der Mensch an sich. Das Älterwerden, Entwicklungen, menschliche Beziehungen, Vergangenheit, Zukunft und so weiter. Alles Dinge, die mich immer wieder zum Nachdenken anregen und beschäftigen.

Passend zu meiner Theorie der Thematik Tod passt das Artwork. Wer hat es dieses Mal gestaltet?

Das war ein guter Freund von uns, der erst vor kurzem eine eigene Design-Firma gestartet hat und unsere Musik und vor allem die Menschen dahinter gut kennt. Er ist unter dem Namen 1000 Raben unterwegs.

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Ich denke, für viele stellt schon unser Bandname ein Hindernis dar, sich überhaupt auf unsere Musik einzulassen, haha. Nikita rechnet sich keinen US-Erfolg à la RAMMSTEIN aus.


Organische Überreste, die von Zähnen umrahmt werden. Das sieht beinahe rituell oder sogar schamanisch aus. Inwiefern gibt es hier die Verbindung zum Titel Unstille? Ich denke dabei an den ewigen Kreislauf der Natur oder des Lebens, der nie zur Ruhe kommt.

Wir wollten musikalisch wie gesagt die Bandbreite zwischen laut und leise, ruhig und aggressiv erweitern. Auch im Artwork findet sich dieser Kontrast wieder: Das Zeichen in der Mitte als meteorologisches Symbol für Unwetter mit Sandsturm, was ein sehr lautes Szenario darstellt, eingebettet in einem gegliedertem Gesteck aus Pflanzen, was Ruhe und Ordnung ausstrahlen soll. Auf der anderen Seite befindet sich auf dem Albumcover nichts Künstliches, sondern nur Dinge, die natürlichen Ursprungs sind. Dies soll, wie du richtig erkannt hast, die Erde, beziehungsweise die Natur an sich symbolisieren, deren Kinder wir Menschen sind und der wir untertan sind.

Nachdem ich schon angemerkt habe, dass ihr euren Stil nahezu perfektioniert habt, stellt sich fast wie von selbst die Frage nach der Zukunft. Plant ihr so weiter zu machen, wie zuletzt, oder sucht ihr in naher Zukunft vielleicht nach einer neuen Form des Ausdrucks?

Puh, das kann man nie so genau sagen. Bisher kam ich noch nicht wieder dazu, neues Material zu schreiben, wobei ich derzeit sehr viel Lust und langsam auch wieder neue Inspiration verspüre. Nach so einem Album ist man natürlich erstmal ausgepowert, zumindest ist das bei mir so. Aber es geht auf jeden Fall weiter und es kommt wie es eben kommt. Vorhersagen kann man da nicht großartig machen.

Im letzten Jahr habt ihr einiges an US-Konkurrenz erhalten: DEAFHEAVEN, LITURGY und so weiter. Gerade in den USA kommt diese Musik sehr gut an und mit diesen Bands könnt ihr es qualitativ außerdem locker aufnehmen. Plant ihr, dort als nächstes Fuß zu fassen?

Ich kann nicht wirklich einschätzen, wie viele Leute uns da drüben überhaupt schon kennen. Ich denke, für viele stellt schon unser Bandname ein Hindernis dar, sich überhaupt auf unsere Musik einzulassen, haha. Ein bisschen Feedback kam natürlich schon bei uns an und es gab durchaus ein paar amerikanische Fans, die bei uns im Shop bestellt haben. Aber konzentrieren würde ich mich vorerst auf den deutschsprachigen Raum, beziehungsweise Europa. Da ist es einfach nicht ganz so schwierig die Leute zu erreichen und mal ein Konzert oder eine Tour zu spielen. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein Traum von jedem von uns, einmal in den Staaten zu spielen oder gar zu touren.

An der Livefront sind erstmal Einzelgigs angesagt, noch immer keine volle Tour. Ich bin mir sicher, ihr habt eine große Fangemeinde, die darauf wartet euch zu sehen. Werdet ihr diese zufrieden stellen können?

Wir arbeiten derzeit an zwei Touren, die auch mal länger als nur ein paar Tage gehen und uns auch ins Ausland führen sollen. Wir hoffen in den nächsten Wochen Näheres bekannt geben zu können!

Du hast es nun geschafft – vielen Dank für deine Antworten! Die große Frage lautet nun: Habe ICH etwas vergessen? Wenn Du also noch etwas loswerden willst, auf geht´s!

Danke dir auch für das ausführliche und interessante Interview! Alle Infos zur Band und den Veröffentlichungen gibt es nach wie vor auf unserer Seite www.derwegeinerfreiheit.de, ansonsten einfach eine Mail schreiben und wir antworten gerne! Wir sehen uns!

Bilder: (c) 1000 Raben

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